Messerattacke beim Kasernenplatz

Randständiger schwebte nach Angriff von Tourist in Lebensgefahr

Auf dem Markt zum Kasernenplatz kam es zu dem Messerangriff. (Bild: ber)

Aus dem Nichts heraus hat ein Tourist eine Gruppe von Menschen angegriffen, die sich oft am Luzerner Kasernenplatz aufhält. Erst beschimpfte er sie, dann rammte er einem von ihnen ein Brotmesser in den Hals. Jetzt wurde der Fall vor dem Kriminalgericht verhandelt.

Menschen am Rande der Gesellschaft werden statistisch gesehen häufiger Opfer von Anfeindungen und Gewalt. Allein durch ihre Anwesenheit in der Öffentlichkeit fühlen sich manche Menschen provoziert. Nun kommt ein solcher Fall ans Licht, der besonders tragisch ist. In mehrerlei Hinsicht.

Wer regelmässig im Coop am Kasernenplatz einkaufen geht, dem dürfte die Gruppe von Menschen aufgefallen sein, die dort ihre Tage verbringt. Es wird geredet und Bier getrunken, manchmal werden die Diskussionen laut, meist bleibt die Stimmung aber friedlich und die Gruppe unter sich.

Was machen diese Menschen dort? Haben sie keine Arbeit? Leben sie auf der Strasse? Wird dort mit Drogen gedealt? Wer nie selber mit ihnen spricht, muss sich auf seine Vorurteile verlassen. Und wenn dann noch sprachliche Schwierigkeiten dazukommen, kann die Stimmung kippen.

Auf ein «Hallo» folgte ein «Fuck you»

So war es jedenfalls an einem späten Nachmittag im April 2018. Kurz vor Ladenschluss kam es zu einer Tat, die das Leben zweier Männer für immer veränderte.

Ein Tourist, ein Holländer mit afghanischen Wurzeln, hatte den Tag Bier trinkend im Inseli verbracht. Auf dem Rückweg in die Wohnung seines Bruders wollte er rasch im Coop Süssgetränke kaufen. Vor dem Eingang zum Laden traf er auf einen Mann, der am Boden sass.

Aus unbekannten Gründen starrte der Holländer den Mann längere Zeit an, worauf dieser aufsah und «Hallo» sagte. Ab diesem Moment hagelte es Beschimpfungen. Aus dem Nichts heraus beschimpfte der Tourist den Mann mit Ausdrücken wie «Fuck you» oder «Fuck your mother».

Der Täter kam mit einem Brotmesser zurück

Schliesslich griff einer der Gruppe ein. Der Unbeteiligte eilte seinem Bekannten zu Hilfe und sagte dem Touristen, er solle «abfahren». Das tat dieser auch. Allerdings nur, um kurze Zeit später wiederzukommen. Bewaffnet mit einem Brotmesser.

«Es ist nur dem Zufall zu verdanken, dass er heute noch lebt.»

Staatsanwältin

Der Beschuldigte selber sagt, er habe die Gruppe bloss einschüchtern wollen. Die Staatsanwaltschaft glaubt ihm das nicht. Sie sagt, der Mann habe das Brotmesser hinter seinem Bein versteckt und sei mit schnellen Schritten auf die Gruppe zugegangen. Derjenige, der ihn vertrieben hatte, wandte ihm den Rücken zu, als sich der Tourist auf ihn stürzte. Er habe sich umgedreht, da habe ihm der Holländer das Messer in den Hals gestossen.

Millimeter entschieden über Leben und Tod

Eine sechs Zentimeter lange und 1,5 Zentimeter tiefe Schnittwunde hat das Opfer erlitten. Die Halsschlagader wurde um Millimeter verfehlt. «Es ist nur dem Zufall zu verdanken, dass er heute noch lebt», sagte die Staatsanwältin diesen Freitag in der Verhandlung vor dem Kriminalgericht.

Der Beschuldigte selber kann sich nicht daran erinnern, das Messer eingesetzt zu haben. Er behauptet, die Gruppe habe ihn als Ausländer beschimpft, und ist davon überzeugt, unschuldig zu sein. Bloss, wie sich der Mann die Verletzung sonst zugezogen haben könnte, darauf hatte auch er keine Antwort.

Wirre Antworten auf die Fragen des Gerichts

Der Mann machte vor Gericht einen seltsamen Eindruck. Mehrfach beantwortete er Fragen nicht, sondern sagte unablässig und monoton die gleichen Sätze: Dass er den Mann nicht geschlagen habe. Dass er bisher keine Straftaten begangen habe. Dass er nach Holland ins Gefängnis wolle. Dass man ihm das Ganze nur vorwerfe, weil er Muslim sei.

«Die Tat wiederholt sich immer und immer wieder in seinem Kopf.»

Opferanwalt

Die Staatsanwaltschaft tat sich offenbar schwer, den Fall rechtlich einzuordnen. Sie beantragt für den Mann eine Freiheitsstrafe zwischen 2,5 und 4 Jahren. Je nachdem, ob das Gericht die Tat nun als versuchte Tötung, versuchte schwere Körperverletzung oder einfache Körperverletzung mit einem gefährlichen Gegenstand wertet. Für jede dieser Varianten fand die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer Argumente.

Das Opfer traut sich kaum noch auf die Strasse

Die Verteidigung dagegen setzte klar auf Letzteres. Der Beschuldigte habe nie die Absicht gehabt, jemanden zu töten oder zu verletzen. Er habe mit dem Messer herumgefuchtelt und damit das Opfer verletzt. Es sei eine einfache Körperverletzung und eine Freiheitsstrafe von einem Jahr reiche dafür aus. Die Wunde habe ambulant behandelt werden können und die Tat habe keine weitergehenden Folgen gehabt.

Dass Letzteres stimmt, ist zu bezweifeln. Dies schilderte der Anwalt des Opfers in seinem kurzen Plädoyer eindrücklich: «Der Angriff war für das Opfer ein grosser Schock. Beinahe hätte er sein Leben verloren. Die Tat wiederholt sich immer und immer wieder in seinem Kopf.» Drei Mal sei der suchtkranke Mann in der Zwischenzeit in die Psychiatrie eingeliefert worden. Er verkrafte die Tat nicht. Er traue sich kaum mehr auf die Strasse.

Was ging in dem Täter vor?

Die Tat hat seelische Narben hinterlassen. Wie es überhaupt so weit kommen konnte, klärt sich auch während der Verhandlung nicht. Möglich, dass sich der Tourist von den Leuten verbal angegriffen fühlte. Er verstand die Sprache nicht. Er verliess sich ganz auf Körpersprache und Gesten.

Ein psychiatrischer Gutachter hat allerdings eine andere Erklärung für den Ausraster. Er glaubt, dass sich der Beschuldigte nur eingebildet haben könnte, von der Gruppe verbal attackiert worden zu sein. Es könnte sich um eine akustische Halluzination gehandelt haben, verursacht durch paranoide Schizophrenie.

Stimmen, die sonst keiner hört

Tatsächlich hat der Mann eine entsprechende Vorgeschichte. Aus seinen medizinischen Unterlagen geht hervor, dass er eine Zeit lang glaubte, von Lasern bestrahlt worden zu sein. In dieser Zeit soll er auch Stimmen gehört haben, die gar nicht da waren.

Die Staatsanwaltschaft beantragt deshalb, dass das Gericht eine stationäre Massnahme anordnet. Im Volksmund wird diese, teils zu Unrecht, als «kleine Verwahrung» bezeichnet, weil sie bis zu fünf Jahre dauern kann – also länger als die beantragte Strafe.

Das Gutachten ist widersprüchlich

Die Verteidigung wehrt sich denn auch dezidiert dagegen. In der Verhandlung hat sie das Gutachten regelrecht zerpflückt, indem sie zahlreiche Widersprüche aufzeigte.

Das Gutachten kommt etwa zum Schluss, der Beschuldigte sei schizophren. Gleichzeitig heisst es darin, er sei in der Lage gewesen, das Unrecht seiner Tat zu erkennen. Zudem wies der Verteidiger darauf hin, dass der Mann im vorzeitigen Strafvollzug – der schon mehr als ein Jahr dauert – keinerlei Symptome gezeigt habe. Und das, obwohl er keine Medikamente einnimmt. «Würde die Diagnose zutreffen, wäre das unmöglich.»

Auch stehe die allfällige Krankheit in keinem Zusammenhang mit der Tat. Sein Klient habe schlicht die Gruppe einschüchtern wollen und dann sei alles anders gekommen als geplant.

Wer psychische Probleme hat, kann keine Fremdsprachen?

Der Beschuldigte selber betonte in der Verhandlung gebetsmühlenartig, dass er geistig gesund sei. «Ein Mensch, der psychisch krank ist, kann nicht sechs Sprachen sprechen. Ich beherrsche Russisch, Holländisch, Deutsch, Englisch, Dari und Farsi perfekt.»

Ob das Gericht diese Einschätzung teilt, ist noch offen. Die komplette Verhandlung musste jedenfalls auf persisch übersetzt werden. Der Verteidiger verständigte sich mit ihm nur auf Englisch. Zumindest in diesem Punkt scheint die Selbsteinschätzung nicht ganz der Realität zu entsprechen.

Das Urteil wird den Parteien schriftlich zugestellt. zentralplus wird darüber berichten, sobald es vorliegt.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Edi,
    Edi,, 26.08.2019, 17:16 Uhr

    jahrelang Arbeitete ich als Kellner in einer Bar, nun an dem Morgen es war 2 Uhr Früh war ich mit Aufräumen fertig und verliess die Bar ein paar Häuserecken weiter Tauchte einer auf, Schrie mich an, Stutz äne oder i stich die ab, ich sagte das Service Brieftasche sei im Büro, da er nur ein paar Franken fand ,es war vor 40 Jahren sonst nichts , und ich ja kein Schlüssel für den Betrieb hatte, ,Schrie ich vor Panik, ich wollte ja noch Leben, wollte davon Rennen als er mir sein Messer 7x in den Rücken stach, eine Ältere Dame öffnete das Fenster Schrie ebenfalls, und warf was Schweres auf ihn Runter, schon Bald kam die Ambulanz ich wurde vernäht 2 Tage Später stand ich mit einem Riesen Pflaster das den Rücken verdeckte an der Bar und Arbeitete weiter der Täter wurde Gefasst kam nach 3 Jahren Frei ,Geld bekam ich nie. also Lies das habe Mut und extra auf die Strasse.

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