Parteien auf dem falschen Fuss erwischt

Reaktionen auf Roths Rücktritt: «Affront gegenüber Wählern»

Stefan Roth muss sein «Stapi»-Büro räumen (Bild: Jakob Ineichen).

Parteien wie Medien wurden heute abrupt aus dem politischen Sommerloch gerissen: Stefan Roth tritt in wenigen Wochen als Luzerner Stadtrat und Finanzdirektor zurück. Erste Reaktionen fallen ernüchtert bis konsterniert aus: Kein Verständnis gibt’s für den Zeitpunkt von Roths Rücktritt.

Noch ist Stefan Roth Stadtpräsident – ab 1. September löst ihn der neugewählte Beat Züsli aber als Stapi an. Stefan Roth wäre dann noch Stadtrat und Finanzdirektor gewesen. Doch das will er nicht mehr sein, wie man seit Mittwoch weiss: Auf Mitte September, kurz nach der neuen Legislatur, tritt Roth überraschend zurück (zentralplus berichtete). Am Mittwochmorgen informierte er seine Stadtratskollegen über den Entscheid, am Nachmittag informiert seine Partei die Öffentlichkeit.

Auch die anderen Parteien wurden vom Entscheid überrascht – teils heftiger, teils weniger. Was die Parteipräsidenten sagen, hier im Überblick:

SVP: «Der Wahlkampf war vergebens»

«Wir sind sehr überrascht, wir hätten nicht damit gerechnet», sagt Peter With, Präsident der Stadtluzerner SVP. With macht aus seiner Enttäuschung keinen Hehl: «Das ist ein Affront gegenüber allen, die ihn gewählt hatten.» Wenn schon, hätte die SVP damit gerechnet, dass Roth «unter Zeit» zurücktritt, also beispielsweise nach der Hälfte der neuen Legislatur.

Zur Erinnerung: Bei den Wahlen gab es einen bürgerlichen Schulterschluss, SVP und CVP unterstützten sich gegenseitig. «Es ist schade für den engagierten Wahlkampf, das war jetzt vergebens», sagt With.

Wittert die SVP schon Morgenluft und greift den frei werdenden Sitz selber an? With verneint, dafür sei es zu früh. «Im Vordergrund steht, den bürgerlichen Sitz zu retten, wir werden jetzt Gespräche führen müssen», so With. Er geht davon aus, dass der bürgerliche Schulterschluss erneut greift. «Sonst werden die Linken den Sitz holen, denn ich gehe davon aus, dass sie antreten werden», so With.

SP: «Wollen fortschrittlichen Kandidaten»

Weniger überrascht ist man bei der SP. Claudio Soldati, Präsident der Stadtluzerner SP, sagt: «Es gab über den Sommer schon Gerüchte in diese Richtung.» Und weiter: «Ich kann mir den Rücktritt auf Mitte September nicht erklären und nicht nachvollziehen. Ich will den Entscheid aber auch nicht weiter kommentieren.»

Viel interessanter sei für die SP, wie es nun weitergehe. «Wir wollen einen fortschrittlichen Stadtrat, das war auch das Votum der Wähler – es liegt nun an der CVP, einen Kandidaten in diesem Geist zu nominieren», so Soldati. Davon hängt ab, ob die SP allenfalls mit einer eigenen Kandidatur antreten wird. «Wir schliessen eine Kandidatur nicht aus», so Soldati.

FDP: «Enttäuschend für alle, die gekämpft haben»

Fabian Reinhard, Präsident der städtischen FDP, hatte sich gewünscht und damit gerechnet, dass Roth weitermacht als Stadtrat. «Das ist enttäuschend für alle, die für Stefan Roth gekämpft haben», so Reinhard. Und eine Wahl sei auch ein Volksauftrag.

Aber bei aller Überraschung hat Reinhard Verständnis: «Es war keine einfache Situation für Stefan Roth, wir respektieren seine Entscheidung.» Er sei ein sehr guter Finanzdirektor gewesen, Reinhard hätte ihn gerne behalten. «Wir danken Stefan Roth für die Arbeit, die er gemacht hat.»

Die FDP rechnet damit, dass die bürgerlichen Parteien gemeinsam in die Ersatzwahl gehen. «Wir müssen nun zusammenarbeiten, um den zweiten bürgerlichen Sitz zu retten», so Reinhard.

Grüne: «Sehr stossend und unwürdig»

Marco Müller, Präsident der Grünen Partei Stadt Luzern, wäre nicht überrascht gewesen, wenn Stefan Roth gleich nach der Wahlschlappe zurückgetreten wäre. Oder aber in zwei, drei Jahren. Aber einen Rücktritt zum jetzigen Zeitpunkt findet er «sehr stossend und unwürdig». Unwürdig gegenüber Wählern, Parteien, Unterstützern und nicht zuletzt gegenüber seinen Stadtratskollegen. Doch Müller will zuerst noch die Gründe für den schnellen Abgang Roths abwarten, ob etwa persönliche, familiäre oder gesundheitliche Gründe mitgespielt hätten.

Zum weiteren Vorgehen will er noch nicht spekulieren. «Wir sind in erster Linie überrumpelt, wir werden das Vorgehen der CVP nun beobachten und mit allen Parteien Gespräche führen», sagt Müller.

GLP: «Hätten Kontinuität gewünscht»

Bei der GLP hat man den ganzen Wahlkampf bereits etwas zurückgesteckt und sich voll auf die neue Legislatur eingestellt. Umso überraschter ist jetzt Fraktionschef András Özvegyi von Roths Rücktritt. Er findet es bedauerlich und schade, dass jetzt bereits wieder eine Wahl anstehe. «Ich hätte mir gut vorstellen können, dass Stefan Roth noch Finanzdirektor und Stadtrat bleibt, ich hätte mir Kontinuität und seine Erfahrung gewünscht», sagt er.

Er ist auch vor allem vom Zeitpunkt überrascht, denn Özvegyi hat grundsätzlich Verständnis für Roths Entscheidung – und auch dafür, dass er eine gewisse Bedenkzeit brauchte. «Wenn dieser Entscheid für ihn das Beste ist, verstehe ich das, es war eine schwierige Situation», sagt er. «Mich nimmt jetzt am meisten wunder, wen die CVP nominiert», sagt Özvegyi. Die kommende Ersatzwahl sei eine Personenwahl, darum will Özvegyi noch nicht spekulieren, wie sich die GLP verhalten werde.

CVP: «Verlieren engagiertes, kompetentes und erfahrenes Mitglied»

Stefan Roths eigene Partei, die CVP Stadt Luzern, lobt ihren abtretenden Finanzdirektor: «Er hatte in überaus schwierigen Zeiten Ein- und Ausgaben immer im Griff. Notwendige Sparprojekte wurden unter seiner Amtsführung beherzt angegangen und erfolgreich umgesetzt.» Roth werde eine Stadt hinterlassen, die finanziell gut aufgestellt ist.

Die Partei bedauert den Rücktritt ihres Stadtrates – und hält am frei werdenden Sitz fest (siehe Box unten).

So geht’s weiter: Am 27. November könnte gewählt werden

Stefan Roths Rücktritt Mitte September bedeutet auch, dass in der Stadt Luzern erneut Wahlen nötig werden. Wann diese stattfinden, ist noch offen – es liegt am Stadtrat, ein Datum festzulegen. Die CVP Stadt Luzern hält wenig überraschend an ihrem Sitz fest, «die Partei verfüge über diverse ausgewiesene Persönlichkeiten, welche die Voraussetzungen für die Nachfolge des Finanzdirektors erfüllen», teilt die CVP am Mittwoch mit.

In den nächsten Tagen führt die Partei Gespräche mit potenziellen Nachfolgern, an einer ausserordentlichen Parteiversammlung spätestens Mitte September wird schliesslich ein Kandidat oder eine Kandidatin nominiert. Den genauen Fahrplan legt die CVP nach ihrer Parteileitungssitzung am 23. August vor.

Auch wenn die Ersatzwahl sofort in die Wege geleitet wird, braucht es sicher rund zwei Monate Vorlaufzeit: Bis sieben Wochen vor dem Wahldatum können die Parteien Wahlvorschläge einreichen, diese müssen geprüft werden, danach müssen die Unterlagen gedruckt und verschickt werden. Spätestens drei Wochen vor dem Wahltermin müssen die Unterlagen beim Stimmbürger sein.

Sollte die Ersatzwahl auf einen Wahlsonntag gelegt werden, wäre der 27. November ein logischer und möglicher Termin für die Wahl von Roths Nachfolger. Sie könnte aber auch an einem anderen Sonntag stattfinden. Für die Ersatzwahl ist wie bei Exekutivwahlen üblich das absolute Mehr nötig. Das heisst, es könnte wiederum einen zweiten Wahlgang geben, dieser würde wohl erst 2017 stattfinden.

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