Reaktionen zum Zuger Spar-Fahrplan

Regierungsrat: «Der Porsche muss ausgefahren werden»

Viele Zuger fahren lieber ihren Porsche aus, als den öffentlichen Verkehr zu benutzen – egal wie gut er ausgestaltet wird, findet Volkswirtschaftsdirektor Matthias Michel. (Bild: Porsche Schweiz AG)

In den letzten Tagen haben die Medien die geplanten Abbau-Massnahmen beim öffentlichen Verkehr im Kanton Zug thematisiert. Seither gehen die Emotionen hoch, beispielsweise auf der Facebook-Seite «Zuger helfen Zugern».

Im Online-Forum wird der Artikel von zentral+ von vielen Zugern mit deutlichen Worten kommentiert. Einige Muster: «Ich finde es eine Frechheit, was die sich da leisten. Und man verwundert sich, warum es immer mehr Autos auf den Strassen gibt», schreibt Paula. Roger schreibt: «Keis Wunder gaht alles mitem Auto, und es stinkt, das di am Morge früeh scho zu de Schueh usrüehrt.»

Richtig wütend wird Gabriela: «Und wieder einmal wird der öV-Benützer schlichtweg verarscht», schreibt sie. Und weiter: «Schön, fährt mein Bus nur noch alle 30 Minuten. Super. Anstatt 15 Minuten Heimweg geht es bald eine Stunde. Toll! Super ausgedacht! Bravo!» Die Userin Monika nervt sich, dass es keine Abstimmung darüber gibt – wo man doch so viel an die Urne gerufen wird. «Sparen beim öffentlichen Verkehr, aber grössenwahnsinnig mit dem Stadttunnel. Wie passt das zusammen?», merkt Dorothea aus aktuellem Anlass an. Und Chantal schreibt, dass zwar fast jedes Jahr, oder sicher alle zwei Jahre, die Preise im öffentlichen Verkehr anstiegen, aber die Dienstleistung abnehme. «Kann ja au ned ganz ufgah!»

In drei Tagen 110 Stellungnahmen

Was sagt Michel zu den Facebook-Kommentaren?

zentral+ hat Volkswirtschaftsdirektor Matthias Michel gebeten, sich zu den Kommentaren auf der FB-Seite «Zuger helfen Zugern» zu äussern. «Solche Reaktionen sind nach meiner Erfahrung zu erwarten und normal», sagt er, «diese dürfen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die grosse Mehrheit der 28,2 Millionen Reisenden, welche letztes Jahr im Zuger öffentlichen Verkehr transportiert wurden ist, insgesamt zufrieden bis sehr zufrieden ist mit unserem öV-Angebot.» Die grosse Mehrheit werde von den moderaten Massnahmen auch gar nicht betroffen sein und sich – auch deshalb – nicht melden, fügt der Regierungsrat hinzu. «Diese Menschen werden weiterhin täglich ihre Verbindung finden, ja es wird sogar auf einzelnen  S1-Verbindungen dank zusätzlichen FLIRT-Zügen mehr Platz haben. Diese zusätzlichen Züge zeigen, dass wir den öV auch weiterentwickeln – trotz Sparprogramm!»

Die Alternative-die Grünen von Baar haben auf ihrer Facebook-Seite Musterbriefe kreiert und aufgeschaltet, ähnlich wie die Mieterverbände vor Zinserhöhungen. «Wehren Sie sich gegen gegen den öV-Abbau in Baar – reichen Sie eine Stellungnahme ein», schreibt die ALG.

Zum Fahrplan haben sich in den letzten Tagen offenbar viele Zuger kurz vor Ende der Vernehmlassungsfrist noch geäussert. Gemäss Hans-Kaspar Weber vom Zuger Amt für öffentlichen Verkehr sind bis am Freitag 110 Stellungnahmen eingegangen (am Dienstag waren es erst 31).

Matthias Michel schmerzt der Abbau persönlich

Der Zuger FDP-Regierungsrat Matthias Michel ist für den öffentlichen Verkehr im Kanton Zug politisch verantwortlich. Was sagt er zu den Reaktionen der Bevölkerung zum geplanten Abbau?  «Sie können mir glauben: Jede Abbaumassnahme im öffentlichen Verkehr schmerzt mich. Ich bin konsequenter öV-Nutzer und finde, die Nutzung des öV im Verhältnis zum motorisierten Invididualverkehr – der sogenannte Modalsplit – könnte und müsste in der Schweiz, und auch in Zug, besser sein.» – Michel fährt bekanntlich jeden Tag von Oberwil mit dem Velo zur Arbeit.

Er werbe aber um Grundvertrauen dem Regierungsrat gegenüber, wenn dieser unpopuläre Massnahmen im Entlastungsprogramm beschliessen müsse. Der Handlungsbedarf sei unbestritten, erklärt Michel. Die Staatswirtschaftskommission sowie die bürgerlichen Parteien hätten dem Regierungsrat bei der Beratung des Budgets 2015 klar mitgeteilt, dass sie eine konsequente Umsetzung der Sparziele von mindestens 100 Millionen Franken erwarteten. Es dürfe deshalb keine Tabus geben, auch nicht beim öffentlichen Verkehr, so Michel.

«Untergangsszenarien entgegentreten»

Gewissen Untergangszenarien wegen des Entlastungsprogramms des Kantons wolle er aber klar entgegentreten. Es stimme schlichtweg nicht, dass beim öffentlichen Verkehr ein «massiver Abbau» geplant sei. Michel: «Wir reduzieren dort das Angebot, wo es heute weit unterdurchschnittlich genutzt wird und wo am wenigsten Personen betroffen sind.» In den letzten Jahren habe man das Angebot sukzessive ausbauen können. «Wir stellen also das öV-Angebot einfach um ein bis zwei Jahre zurück; das ist moderat», sagt der Regierungsrat.

Höchste Auto- und Porschedichte der Schweiz

Der Modal-Split werde sich wegen eines leicht reduzierten Angebots nicht verschlechtern; und er werde nicht per se besser mit einem ausgebauten Angebot, solange die Bevölkerung so stark auf das Privatfahrzeug setze wie im Kanton Zug. Der FDP-Regierungsrat: «Wir sind der Kanton mit dem höchsten Motorisierungsgrad, und wir sind schweizweit der Kanton mit dem höchsten Anteil an Fahrzeugen der Marke Porsche.» Das könne die Zuger einerseits freuen, weil es ein Wohlstandsindikator sei. «Die andere Seite ist: Wer ein Auto hat, der braucht es. Und ein teures Auto will ausgefahren und gezeigt werden – selbst wenn es die Distanz zum Arbeitsplatz oder die Verfügbarkeit von öV nicht rechtfertigt.»

Bund zahlt weniger an Regionalverkehr

Ein weiteres Argument, das er vorbringt: Der Regionalverkehr sei nicht nur im Kanton Zug, sondern schweizweit unter Druck, so der Regierungsrat. «Der Bund hat mitgeteilt, dass fürs Jahr 2016 eine wesentliche Finanzierungslücke bestehen wird: Der Bund kann mangels genügender Bundesmittel seinen Aufgaben, den Regionalverkehr zu 50 Prozent mitzufinanzieren, im Jahr 2016 nicht nachkommen und hat einen fehlenden Betrag in zweistelliger Millionenhöhe bekannt gegeben.» Das bedeute nichts anders, als dass entweder das Angebot nicht wie geplant bestellt werden könne und ein Abbau erfolge. Oder dass die Kantone mit eigenen Mitteln einspringen würden. «Der Spar- und Abbaudruck wird somit massgeblich auch durch den Bund erzeugt», sagt Michel.

 

Zugerland Verkehrsbetriebe 2014 sehr erfolgreich

An der Generalversammlung der Zugerland Verkehrsbetriebe (ZVB) am 11. Juni wurde derweil auf den Erfolg der ZVB hingewiesen. 2014 transportierten die ZVB 24,5 Millionen Fahrgäste. «Das sind 159’212 Personen mehr als im Vorjahr, was einer Zunahme von 0,65 Prozent entspricht», teilen die ZVB in einer Pressemitteilung mit. Die Verkehrsbetriebe hätten ihr Angebot auf den bestehenden Linien vor allem in den Randstunden (Abend- und Wochenendbetrieb) erfolgreich ausgebaut. «Gemeint ist unter anderem die Einführung des Nachtexpress auf verschiedenen Buslinien. Wir verzeichneten 2014 28 Prozent mehr Passagiere», sagt ZVB-Unternehmensleiter Cyrill Weber. Das Angebot an den Wochenenden von Freitag auf Samstag und von Samstag auf Sonntag werde sehr gut genutzt.

Angesprochen auf den Fahrplan 2016/17, verweist Weber an den «Besteller» Kanton Zug. Dieser sei der Adressat für Stellungnahmen. Auf unser Nachhaken sagt Cyrill Weber doch noch etwas dazu: «Wir bedauern den Angebotsabbau natürlich im Sinne unserer Kunden sehr.» Die ZVB hätten ebenfalls vereinzelte Reaktionen erhalten. Weber erklärt ausserdem, dass die geplante Reduktion vom Viertelstunden- auf den Halbstundentakt ab 20 Uhr den Zustand vor dem Fahrplan 2012 wieder herstelle. «Damals haben wir den Viertelstundentakt bis 22 Uhr eingeführt.»

Werden die Preise für den öV 2016 steigen? Zu den Tariferhöhungen, die ebenfalls im Entlastungspaket des Regierungsrats vorgesehen sind, kann Weber sich nicht äussern. «Diese befinden sich noch im Prozess und werden vom Tarifverbund Zug entschieden», sagt der Unternehmensleiter.

Was meinen Sie dazu? Sind die Sparmassnahmen im öffentlichen Verkehr verkraftbar oder soll der Zuger Regierungsrat die ganze Übung abblasen? Nutzen Sie die Kommentarfunktion.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von E. Seger
    E. Seger, 13.06.2015, 08:44 Uhr

    … der Viertelstundentakt an Wochenenden und am Abend z.B. bei der Linie 6 wurde aufgrund des Bedarfs und der Nachfrage eingeführt. Auf einmal soll nun die Nutzung unterdurchschnittlich sein? Dies trotz erneuter Zunahme der Fahrgastzahlen. Man kann natürlich eine Linie auch so unattraktiv machen, dass sie viel weniger genutzt wird. So geschehen mit der Linie 16, die die unbeliebte und von Cham gut bekämpfte Linienführung des 7ner Busses übernehmen musste. Lesenswert zum Thema der heutige Kommentar in der Zuger Zeitung von M. Morosoli.

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