Zuger Wahlbeschwerden

«Rechtlich wird da kaum etwas zu machen sein»

Regierungsgebäude: Wenn die ungültigen Stimmen Einfluss auf das Wahlergebnis gehabt haben, erst dann käme eine Wiederholung in Frage. (Bild: Carlo Schuler)

Einiges spricht dafür, dass es im Kanton Zug nicht zu einer Wiederholung der Regierungsratswahlen kommen wird. Das Bundesgericht stellt an die Aufhebung einer Abstimmung oder einer Wahl hohe Anforderungen.

Gespannt wartet man im Kanton Zug auf den Entscheid des Verwaltungsgerichtes: Dort sind zwei Wahlbeschwerden hängig, welche sich gegen das Ergebnis der Regierungsratswahlen vom 5. Oktober richten. Die entsprechenden  Entscheide sind im Laufe der nächsten Woche zu erwarten. Die allfällige Gutheissung der Beschwerden schliesst die Möglichkeit einer Wahlwiederholung ein. Werden die Zugerinnen und Zuger demnächst tatsächlich ein zweites Mal an die Urne gerufen werden, um ihre Regierung zu bestimmen? Nein, glaubt Andreas Glaser, Professor für Öffentliches Recht an der Universität Zürich und Mitglied der Direktion des Zentrums für Demokratie Aarau: «Rechtlich wird da kaum etwas zu machen sein.»

Strenge Praxis des Bundesgerichts

Das hat seinen Grund: Das Bundesgericht stellt an die Wiederholung einer Wahl oder einer Abstimmung sehr hohe Anforderungen. Was die Aufhebung einer Abstimmung anbelangt, so hat das Bundesgericht in Zusammenfassung seiner Praxis folgendes festgehalten: «Stellt das Bundesgericht Mängel fest, so hebt es den Urnengang oder die Abstimmung nur auf, wenn die gerügten Unregelmässigkeiten erheblich sind und das Ergebnis beeinflusst haben könnten.» (BGE 135 I 292, S. 301).

Zwar gesteht das Bundesgericht den jeweiligen Beschwerdeführern zu, dass sie die Auswirkungen der gerügten Mängel nicht selber nachweisen müssen. Vielmehr genüge es, wenn eine derartige Beeinflussung «im Bereiche des Möglichen» liegt. Bloss: Das urteilende Gericht hat einen grossen Ermessensspielraum. Und einer Wiederholung wird gemäss Praxis nur sehr zurückhaltend stattgegeben. Das Bundesgericht hält nämlich fest: «Erscheint die Möglichkeit, dass die Abstimmung ohne den Mangel anders ausgefallen wäre, nach den gesamten Umständen als derart gering, dass sie nicht mehr ernsthaft in Betracht fällt, so kann von der Aufhebung der Abstimmung abgesehen werden.»

Mängel müssten Ergebnis tatsächlich beeinflusst haben

Auf den konkreten Zuger-Fall angewandt bedeutet dies: Die gerügten Mängel in Sachen Wahlzettel wiegen wohl kaum so stark, als dass die strengen bundesgerichtlichen Voraussetzungen für eine Wahlwiederholung gegeben wären. Andreas Glaser räumt zwar ein, dass man  in der komplizierten Gestaltung der Wahlzettel eventuell eine indirekte Diskriminierung erkennen könnte. Möglicherweise wurden dadurch zum Beispiel weniger gebildete Menschen, Neuwähler, ältere Mitbürger oder Personen, welche der deutschen Sprache kaum mächtig sind, benachteiligt. Aber dies allein genüge noch nicht, um von einer «erheblichen» Unregelmässigkeit sprechen zu können.

Vor allem aber: Selbst wenn das urteilende Gericht aus irgendwelchen Gründen dennoch zum Schluss käme, dass die Undeutlichkeit der Wahlzettel tatsächlich zu einer Verletzung der Abstimmungsfreiheit geführt hatten, so würde dies alleine noch nicht reichen, um eine Wiederholung der Wahl zu rechtfertigen. Diesfalls müsste nämlich auch noch das zweite Kriterium des Bundesgerichtes erfüllt sein: Die Ergebnisrelevanz.

Mit anderen Worten: Das Gericht müsste zum Schluss kommen, dass die Mängel das Ergebnis nachweisbar entscheidend beeinflusst haben könnten.

Kaum zu erbringender Nachweis

Tatsache ist, dass Manuela Weichelt (Alternative / die Grünen) am Wahlsonntag nur gerade 205 Stimmen vor ihrem CVP-Herausforderer Martin Pfister lag. «Dass das Resultat bei der Letztplatzierten knapp war, reicht allerdings nicht aus», meint dazu Andreas Glaser. Dazu müsste nämlich nachgewiesen werden können, dass es insbesondere Wähler von Martin Pfister waren, welche durch die undeutliche Gestaltung der Wahlzettel verwirrt wurden.

Ein solcher Nachweis dürfte aber schwierig bis unmöglich zu bewerkstelligen sein. Das Bundesgericht hat in einem anderen Fall schon festgehalten, dass Personengruppen mit unterschiedlichen politischen Einstellungen von einer bestimmten Unzulänglichkeit betroffen waren, weshalb die Wahl deswegen wohl kaum entscheidend in die eine oder andere Richtung beeinflusst worden sei. Darauf dürfte es gegebenenfalls wohl auch im «Zuger Fall» hinauslaufen. Fazit: Vieles scheint darauf hinzudeuten, dass es im Kanton Zug mit grosser Wahrscheinlichkeit letztlich eben doch nicht zu einer Wiederholung der Regierungsratswahlen kommen wird.

Kritik trotz alledem

Gemäss Andreas Glaser würde das Bundesgericht, falls es in dieser Sache angerufen werden sollte, in seiner Begründung zusätzlich auf die Umstellung des Wahlmodus verweisen und die Regierung einfach anmahnen, beim nächsten Mal besser zu informieren. Nicht ausser Acht gelassen werden dürfe zudem, dass es das Bundesgericht war, welches in Zug den Pukelsheim erzwungen habe. Auch von daher sei wohl kaum davon auszugehen, dass die Lausanner Richter ausgerechnet in diesem Fall die begleitende Regierungsratswahl aufheben würden. 

Demokratieexperte Glaser spart allerdings trotz allem nicht mit Kritik an den zuständigen Zuger Behörden. Rechtspolitisch sei die Sache mit diesen Wahlzetteln sehr fragwürdig. Dies gerade auch vor dem Hintergrund, dass man junge Menschen doch eigentlich zur Wahlteilnahme motivieren sollte. Diese Wahlzettel-Geschichte bestätigte das Cliché, wonach Wählen – bereits beim eigentlich einfachen Majorzverfahren – so kompliziert sei, dass 10 Prozent der Leute es nicht schaffen, gültig zu wählen.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von franz
    franz, 22.10.2014, 14:05 Uhr

    eine sehr interessante Analyse

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