Chef Stefan Schulthess zum SGV-Rettungsring

Aktionäre gehen seit Jahren leer aus – genau das rettet nun die Schifffahrt

Der Wellengang ist aktuell hoch, doch die SGV scheint auf Kurs zu bleiben. (Bild: SGV)

Die Schifffahrtsgesellschaft des Vierwaldstättersees (SGV) steht wegen der Corona-Krise am finanziellen Abgrund. Wie kommt es, dass ein florierendes Unternehmen nach einem schlechten Jahr direkt in die Existenzkrise rutscht? Geschäftsführer Stefan Schulthess erklärts im Interview.

Niemand will die Schifffahrtsgesellschaft des Vierwaldstättersees SGV untergehen sehen. Um dies zu verhindern, haben sich die umliegenden Kantone und der Bund dazu bewegen lassen, dem durch die Corona-Pandemie gebeutelten Unternehmen finanziell entgegenzukommen.

Der Kanton Luzern bestätigte am letzten Donnerstagmorgen die Recherchen von zentralplus, wonach ein altes Darlehen an die SGV von rund zwölf Millionen Franken nur noch zur Hälfte zurückbezahlt werden muss (zentralplus berichtete).

Unternehmen kommt mit blauem Auge davon

Dank diesem Teilverzicht und einer zurückhaltenden Finanzpolitik der SGV in den letzten Jahren könnte das Unternehmen mit einem blauen Auge aus dieser Krise kommen. zentralplus wollte von Stefan Schulthess, Geschäftsführer der SGV Holding AG, dennoch wissen, weshalb mehrere «fette Jahre» ein miserables nicht wettmachen konnten.

zentralplus: Herr Schulthess, der Bund und die Anrainerkantone verzichten auf rund sechs Millionen Franken eines alten Darlehens. Welchen Spielraum erhält die SGV-Gruppe dadurch?

Stefan Schulthess: In der Jahresrechnung der SGV AG wird dadurch der Anteil an Fremdkapital um sechs Millionen Franken verringert. Dadurch kann eine Überschuldung abgewendet werden und das Unternehmen hat mehr Reserven, um die anstehenden Herausforderungen anzupacken und die weiteren Auswirkungen der Pandemie verkraften zu können. Man muss dabei aber zwei Dinge festhalten.

«Es fliesst kein Geld zur SGV.»

Stefan Schulthess, Geschäftsführer der SGV Holding AG

zentralplus: Die da wären?

Schulthess: Die Unterstützung durch Bund und Kantone ist in erster Linie eine buchhalterische. Es fliesst kein Geld zur SGV. Die Unterstützung richtet sich einzig an die Buchhaltung der SGV – also die Schifffahrt AG und nicht die SGV-Gruppe als gesamte. Aber natürlich hilft dieses Entgegenkommen der ganzen SGV-Gruppe.

zentralplus: Als Teil der Vereinbarung muss die Muttergesellschaft, die SGV Holding AG, die Sanierung der Tochterunternehmen Tavolago und die SGV Express AG übernehmen, die ebenfalls überschuldet sind. Welche Massnahmen werden konkret ins Auge gefasst?

Stefan Schulthess, Geschäftsführer der SGV Holding AG (Bild: Linda Pollari / SGV)

Schulthess: Wie erwähnt, wird die SGV Holding AG für die Sanierung dieser Tochterunternehmen aufkommen. Wir haben die notwendigen Reserven, um das zu stemmen. Der Teilverzicht zu Gunsten der SGV trägt dazu bei, dass die Reserven der SGV Holding AG nicht komplett aufgebraucht werden müssen.

zentralplus: Das bedeutet, dass eine Schliessung oder der Verkauf von Tochterunternehmungen wie beispielsweise die diversen Hotels und Restaurants der Tavolago AG ausgeschlossen ist?

«Das Abstossen einzelner Betriebszweige ist nicht Teil unserer Sanierungsstrategie.»

Schulthess: Unser oberstes Ziel ist es, die Unternehmung zusammenzuhalten. Das Abstossen einzelner Betriebszweige ist dementsprechend nicht Teil unserer Sanierungsstrategie.

zentralplus: Mit Blick auf die massiven Auswirkungen der Pandemie, gerade auch auf die Gastrobranche, erstaunt das dann doch etwas.

Schulthess: Die Krise geht ja auch nicht spurlos an uns vorbei. Wir mussten Kurzarbeit einführen, Projekte sistieren, den Unterhalt und den Fahrplan reduzieren und auch Entlassungen aussprechen.

zentralplus: Kompletten Schiffbruch wird die SGV nicht erleiden, das können viele andere Unternehmen nicht so bestimmt sagen.

Schulthess: Hier kommt uns vor allem unsere vorsichtige Finanzpolitik der letzten zwei Dekaden zugute.

«Wir haben in den vergangenen 15 Jahren keine Dividenden an unsere Aktionäre ausbezahlt und konnten stattdessen Reserven bilden.»

zentralplus: Wie meinen Sie das?

Schulthess: Wir haben beispielsweise in den vergangenen 15 Jahren keine Dividenden an unsere Aktionäre ausbezahlt und konnten stattdessen Reserven bilden. Wir konnten unsere Aktionäre davon überzeugen, dass wir den Unternehmenswert steigern können, indem wir, statt die Gewinne auszuschütten, diese in das eigene Unternehmen reinvestieren. Dadurch mussten wir auch keine Kredite aufnehmen, was uns nun ebenfalls zugutekommt.

zentralplus: Die vorsichtige Finanzpolitik Ihres Unternehmens scheint demnach Schlimmeres verhindert zu haben. Dennoch sei die Frage erlaubt: Wie ist es möglich, dass ein – zugegeben – ausserordentlich schlechtes Jahr die SGV in eine derartig tiefe Krise stürzen kann? Dies notabene direkt nach einigen der erfolgreichsten Jahre der Gesellschaft.

Schulthess: Die Frage ist, wie sich grosse Reserven in den Branchen, in denen die SGV-Gruppe tätig ist, anhäufen lassen? Mit unseren Gastro- und Hotellerieangeboten und auch unserer touristischen Schifffahrt, sind wir klar der margenschwachen Tourismusbranche zuzuordnen.

zentralplus: Das bedeutet?

Schulthess: Selbst in sehr guten Jahren lassen sich nicht solche Gewinne erzielen, dass man für mehrere Jahre so grosse Reserven anlegen könnte, um Umsatzeinbussen von 50 Prozent oder mehr über viele Monate oder gar Jahre verkraften zu können.

zentralplus: Unlängst entschied das Kantonsgericht, dass die SGV, und nicht der Kanton für Kosten von rund drei Millionen Franken für das Absaugen des Seegrunds aufkommen muss (zentralplus berichtete). Inwiefern tangiert dieser Entscheid die Sanierungsbemühungen der SGV-Gruppe?

Schulthess: Das tut er nicht. In unserer Jahresrechnung 2020 rechneten wir nicht mit einer Rückerstattung dieser Kosten. Es wäre ein sehr schönes Ostergeschenk gewesen, wenn wir diese Ausgaben zurückerstattet bekommen hätten, entscheidend für unsere Situation ist es jedoch nicht. Die Aufwände sind im Jahr 2019 angefallen und dementsprechend auch bereits im Jahr 2019 beglichen worden.  

«Wahre Erleichterung wird erst einsetzen, wenn wir wieder Gäste auf den Schiffen und in den Restaurants haben.»

zentralplus: Die Vereinbarung mit Bund und Kantonen ist nun unter Dach und Fach. Wie erleichtert sind Sie und wie blicken Sie in die Zukunft?

Schulthess: Wahre Erleichterung wird erst einsetzen, wenn wir wieder Gäste auf den Schiffen und in den Restaurants haben. Wir sind aber dankbar für die wertvolle Unterstützung der öffentlichen Hand. Das aktuelle und das kommende Jahr werden voraussichtlich auch nicht einfacher. Dennoch bleiben wir optimistisch und sind überzeugt, dass mittelfristig wieder gute Jahre vor uns liegen.

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