Luzerner Quartierpolizist in der Sinnkrise

25 Dienstjahre, eine Leiche und jede Menge Bier

Quartierpolizist, Bierbrauer und Autor: UrsAnton Krügel in seiner Wohnung im Obergütsch.

(Bild: pbu)

Seit nunmehr einem Vierteljahrhundert ist Urs Krügel als Polizist im Luzerner Stadtzentrum unterwegs. So viel Staatsdienst kann schon mal eine mittelschwere Sinnkrise verursachen. In seinem Fall hilft da nur eines: Bier brauen, Bier trinken und einen Bierkrimi schreiben.

Die Saat der Midlife-Crisis treibt zuweilen sonderbare Blüten. Da werden Ferraris gekauft, die Ehefrauen gegen junge Gespielinnen ausgetauscht oder allerlei illegale Substanzen konsumiert. So zumindest die gängigen Klischees. Bei anderen macht sich die «Krise zur Lebensmitte» aber auf noch viel seltsamere Weise bemerkbar.

Zum Beispiel beim Luzerner Quartierpolizisten Urs Krügel: «Ich lasse mir den Bart wachsen. Und seit der Midlife-Crisis nenne ich mich UrsAnton Krügel. Ohne Bindestrich oder Leerschlag zwischen dem ersten und dem zweiten Vornamen», betont er und lächelt dabei verschmitzt, während wir an seinem heimischen Esstisch im Obergütsch Platz nehmen.

Der etwas andere Quartierpolizist

Krügel, demnächst 50-jährig, sozusagen auf der Zielgeraden seiner Midlife-Crisis, ist schon sein halbes Leben lang Polizist. Mit 25 Jahren stieg er bei der Luzerner Stadtpolizei ein und ist heute noch dort. «Stimmt nicht ganz», wirft Krügel ein. «2010 haben die Stadt- und die Kantonspolizei fusioniert. Für mich als stolzen Stadtpolizisten war das nicht ganz einfach, weil dadurch viel von der familiären Kultur auf der Strecke geblieben ist.»

«Nach 18 Dienstjahren wurde ich dünnhäutiger.»
Urs Krügel, Quartierpolizist und Krimi-Autor

2010 war noch aus einem anderen Grund ein Umbruchjahr für den gebürtigen Luzerner. «Nach 18 Dienstjahren wurde ich dünnhäutiger», erzählt er. «Die Arbeit im Einsatzzug habe ich immer schlechter ertragen. Deshalb entschloss ich mich, das Einsatzgebiet zu wechseln.» Seither ist Krügel Quartierpolizist im Gebiet Zentrum: Altstadt, Kleinstadt, Bruchstrasse – «das geilste Quartier der Stadt», schwärmt er.

Unter ihm sein Reich: UrsAnton Krügel auf seiner heimischen Terrasse im Obergütsch. Im Hintergrund rechts die Stadt Luzern.

Unter ihm sein Reich: UrsAnton Krügel auf seiner heimischen Terrasse im Obergütsch. Im Hintergrund rechts die Stadt Luzern.

(Bild: pbu)

Mit Haut und Haaren sei er Polizist. Stärker ist nur seine Verbundenheit zur Stadt: «Ich liebe Luzern», sagt Krügel unumwunden. «Es ist für mich etwas vom Schönsten, in dieser Stadt zu leben und auch zu arbeiten. Einige Polizisten sehen das anders, die könnten nie an demselben Ort wohnen und leben, wo sie auch arbeiten.»

Abschalten am Gärtank

Sein Selbstfindungstrip beschränkt sich indes nicht auf unrasierte Gesichtshaare und die erweiterte Namensgebung. Seit etwa vier Jahren ist der Luzerner Polizist gänzlich dem Bierbrauen verfallen, produziert mittlerweile in seiner Bierküche in Inwil jährlich rund 2’000 Liter des Gerstensafts und veranstaltet als diplomierter Biersommelier regelmässig Bier-Tastings. «Am liebsten mit meinen eigenen Bieren», erzählt er. «Dann sehe ich direkt, wie diese bei den Leuten ankommen.»

Ein Tag in der Woche ist fix fürs Brauen reserviert. Mittlerweile umfasst sein Sortiment rund 16 Biersorten. Wer ein Krügelbier-Abo möchte, kommt auf die Warteliste. Für Krügel habe das Bierbrauen viel mit Entspannung zu tun. «Es bietet mir einen tollen Ausgleich, weil ich mich über mehrere Stunden vollständig darin verlieren kann.» Gerade während strengen Phasen bei der Arbeit sei das Gold wert.

«Bier ist das ehrlichste Getränk der Welt.»

Ein Blick in Krügels Wohnung macht schnell deutlich, dass Bier nicht bloss sein Hobby, sondern seine Leidenschaft ist. Kaum eine Zimmerwand ist frei von Postern, Schildern und Bildern, auf denen Biere angepriesen werden. In den Regalen stehen unzählige Flaschen – die meisten davon stammen aus Übersee, verrät der selbsterklärte Amerika-Fan, dessen Nachname im Österreichischen für ein Trinkgefäss mit Henkel steht: Bierkrug.

Bier dominiert in Krügels Wohnung. So sehen fast alle Wände in seiner Wohnung aus.

Bier dominiert in Krügels Wohnung. So sehen fast alle Wände in seiner Wohnung aus.

(Bild: pbu)

«Bier ist das ehrlichste Getränk der Welt», begründet der Ordnungshüter seine Faszination. «Es kennt keine Schichten. Sowohl der Bankdirektor als auch der Handwerker trinken es.» Wer ist einem erfrischenden Feierabendbier schon abgeneigt, fragt er rhetorisch. Bier sei für ihn vor allem Genussmittel. Seit seiner Ausbildung zum Sommelier erst recht. «Seither habe ich nie wieder einen über den Durst getrunken, sondern geniesse das Getränk viel bewusster.»

Das masturBIERende Alter Ego

Zu 100 Prozent Quartierpolizist, zu 20 Prozent Bierbrauer – über die Jahre sammeln sich da viel Erfahrung und noch mehr Geschichten an. Geschichten, die UrsAnton Krügel jüngst in Krimis verpackt und in Eigenregie verlegt. Letztes Jahr erschien «Schwarzbier», der «1. Luzerner Bierkrimi», von dem Krügel gut 400 Exemplare verkaufte. Nächsten Monat kommt mit «Weissbier» der Nachfolger auf den Markt.

Bierkrimis für einen guten Zweck

Die Krimis von UrsAnton Krügel sind über seine Webseite bestellbar oder können im Luzerner Comic und Vinyl Shop «Co-Mix Remix» an der Pfistergasse gekauft werden. Ein Exemplar kostet 25 Franken, wovon jeweils 5 Franken für einen guten Zweck gespendet werden. Mit dem Verkauf von «Schwarzbier» kamen so, aus der Bierkasse aufgerundet, 2’500 Franken zugunsten der Behindertenwerkstätte Brändi in Horw zusammen. Mit dem Erlös aus «Weissbier» unterstützt Krügel die Luzerner Fasnacht. Der «zweite Luzerner Bierkrimi» erscheint am 7. April.

Hauptprotagonist ist der «Bierpolizist» Heinz-Hubert Humpen. Humpen, also schon wieder Bierkrug, diesmal in der Version aus Deutschland. Das ist natürlich kein Zufall. «Der Doppelname Heinz-Hubert korrespondiert direkt mit meinem, UrsAnton», erklärt der Autor. «Der Bierpolizist bin eigentlich ich.» Jede Menge Autobiografie. «Humpen ist mein Alter Ego», bestätigt Krügel.

Es seien amüsante Krimis, meint er. Im Stile des österreichischen Schriftstellers Wolf Haas, nur mit viel mehr Bier und noch mehr Luzern. Vor allem aber lebten seine Geschichten von Wortspielereien. «Im ersten Buch merkt Humpen beispielsweise, dass in masturbieren das Wort Bier drinsteckt. Er geht dem gedanklich nach und driftet dabei völlig ab», erzählt Krügel und kann sich ein Lachen dabei nicht verkneifen.

Exklusiv: Krügel liest aus seinem zweiten noch unveröffentlichten Bierkrimi «Weissbier»:

Wird Krügel zum Humpen?

Tatsächlich sind die Parallelen zwischen Krügel und Humpen frappant: Beide arbeiten als Quartierpolizist, beide leben in der Stadt Luzern, beide mögen Bier und brauen dieses leidenschaftlich gern. Nur die Arbeitspensen und das Alter unterscheiden sich. Humpen, mit 59 Jahren kurz vor der Pensionierung, arbeitet nur noch drei Tage pro Woche für die Polizei, an zwei Tagen produziert er Bier.

Ist Humpen etwa die Zukunftsversion von Krügel: Weniger Polizei, mehr Bier? «Wer weiss», sagt dieser geheimnistuerisch. «Momentan schliesse ich eine Reduktion des Polizisten-Pensums jedoch aus. Dafür mache ich den Job viel zu gerne. Aber fürs Pensionsalter kann ich mir durchaus vorstellen, meine Tätigkeit als Bierbrauer auf mehrere Tage auszuweiten.»

Der Bierpolizist auf Erfolgskurs

Bis es so weit sein wird, bleibt noch etwas Zeit. Mit 52 Bierbrau-Tagen im Jahr hat Krügel seine Kapazitätsgrenze erreicht. Für weitere Abenteuer seines Alter Egos fände er aber noch Platz. «Den dritten Teil mit dem Titel ‹Bockbier› bin ich bereits am Schreiben», sagt Krügel.

«Solange die Nachfrage da ist, werde ich wohl weitermachen.» Der Erfolg seines ersten Krimis sei nicht nur überraschend, sondern auch motivierend gewesen. «Anerkennung beflügelt», sagt der Bierpolizist dazu. «Das Schreiben fliesst momentan wie leckeres Bier den Rachen hinunter. Das gilt es zu nutzen.»

UrsAnton Krügel in seiner offiziellen Arbeitsuniform als Luzerner Quartierpolizist.

UrsAnton Krügel in seiner offiziellen Arbeitsuniform als Luzerner Quartierpolizist.

(Bild: pbu)

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