Was macht gute Gurken aus? Edgar Boog weiss es

Ran ans Gemüse: Hünenberger Bauer produziert für Sterneköche

Edgar Boog bei seinen Beeren. Hier: Himbeeren.

(Bild: fam)

Der «Buuregarte» hat sich einen Namen gemacht. So viel ist spätestens klar, seit Sterneköche mit seinen Artischocken kochen. Aber was unterscheidet eigentlich richtig gutes Gemüse von normalem? Und was haben Flüchtlinge damit zu tun?

Edgar Boog zupft eine Gurke von der Pflanze und steckt sie mitsamt Blüte in den Mund. «Die kann man einfach so essen», sagt er und freut sich darüber. Es ist ein spezieller Ort, ein spezieller Betrieb, und eine Familie, die sich ein spezielles Ziel gesetzt hat. «Wir wollen beste Produkte anbauen», sagt Boog, «wenn es nur irgend möglich ist. Wir arbeiten mit der Natur und die Natur arbeitet nach ihren eigenen Gesetzen.»

Das gelingt dem Hünenberger «Buuregarte» schon ganz gut: Der Koch des Jahres 2016, Nenad Mlinarevic vom Parkhotel Vitznau etwa, zwei Michelin-Sterne schwer und 18 Gault-Millau-Punkte gut, kocht Artischocken von Boogs Hof, und mit Stefan Meier vom Zuger Rathauskeller arbeitet die Familie schon seit 30 Jahren zusammen. «Da lernt man einiges», sagt Boog und grinst. Neue Sorten, neue Ideen, neue Produkte. Auch was schlecht ist. «Klar, die sagen direkt, wenn mal was nicht stimmt: Damit musst du nicht mehr kommen.»

Geübte Hände aus Syrien und Afghanistan

Wirklich bewähren muss sich die Familie allerdings woanders: Am Marktstand hinter dem Metalli in Zug und vor der Kapellbrücke in Luzern. Jeden Samstag und jeden Dienstag in der Saison  stehen Boogs am Stand. «Man muss sich bei den Kunden einen Namen machen, wenn man als Spezialitäten-Bauer bestehen will. Da sind wir immer noch dran. Und es macht mir einfach grosse Freude: Wenn die Kunden unsere Produkte in der Hand halten, die wir hier grossgezogen haben. Und dann der eine oder andere auch den Unterschied merkt.»

«Welche Erfahrungen wir mit Asylbewerbern gemacht haben? Gemischte, wie bei den Schweizern auch.»

Edgar Boog, Beerenbauer

Den Unterschied zum Standardgemüse. Der Hof in der Hünenberger Reussebene ist ein Mix aus Spezialitäten, wilden Ideen, und einem Starprodukt: Erdbeeren. Schwarze Foliendämme auf den Freiland-Feldern. Geübte Hände aus Portugal pflegen sie, Hände aus Polen, Bulgarien, aber auch Eritrea, Syrien, Afghanistan.

Auf Boogs Hof arbeiten neben den Gastarbeitern auch anerkannte Flüchtlinge und Asylbewerber, die eine Arbeitserlaubnis haben. Zu regulären Schweizer Arbeitsbedingungen. «Welche Erfahrungen wir damit gemacht haben?», sagt Boog und lacht, «gemischte, wie bei den Schweizern auch.»

«Man kann das nicht über Nacht lernen»

Im Gurken-Gewächshaus ist es wärmer als draussen, wo der Nieselregen langsam aber sicher den Boden aufweicht, und die Jacken und Schuhe der Gastarbeiter. Gerade ist eine neue Lieferung Erdbeerpflanzen gekommen, für die Ernte im nächsten Jahr. Die Pflanzen müssen sofort  in den Boden. Das Stroh für das Unterlegen der Beeren ist in Grossballen gepresst und für die nächste Saison im Winterlager aufgetürmt. Die normale Erdbeersaison ist schon vorbei, aber Boogs haben mehrere Reihen remontierender Erdbeeren, die immer wieder Früchte tragen, um die Saison zu verlängern.

Die besten Beeren überhaupt. Wie macht man ein Naturprodukt besser? Weshalb landen Boogs Erzeugnisse nicht nur in der Migros, sondern auch beim Sternekoch? «Man kann das nicht über Nacht lernen», sagt Boog. «Das braucht viel Erfahrung und wir lernen jedes Jahr dazu. Nicht nur bei der Auswahl der Sorten, sondern auch bei der Pflege der Böden und der Pflanzen, und beim Ernten.»

Die vermaledeite Essigfliege

Im Hofladen liegen kleine Schachteln voller Brombeeren und Erdbeeren, frisch gepflückt. Auf deren Geschmack, sagt Boog, haben ganz verschiedene Dinge einen Einfluss. Der Boden etwa, die Vitalität der Pflanze, das Blatt zu Beeren-Verhältnis. Essigfliegen machen nicht nur den Obstbauern zu schaffen, auch den Beerenzüchtern. Boog zwängt sich am Rand der Plantage unter einem Insektenschutznetz durch. Mit diesem Netz wird versucht, der Essigfliege den Weg zur Frucht abzuschneiden. «Hunderprozentige Sicherheit gibt’s aber keine», sagt Boog.

Und die Fliege ist nicht die einzige Gefahr. Die letztjährige Freiland-Erdbeer-Ernte wurde vom Hagel zertrümmert. Diesen Frühling brachte der Frost viel Unheil (zentralplus berichtete). Dann die Sonne, wenn die zu wenig scheint, dauert alles länger. Das Sonnenkraftwerk nebenan ist gleichzeitig auch eine Anzeige für Boogs Beeren. «Wenn da die Kilowattstunden runtergehen, dann sind auch bei uns die Beeren nicht bereit, das kann man oft eins zu eins ablesen.» Und reif bedeutet: Alle zwei drei Tage durch die Reihen gehen, die reifsten Beeren ernten, grad kurz bevor sie schon hinüber sind.

Kein Matsch, sondern reife Beeren

«Wir haben den Vorteil, dass wir unsere Beeren bis abends spät an Migros liefern können, die sind am nächsten Morgen topfrisch und genau richtig reif.» Das macht den Unterschied aus. Grosse Beeerenanbauer müssen früher ernten, unreifer, damit die Beeren nicht schon Matsch sind, wenn sie endlich beim Kunden landen.

Das Bauern hat die Familie offenbar im Blut. Es ist schon die vierte Generation von Boogs auf dem Hof. Boogs Vater Wendelin ist zwar 83, liefert aber immer noch die Produkte aus. Boogs Frau Bernadette ist ebenfalls Vollzeit dabei – und Jonas und Kilian zwei der vier Kinder ebenfalls.

Die Beeren sind der Motor der ganzen Sache. Bis zu 50 Menschen im Sommer, viele Hände, viel Sonne. Die Spezialitäten sind das Herzblut. Das kleine Feld hinter dem Haus beheimatet Artischocken, Mangold, Blumen. Ohne die Beeren würde das nicht gehen. «Man braucht eine gewisse Professionalität, um Spezialitäten anbauen zu können», sagt Boog. Denn die Mengen sind zwar klein, die Qualität muss trotzdem stimmen. Ohne Spezialitäten würde es aber auch nicht gehen. «Das macht mir einfach grosse Freude. Auch wenn ein Sternekoch unsere Produkte benutzt – aber noch mehr, wenn die Leute auf dem Markt unsere Produkte schätzen.»

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Anna-marie Britschgi
    Anna-marie Britschgi, 06.03.2024, 18:18 Uhr

    Das macht wirklich gluschtig. Gibt es auch Erdbeer Dessert?
    Wir werden bestimmt an meinem Geburtstag zum Essen kommen. Das ist mit meinen 88 Jahren ein Grund zum Feiern, solange ich noch gesund bin.

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