Kritik an Vorhaben der Zuger Regierung

Radikaler Umbau der Denkmalpflege

Altstadt bei Bedarf einfach abreissen? (Bild: zentral+)

Seit Jahren steht die Zuger Denkmalpflege unter Druck. Nun soll sie radikal umgekrempelt werden. Betroffene fürchten, dass so Beschwerderechte ausgehebelt werden. Dies geschieht unter anderem durch die Abschaffung einer Kommission – wofür man eine neue Kommission ins Leben rufen will.

Drohen bald noch mehr historische Gebäude im Kanton zu verschwinden, weil sie nicht mehr geschützt werden? Der Heimatschutz befürchtet das und kritisiert die Ideen der Zuger Regierung. Diese hatte ihre Absichten am Montag in einer Pressemitteilung publik gemacht. «Wir wehren uns dagegen, dass der Denkmalschutz immer mehr ausgehöhlt wird», sagt Meinrad Huser, Präsident des Zuger Heimatschutzes.

Das Parlament habe diese Richtung bereits eingeschlagen, Huser erwähnt die Budgetkürzungen beim Amt für Denkmalpflege und Archäologie (siehe Box). Zudem sei der Kantonsrat den Motionen gefolgt, welche der Denkmalpflege sachgerechte Abklärungen der Schutzwürdigkeit erschwere. «Nun zieht der Regierungsrat nach und lässt sich vom Zeitgeist leiten», sagt Huser.

«Die Abschaffung der Denkmalkommission ist ein unsinniges Vorhaben.»
Meinrad Huser, Präsident Zuger Heimatschutz

Huser kritisiert, dass die Denkmalkommission im Kanton Zug abgeschafft werden soll. «Das ist ein unsinniges Vorhaben mit fragwürdiger Begründung. Warum die Abschaffung erfolgen soll, ist schlicht nicht erkennbar.»

Diese Kommission hat beratende Funktion. Sie berät den Regierungsrat, der letztlich entscheidet, ob ein Haus oder Objekt unter Schutz gestellt wird. In der Kommission sitzen Mitglieder aus Politik und Interessengruppen. Vertreten sind die Zuger Gemeinden, der Heimatschutz, der Hauseigentümerverband, der Zuger Bauern-Verband und der Historische Verein des Kantons Zug.

Protest aus Eigeninteresse?

Diese Kommission sei breit abgestützt und ermögliche den Behörden eine umfassende Sicht bei der Beurteilung der Schutzwürdigkeit, sagt Huser. Geht dem Heimatschutz ein «Ämtli» verloren, protestiert er deswegen? Meinrad Huser verneint dieses Motiv. Er befürchtet vielmehr, die Abschaffung würde dazu führen, dass nur noch kantonale Verwaltungsangestellte zur Beratung beigezogen würden. «Wenn man die unabhängige Kommission abschafft, muss die Verwaltung diese Arbeit machen. Diese steht im Sold des Kantons und ist nicht unabhängig», sagt Huser.

Der Baarer Architekt Felix Koch vertritt den Heimatschutz in der Denkmalkommission. «Bei unserem Vorbehalt geht es uns nicht um mein Amt, noch um mein Einkommen», sagt Koch auf Anfrage. Die Kommission arbeite sehr günstig. «Da gibt es kein Sparpotenzial.» Aus Sicht der «Demokratiepflege» findet er die Abschaffung sehr fragwürdig. In der Kommission sässen verschiedene Berufsgruppen, vom Architekten bis zum Bauernvertreter oder Vertreter des Hauseigentümerverbands. Sie brächten ihre Fachmeinungen wie auch den «Volkswillen» ein.

«Die Denkmalkommission war auch beteiligt an den konstruktiven Gesprächen mit der Denkmalpflege in den schweren Tagen der Angriffe und Anschuldigungen in den letzten Monaten», erklärt Koch.

Manuela Weichelt zum Vorwurf

Warum will die Zuger Regierung die Kommission eigentlich abschaffen? Erhofft sie sich einen Spareffekt? «Der Regierungsrat hat anlässlich seines letzten Workshops auch die Rolle der Denkmalkommission besprochen», sagt Regierungsrätin Manuela Weichelt-Picard von der Direktion des Inneren auf Anfrage. Der Gesamtregierungsrat beantrage dem Parlament jetzt die Auflösung. «Nicht aus Kostengründen, sondern weil er der Ansicht ist, dass es die Kommission nicht mehr braucht. Die Kommission wurde in einer Zeit ins Leben gerufen, als die Denkmalpflege noch über wenig eigenes Fachwissen verfügte. Heute ist die Fachstelle in der Lage, den denkmalpflegerischen Sachverhalt umfassend abzuklären.» Der Regierungsrat habe auch die Behindertenkommission und die Sozialkommission aufgelöst.

«Der Regierungsrat ist der Ansicht, dass es die Kommission nicht mehr braucht. Früher verfügte die Denkmalpflege noch über wenig eigenes Fachwissen.»
Manuela Weichelt-Picard, Zuger Regierungsrätin

Vollzugswille bei Gemeinden?

Dem Heimatschutz Kopfzerbrechen bereitet ebenfalls die Absicht, dass die Gemeinden verbindlicher beim Denkmalschutz mitwirken sollen. «Wenn der Regierungsrat auf die Ortsplanung und deren Umsetzung in den Gemeinden hofft, überlässt er seine Aufgabe den Gemeinden und nimmt sich aus der Verantwortung», sagt der Heimatschutz-Präsident Meinrad Huser. Veranstaltungen zum Inventar hätten gezeigt, dass der Vollzugswille bei den Gemeinden sehr unterschiedlich ist.»

Felix Koch findet diese Delegation ebenfalls problematisch. «Die Gemeinden haben oft nicht die nötigen Personen und das nötige Fachwissen dafür.» Auch bezweifelt Koch, dass das Verständnis für Denkmalschutz überall vorhanden sei. In einem Kanton, wo so viel gebaut werde, findet es Koch sinnvoll, dass es ein übergeordnetes Konzept gibt für die Denkmalpflege. «In so einem kleinen Kanton wie Zug sollten diese Dinge nicht auf Gemeindeebene geregelt werden.» Schon die Äusserung, man wolle nur noch die «wichtigsten Objekte» in Gemeinden unter Schutz stellen, lässt beim Architekten die Alarmglocken läuten.

«Gemeinden wollen nur noch die wichtigsten Objekte unter Schutz stellen.»
Felix Koch, Architekt FH SIA

Zuger Regierung von Gericht zurückgepfiffen

Doch auch die Absicht, dass der Gesamtregierungsrat stärker operativ tätig werden will, zieht der Heimatschutz in Zweifel. Dann würden «politische» Entscheide gefällt, befürchtet der Präsident Huser. Fachwissen will man nur noch nach Bedarf beiziehen.

Steter Tropf höhlt den Stein

Nur 1,86 Prozent der Gebäude im Kanton Zug stehen unter Denkmalschutz, ein grosser Teil davon steht in der Zuger Altstadt. Die schweizerische Norm liegt bei 5 bis 8 Prozent. Dennoch steht die Denkmalpflege unter Dauerdruck. 2013 wurde das Budget im Rahmen eines Entlastungsprogramms überproportional reduziert, ausserdem wurden die Mittel des Amtes für Denkmalpflege und Archäologie gekürzt. Verschiedene Motionen forderten eine Neuorganisation der Denkmalpflege. Ausserdem wurde verlangt, dass Objekte nur zum Denkmal erklärt werden dürfen, wenn der Eigentümer zustimmt, was selbst das Bundesamt für Kultur auf den Plan rief (zentral+ berichtete).

Mit ein Grund für die Kritik dürften die hohen Bodenpreise sein. Nicht selten ist der Boden viel mehr wert als das Gebäude selber. So verlieren viele Besitzer den Willen, Altes zu erhalten.

Was sagt die zuständige Regierungsrätin zu diesem Vorwurf? Manuela Weichelt-Picard: «Die Abklärung des denkmalpflegerischen Sachverhalts soll gemäss Regierung weiterhin durch die Fachleute im Amt für Denkmalpflege und Archäologie der Direktion des Innern erfolgen. Nur für den Fall, dass es zu keinem Einvernehmen mit der Eigentümerschaft und der Standortgemeinde kommt, entscheidet der Regierungsrat.»

«Gefährliche Entwicklung»

Meinrad Huser findet das alles jedoch eine «gefährliche Entwicklung». Er nennt ein Beispiel. Ende 2015 habe das Verwaltungsgericht entschieden, dass das Wohn- und Geschäftshaus an der Hauptstrasse 4 in Oberägeri, neben dem Gasthaus Ochsen, doch schutzwürdig ist. Der Regierungsrat habe dies verneint. Huser: «Die Abklärungen, die Interessenabwägungen und die Rechtsanwendung des Regierungsrats waren ungenügend.» Diese gerichtliche Belehrung sei nur dank der Beschwerde des Zuger Heimatschutzes und des Bauforums Zug möglich geworden.

Aushebelung der Mitspracherechte?

Der Heimatschutz schreibt auch, dass der geplante «verwaltungsrechtliche Vertrag» zwischen Grundeigentümern und Standortgemeinde eine Gefahr darstelle. «Der Zuger Heimatschutz wird dieses Instrument sehr kritisch beurteilen», sagt Huser. Das Gebäude des Salesianums in Zug steht beispielsweise unter Denkmalschutz. «Doch der Raum um das Gebäude ist ebenfalls schützenswert. Deshalb sind wir im gegnerischen Komitee, das den Bebauungsplan bekämpft.»

Beim erwähnten Haus in Oberägeri habe der Heimatschutz vor Gericht gegen den Regierungsrat Recht erhalten. In Buonas kämpfte der Heimatschutz gegen eine Baulinie, die in der Nähe der bekannten Kapelle St. German verlief. «Der Gemeinderat Risch überdenkt das Ganze momentan aufgrund unserer Intervention.»
In Baar kam der Protest gegen die Vernichtung des Robert-Fellmann-Parks zu spät. «Wir haben den Baarer Kioskverein unterstützt. Am selben Tag, als wir eine Petition mit 700 Unterschriften bei der Gemeinde einreichten, begann der Abriss des historischen Hauses und des Parks.»

Regierung will Kommission einsetzen

Beschlossen sind die angekündigten Gesetzesänderungen des Zuger Regierungsrats noch nicht. Die Regierung will als Nächstes eine Kommission ernennen, welche die Vorschläge konkretisiert. «Ich gehe davon aus, dass wir vertreten sein werden», sagt Meinrad Huser, «und sonst verlangen wir einen Sitz. Wir wollen ja nicht nur kritisieren, sondern positiv mitwirken.»

Manuela Weichelt-Picard will dieses Anliegen aufnehmen. «Der Kanton ist an der Meinung des Heimatschutzes interessiert», sagt sie, «deshalb sollen die beschwerdeberechtigten Verbände in der Begleitgruppe zum Gesetzgebungsprozess mit drei Vertretern eingebunden werden. Sie können auf diesem Weg ihre Anliegen einbringen.»

Pläne der Zuger Regierung

Das Denkmalschutzgesetz des Kantons Zug soll revidiert werden. Die wichtigsten Punkte:

  1. Der Regierungsrat will weniger schutzwürdige Objekte ins Inventar aufnehmen. Dafür sollen bei Objekten mit «grossen Chancen auf Unterschutzstellung» vertiefte Abklärungen vorgenommen werden.
  2. Die Gemeinden sollen beim Prozess verbindlicher mitwirken.
  3. Die Rechtssicherheit soll erhöht werden. Dafür soll das Instrument des «verwaltungsrechtlichen Vertrags» mit den Eigentümern im Gesetz verankert werden. So will man Eigentümern ermöglichen, ihre Bedürfnisse rascher einbringen zu können.
  4. Wenn es zu keiner Übereinkunft von Eigentümern und Standortgemeinde kommt, soll der Regierungsrat künftig über den Schutz befinden.
  5. Im Gegenzug will die Regierung die kantonale Denkmalkommission abschaffen. Fachwissen will der Kanton nur noch nach Bedarf einholen. 

Streitfälle und Beschwerden seien ganz selten, betont der Kanton; 2013 bis 2015 waren es durchschnittlich zwei pro Jahr. Die Hälfte sei nach einer gütlichen Einigung wieder zurückgezogen worden.

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