Intensives Lüften wegen schlechter Raumluft und Corona

An der Kantonsschule Zug weht ein kalter Wind

In den untersuchten Zimmern der KSZ war die Raumluftqualität zum Zeitpunkt der Messungen grösstenteils schlecht. (Bild: zvg)

Die Kantonsschule Zug versucht, Corona-Übertragungen durch Aerosole mit Maskenpflicht und regelmässigem Lüften zu verhindern – auch im Winter. Aufgrund baulicher Gegebenheiten ist das eine schwierige Aufgabe.

Für die Schulen im Kanton Zug beginnt mit dem Schulanfang am Montag auch ein neues Kapitel im Umgang mit dem Coronavirus (Sars-CoV-2). Die Tage werden kälter, die Zeit an der frischen Luft wird weniger, und die Fallzahlen in der Schweiz sind im Begriff zu steigen. Auch wenn das Bundesamt für Gesundheit (BAG) einer möglichen Übertragung durch Aerosole kaum Beachtung schenkt, häufen sich parallel zu dieser Entwicklung auch die Empfehlungen, Innenräume regelmässig zu lüften.

Nach einem sonnigen Sommer sehen sich Lerneinrichtungen damit spätestens nach den Herbstferien mit der Herausforderung konfrontiert, einen vernünftigen Weg zwischen exzessivem Lüften und guter Raumluftqualität auf der einen und einem angenehm warmen Lernklima auf der anderen Seite zu finden. Dabei gilt es im einen wie im anderen Falle zu verhindern, die Gesundheit der Schülerinnen und Lehrpersonen zu gefährden.

Besondere Herausforderung für die Kantonsschule Zug

Für die grösste Schule des Kantons, die Kantonsschule Zug (KSZ), dürfte sich dieses Kunststück möglicherweise als noch schwieriger herausstellen als für andere, modernere Schulgebäude. Die ältesten Teile des Komplexes sind fast ein halbes Jahrhundert alt und aufgrund schlechter Isolation und Deckenheizungen im Winter nur schwer auf Betriebstemperatur zu bringen (zentralplus berichtete).

Doch nicht nur die Kälte, auch die Luftqualität in den Klassenzimmern war an der KSZ bereits vor der Coronakrise ein Thema. Bereits im März 2019 wurden auf Initiative des Lehrerverbands Zug (LVZ) in verschiedenen Schulzimmern und Gebäudeteilen entsprechende Messungen durch die Lehrerschaft vorgenommen. Weil sich die Raumluftqualität auf die Konzentrationsfähigkeit der Schülerinnen und Schüler auswirken kann, wollte man herausfinden, inwiefern die Frischluftzufuhr in den Schulzimmern gewährleistet ist.

Die Messergebnisse sind ernüchternd: In den untersuchten Zimmern der KSZ war die Raumluftqualität zum Zeitpunkt der Messungen grösstenteils schlecht (roter Bereich). Vor allem in Klassenzimmern, in denen mehr als zehn Lernende unterrichtet wurden, liegt die CO2-Konzentration auffällig häufig im Bereich jenseits des Grenzwerts von 1350 ppm (Kohlenstoffdioxidpartialdruck), den die SIA-Norm 382/1 vorgibt. Nur in einem Zimmer des 2016 eröffneten Provisoriums war die Luftqualität auf einem akzeptablen Niveau. Die Zimmer im Trakt P sind mit einer Lüftung ausgestattet.

Schlechte Luft kann Viren enthalten

Peter Hörler, dem Direktor der KSZ, sind die schlechten Messwerte an «seiner» Schule bekannt. Er führt sie aber nicht primär auf bauliche Gegebenheiten, sondern auf die fehlende Sensibilisierung für die Thematik des Lüftens zurück. Seit den Messungen im März 2019 und erst recht mit der Corona-Pandemie habe sich das Bewusstsein dafür aber grundlegend geändert. «Jetzt wird das Thema mit der Gesundheit in Verbindung gebracht und ernst genommen», ist er überzeugt.

Eine Aussage über die tatsächliche Virenmenge in einem Schulzimmer lässt sich anhand solcher Messungen zur Raumluftqualität natürlich nicht machen. Wo keine erkrankten, ansteckenden Personen anwesend sind, können unabhängig von der Luftqualität auch keine Coronaviren sein.

«Das Gesundheitsrisiko ist eindeutig erhöht in allen schlecht gelüfteten Räumen, also auch in Schulzimmern.»

Rüdiger Külpmann, Experte für Konzepte zur Verbesserung der Luftreinheit und Luftqualität

Inwiefern möglicherweise ein Ansteckungsrisiko über Aerosole besteht, können Schulen nur via Analogie abschätzen. Die Zufuhr von Frischluft verringere die Luftbelastung durch mögliche Schadstoffe wie CO2 oder Viren in einem Raum, erklärt Rüdiger Külpmann, Experte für Konzepte zur Verbesserung der Luftreinheit und Luftqualität. Ein tiefer CO2-Gehalt sei somit ein Indiz für eine geringe Belastung durch Viren in einem Raum und umgekehrt. Er mahnt deshalb: «Das Gesundheitsrisiko ist eindeutig erhöht in allen schlecht gelüfteten Räumen, also auch in Schulzimmern.»

Schlechte Messergebnisse wie diejenigen der KSZ schockieren Külpmann längst nicht mehr. Es handle sich um «die typischen Werte in Klassenzimmern, die nur Fensterlüftung haben», sagt er. Auch eine im März 2019 durch das BAG veröffentlichte Studie verdeutlicht, dass die KSZ punkto Raumluftqualität keine Ausnahme ist.

Für die Schulen besteht dennoch kein Grund zur Panik. Auch der Experte für Raumluftqualität ist sich sicher, dass es vielen Raumnutzern schlicht am Bewusstsein für die Notwendigkeit frischer Luft fehle und sie sich allzu oft an schlechte Luft gewöhnt hätten. In der Regel könne die Luftqualität durch ein gutes Lüftungssystem oder regelmässige Lüftungspausen massgeblich verbessert werden.

Anweisungen zum intensiven Lüften

Die KSZ hat entsprechende Verbesserungsmassnahmen bereits eingeleitet, wie der Schuldirektor bestätigt. Zum einen seien die Empfehlungen zum regelmässigen Lüften fester Bestandteil des Schutzkonzeptes der Schule. Zum anderen weise die Schulleitung die Lehrerschaft während der Pandemie immer wieder auf die Notwendigkeit der Frischluftzufuhr hin – das nächste Mal mit dem Schulanfang kommende Woche. 

Die Lehrpersonen sind aufgefordert, den Schulunterricht und das Lüftungsverhalten anzupassen. «Wir empfehlen unseren Lehrpersonen, nach rund 20 Minuten eine Lüftungspause zu machen, die Lernenden gegebenenfalls kurz aufstehen zu lassen und fünf Minuten durchzulüften», führt Peter Hörler das Konzept aus. Idealerweise würden die Pädagoginnen und Pädagogen den Wechsel von Unterrichts- und Sozialformen wie Gruppenarbeiten dazu nutzen. Während der zehnminütigen Pausen zwischen den Lektionen sollten die Fenster auf Anraten der Schulleitung geöffnet sein.

Inwiefern diese Anweisungen umsetzbar sind, werden die kalten Tage weisen. Der bevorstehende Winter breitet dem Direktor aber nicht mehr oder weniger Bauchschmerzen als jeder andere Tag während der herausfordernden Corona-Pandemie. Kurze Lüftungseinheiten, wie sie die Schulleitung derzeit empfehle, seien sowohl für die Lernenden als auch mit Blick auf die Heizkosten durchaus zumutbar, findet er. Keine Option hingegen sei es, die Fenster permanent offen zu lassen und die Anwesenden permanenter Kälte auszusetzen.

Neue Luftmessungen sind im Gang

Peter Hörler ist zuversichtlich. Er geht davon aus, dass die derzeitige Luftqualität in den Schulzimmern durch konsequentes Lüftungsverhalten besser wird, als die Messungen vom März 2019 vermuten lassen.

Verbindliche, corona-spezifische Grenzwerte in Bezug auf Raumluftqualität gibt es nicht. Der Bund und die Kantone sprechen in Bezug auf das Lüften lediglich Empfehlungen aus. Raumluftexperte Külpmann empfiehlt für Schulen aber einen Zielwert von rund 1000 ppm, was mittlerer bis guter Luftqualität nach SIA-Norm entspricht. Zusätzlich rät er, in Räumen mit Fensterlüftung einfache CO2 Messgeräte zur Kontrolle aufzustellen.

«Fernunterricht ist kein Modell, das wir monatelang durchführen wollen.»

Peter Hörler, Direktor der Kantonsschule Zug

Ob die angesprochenen Werte auch im alten Gebäudeteil der KSZ erreicht werden können, dessen Zimmer zum Teil nur mit Kippfenster ausgestattet sind, sollen neue Messungen seitens der Lehrerschaft zeigen. Konkrete Ergebnisse stünden aber noch aus, sagt der Schuldirektor.

Sollte wider Erwarten keine merkliche Verbesserung der Raumluftqualität erreicht werden, wird die Schulleitung die Situation neu beurteilen müssen. Ziel aller Corona-Schutzmassnahmen ist es gemäss Peter Hörler, den Präsenzunterricht mit allen Klassen im Vollbestand unter Beachtung der Vorgaben durch Bund und Kanton so lange aufrechtzuerhalten, wie es verantwortbar sei. «Fernunterricht ist kein Modell, das wir monatelang durchführen wollen. Die vielen sozialen Aspekte, welche Schule eben auch ausmachen, gehen dadurch verloren», bedauert er.

Bis jetzt sei die KSZ mit ihrem Schutzkonzept und der Maskenpflicht gut gefahren. «Erst ganz am Schluss vor den Herbstferien sind Einzelfälle aufgetaucht.» Die jeweiligen Ansteckungen seien aber ausserhalb des Hauses erfolgt. Und trotz steigender Fallzahlen hält Peter Hörler fest: «Im Moment gehen wir davon aus, dass wir die Schule am Montag mit Vollbestand öffnen können.»

Die Raumluftqualität wird weiterhin Thema sein

Das Thema Raumluftqualität dürfte die Agenda der KSZ abseits von der Corona-Pandemie im Kontext grundsätzlicher Diskussionen über die Sanierung der alten Gebäudeteile weiterbeschäftigen – spätestens im Sommer. An heissen Tagen nämlich könne man lüften, so viel man wolle, so Urs Leisinger. Der Chemielehrer hat die Messungen im März 2019 als Mitglied des Lehrerverbands Zug (LVZ) mitverantwortet. Ein Luftaustausch sei praktisch unmöglich. Ausserdem würden die Schulzimmer bei offenen Fenstern so heiss, dass gewöhnlicher Unterricht kaum mehr möglich sei.

Bereits Anfang des Jahres hat die CVP-Kantonsratsfraktion den Regierungsrat mit einem Postulat dazu aufgefordert, «die pädagogische Modernisierung und energetische Sanierung» des altehrwürdigen Schulhauses voranzutreiben. Ob und wann das Schulhaus saniert wird, wurde auf politischer Ebene bis dato nicht entschieden. Für Leisinger jedenfalls ist klar: «Wenn saniert wird, muss unbedingt an eine Lüftung und weitere bauliche Massnahmen gedacht werden.» 

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2 Kommentare
  • Profilfoto von Benoit Sicre
    Benoit Sicre, 21.10.2020, 13:36 Uhr

    Danke für den interessanten Artikel.

    Bei der Informationsplatform MeineRaumluft.ch gibt es die Möglichkeit für Schulen, an einer Messkampagne teilzunehmen und ein CO2-Messgerät für 1 Woche zu leihen, damit Lehrkräfte und Schüler miteinander ein Lüftungskonzept entwicklen können.

    https://www.meineraumluft.ch/

    Übersicht der bisherigen Messergebnisse:
    https://www.meineraumluft.ch/wp-content/uploads/2020/02/Schlussbericht-Raumluft-Messkampagne-in-Schulen-CH-A4-Leseversion.pdf

    Eine ähnliche Messkampagne läuft für Bürogebäude.

    bs

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  • Profilfoto von Guellemaetteli
    Guellemaetteli, 19.10.2020, 09:19 Uhr

    Vielleicht gibt es an der Kanti nun eine Schafswolle-Pullover-Pflicht.

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