Kostet Debakel in Malters Achermann den Job?

Psychologe behauptet: Polizeichef ist Schuld an Suizid

In diesem Haus zwischen Scheune und Turm spielte sich das Drama von Malters ab.

(Bild: azi)

Der ausser Kontrolle geratene Polizeieinsatz in Malters diesen März hat für den Luzerner Polizeikommandanten Adi Achermann ein juristisches Nachspiel. Trotz Warnung des Polizeipsychologen hat Achermann den Zugriff zur Wohnung befohlen. Ausserdem soll er weitere pikante Details über den Einsatz verschwiegen haben, berichtet die «Rundschau». Trifft das alles zu, könnte es für Achermann eng werden.

Nach dem Suizid der 65-jährigen Frau reichte der Anwalt des Sohnes Strafanzeige wegen fahrlässiger Tötung gegen die Polizeiführung ein (zentralplus berichtete). Ein ausserkantonaler Staatsanwalt untersucht den Fall. Das Strafverfahren wegen fahrlässiger Tötung richtet sich gegen den Polizeikommandanten Adi Achermann und Kripochef Daniel Bussmann.

Aus diesem Verfahren liegen der «Rundschau» Aussagen des Polizeipsychologen vor, der mit der Einsatzleitung am 9. März vor Ort war.

Demnach habe der Psychologe dem Polizeikommandanten und seinem Kripochef unmissverständlich vom Zugriff abgeraten: «Aufgrund von Reizüberflutung und Intervention könnte sich die Frau das Leben nehmen.» Die Einsatzleitung solle zuwarten: «Irgendwann ist die Frau erschöpft und man hat die Möglichkeit, die Situation ohne Eskalation zu beenden.»

«Der gewaltsame Gang in die Wohnung ist mit höchster Wahrscheinlichkeit kausal mit dem Suizid der Frau verbunden.»

Markus Melzl, Basler Polizeikommssiär

An der anschliessenden Pressekonferenz verschweigt Polizeikommandant Achermann die Warnung des Psychologen. Er behauptete damals, die Einsatzleitung sei unter Einbezug aller Beteiligten zum Schluss gekommen, die Frau gefährde die Sicherheit von Polizisten und Anwohnern. Deshalb habe er den Zugriff befohlen.

Adi Achermann, Kommandant der Luzerner Polizei.

Adi Achermann, Kommandant der Luzerner Polizei.

(Bild: zvg)

Falsche Darstellung der Tatsachen

Die Interventionseinheiten hätten zwei Schüsse im Treppenhaus gehört. Erst danach hätten sie die Türe aufgebrochen und die tote Frau im Badezimmer entdeckt. Laut Akten der ausserkantonalen Untersuchung, die der «Rundschau» vorliegen, wird klar: Auch diese Darstellung entspricht nicht den Tatsachen. Zeitgleich mit einem Ablenkungsmanöver ausserhalb des Hauses öffneten die «Luchs»-Elitepolizisten die Wohnungstür gewaltsam und schickten einen Interventionshund ins Innere, um die psychisch-kranke Frau zu fixieren. Dieser kehrte aber zweimal erfolglos zurück. Erst dann habe sich die Frau erschossen.

Der ehemalige Basler Polizeikommissär Markus Melzl hat die Akten studiert: «Der gewaltsame Gang in die Wohnung ist mit höchster Wahrscheinlichkeit kausal mit dem Suizid der Frau verbunden.» Die Einsatzleitung habe offenbar den Faktor Zeit höher gewertet als die Unversehrtheit der verschanzten Frau. Die Luzerner Einheit war nach 19 Stunden an die Grenze der Durchhaltefähigkeit gestossen und hätte teilweise durch Berner Polizisten ersetzt werden müssen.

«Polizei hat Suizid bewusst in Kauf genommen»

Rechtsanwalt Oskar Gysler vertritt den Sohn der Toten. Er sagt gegenüber «Blick» zum Vorgehen der Polizei: «Wenn eine Fachperson sagt, man solle diesen Zugriff nicht machen, dann ist er nicht gerechtfertigt und bedeutet, man hat bewusst in Kauf genommen, dass es einen Suizid gibt.»

Der Luzerner Polizeikommandant und sein Kripo-Chef nehmen mit Verweis auf das laufende Verfahren keine Stellung zu den Recherchen der «Rundschau». Die Anwälte der Beschuldigten betonen jedoch mit Nachdruck, für ihre Mandanten gelte die Unschuldsvermutung.

Muss Polizeichef zurücktreten?

Treffen die Vorwürfe zu, könnte dies Achermann den Job kosten. Wenn sich herausstellt, dass er tatsächlich vor den Medien gelogen und wichtige Informationen vorenthalten hat, dürfte es schwer werden, ihn an der Spitze der Polizei zu halten. Das wäre für die Luzerner Polizei ein harter Schlag. Denn nach all den Negativschlagzeilen rund um Achermanns umstrittenen Vorgänger Beat Hensler, der zum Rücktritt gezwungen wurde, ist seit Achermanns Antritt im Mai 2014 Ruhe eingekehrt.

Achermann hat das Korps der Luzerner Polizei in der nicht einfachen Situation nach dem Ausscheiden seines Vorgängers seit dem 16. Dezember 2013 ad interim übernommen. Unter seiner Führung konnten erste wichtige Arbeiten zur Reorganisation der Führungsstrukturen und von Abläufen in der Luzerner Polizei umgesetzt werden. Achermann gilt als ruhiger, überlegter und umgänglicher Chef.

Der sechste Rücktritt in Folge?

Adi Achermann wäre der sechste Luzerner Polizeikommandant in Folge, der entlassen wird, schreibt der Luzerner Journalist Herbert Fischer auf seiner Webseite lu-wahlen.ch: «Bei der damaligen Stadtpolizei sind als Kommandanten Kurt Fehlmann und Pius Segmüller abgesetzt worden, bei der Kantonspolizei (heute: Luzerner Polizei) mussten Anton Widmer, Jürg Stocker und Beat Hensler abtreten.»

Versierter Kommandant

Adi Achermann ist verheiratet und Vater von zwei Töchtern. Er lebt in Rothenburg. Achermann studierte Rechtswissenschaften an der Universität Bern und schloss sein Studium 1990 ab. 1993 erwarb er das Luzerner Anwaltspatent. Danach arbeitete er als Gerichtsschreiber am Luzerner Obergericht und später als Amtsschreiber beim Amtsstatthalteramt Luzern.

Von 1999 bis 2006 leitete Achermann als Kantonaler Untersuchungsrichter die Abteilung Organisierte Kriminalität der Staatsanwaltschaft Luzern. In dieser Zeit arbeitete er bereits intensiv mit der Luzerner Polizei zusammen.

Ab 2007 war Achermann Stabschef der Staatsanwaltschaft Luzern und Leiter der Zentralen Dienste. In dieser Funktion hat er als Verantwortlicher das Projektmanagement diverser Grossprojekte geleitet, darunter die Reorganisation der Strafverfolgungsbehörden.

Die Razzia in Malters

Was war passiert? Im Auftrag der Zürcher Staatsanwaltschaft hatte die Luzerner Polizei am 8. März ein Haus in Malters durchsuchen wollen, in dem eine Hanf-Indoor-Anlage vermutet wurde. Ein Mann war zuvor verhaftet worden, weil er in grossem Stil mit Drogen handelte.

Doch im Haus traf die Polizei die Mutter des Hanfzüchters an. Sie war in Malters nicht bekannt. Sie weigerte sich, die Polizisten ins Haus zu lassen, drohte den Beamten, gab mit einer Pistole Schüsse ab und sagte offenbar wiederholt, sie werde sich etwas antun (zentralplus berichtete). Die Polizei hat mit ihr anschliessend stundenlang Verhandlungen geführt. Schliesslich stürmten die Einsatzkräfte das Haus am 9. März. Im Haus fand die Polizei die Frau dann tot im Badezimmer. Sie hatte sich offenbar selber erschossen. Die Polizisten hätten keine Schüsse abgegeben.

Lesen Sie hier, wie der Luzerner Regierungsrat Paul Winiker zur Sache Stellung bezieht.

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