Todesstoss für Projekt Talstrasse?

Protest im Seetal hat gefruchtet

Mit verschiedenen Aktionen wie dieser Markierung des Strassenverlaufs bei Ballwil leisteten Seetaler dieses Jahr Widerstand. (Bild: Archivbild Robert Müller)

Die Unterstützung für die neue Umfahrungsstrasse im Seetal schwindet immer mehr. Nach Protesten in der Region beantragt jetzt die zuständige Kommission dem Luzerner Kantonsrat, das Projekt aus dem Bauprogramm zu streichen. Markus Odermatt erklärt, was seine Kommission stattdessen will.

Die Kommission Verkehr und Bau (VBK) beantragt einstimmig (!), die geplante Umfahrung Hochdorf-Ballwil-Eschenbach aus dem Bauprogramm zu streichen, «weil die aktuelle Linienführung für die Talstrasse im Seetal nicht mehrheitsfähig ist.» (zentral+ berichtete über den Widerstand in der Region)

Die Stellungnahme erstaunt in ihrer Eindeutigkeit: In der VBK sitzen immerhin elf Bürgerliche (CVP, FDP, SVP, GLP) und nur zwei Linke (Grüne, SP-JUSO). Gab es einen Linksrutsch? Kommissionspräsident Markus Odermatt (CVP) verneint. Der Protest und die Petition der Interessengruppe «querfeldnein» war gemäss Odermatt nicht der Hauptgrund für die Ablehnung. Den Ausschlag gab etwas anderes: «Die Kommissionmitglieder aus verschiedenen Ecken des Kantons Luzern haben mitbekommen, dass man sich im Seetal nicht einig ist», sagt Odermatt. Die Kosten von über 100 Millionen Franken seien der Kommission ebenfalls ein Dorn im Auge angesichts der Finanzen des Kantons. Die Kommission beantragt dem Kantonsrat deshalb die bestehende Kantonsstrasse zu optimieren. Wie genau, sei Sache der Verkehrsplaner, meint Odermatt.

«Regierung muss über die Bücher»

Odermatt findet es erstaunlich, dass der Regierungsrat weiterhin an der Strasse festhält. Odermatt: «Vielleicht müsste die Regierung jetzt mal über die Bücher.» Er spricht sich ausserdem dafür aus, dass über die Probleme offen diskutiert wird und nicht im Geheimen weiter geplant werde.

Markus Odermatt stammt selber aus Ballwil und ist Landwirt. Er selbst müsste kein Land für die neue Strasse abgeben, sagt er. «Nur ein kleines Stück Wald von mir wäre betroffen.» Die neue Strasse verlaufe 200 Meter von seinem Betrieb. «Mir wurde deshalb in der Vergangenheit vorgeworfen, ich würde die Strasse um meinen Betrieb herum planen», sagt der Landwirt. Er habe den Kritikern erklärt, dass die Kommission weder plane noch Projekte realisiere, sondern sich zu politischen Geschäften äussere.

Auch SVP gegen Talstrasse

Postulat für erheblich erklärt

Der Regierungsrat thematisiert die Talstrasse auch in seiner Stellungnahme zu einem Vorstoss von SP-Kantonsrätin Jaqueline Mennel Kaeslin aus Hochdorf. Das von 26 weiteren Kantonsräten mitunterzeichnete Postulat forderte Alternativen zum Talstrassenprojekt zu prüfen. So auch eine Variante, die weitgehend auf der bisherigen Linienführung aufbaut. Der Regierungsrat hat im September das Bau-, Umwelt- und Wirtschaftsdepartement beauftragt, für vier (von ursprünglich 12) Varianten der Talstrasse ein Vorprojekt auszuarbeiten, schreibt er.

«Die nachfolgende Nutzungsanalyse zeigt, dass diese vier Varianten besser abschneiden als die Führung des Verkehrs auf der bestehenden Kantonsstrasse.» Immerhin räumt die Regierung aber ein, die so genannte «O-Lösung» (bestehende Strasse) im Vorprojekt weiter zu entwickeln. «Für den definitiven Variantenentscheid wird die O-Lösung mit den vier Varianten verglichen respektive diesen gegenüber gestellt», heisst es. Der Regierungsrat hat das Postulat ausserdem für erheblich erklärt.

Der zweite Kantonsrat aus dem Seetal ist Marcel Omlin (SVP, Rothenburg). Auch bei der SVP geniesst die Talstrasse keine Unterstützung mehr. Dies obwohl Omlin beruflich Geschäftsführer des Automobilclubs ACS ist. «Ich bin nicht gegen die Strasse, sondern gegen dieses Projekt», sagt Omlin gegenüber zentral+. Es gehe um den Verlust von Kulturlandschaft. «Im 21. Jahrhundert kann man keine Strasse mehr durch die grüne Wiese bauen. Wenn die Bevölkerung und einzelne Gemeinden dann noch dagegen sind, ist das Projekt erst recht gestorben.» Dass aber etwas geschehen müsse angesichts der Verkehrsprobleme im Seetal, sei klar. Am besten fände Omlin einen Tunnel, der sei aber nicht finanzierbar.

Töngi: «Kantonsrat hat das verbockt»

Kommissionsmitglied Michael Töngi thematisiert die Talstrasse in seinem Blog. Der Regierungsratskandidat der Grünen schreibt vom «schicklichen und sinnvollen Ende der Talstrasse». Der Hauptverdienst liege bei den Gegnern vor Ort, die beharrlich und mit fantasievollen Aktionen gegen die Strasse gekämpft hätten. «Zu denken muss der Entscheid jener Parlamentsmehrheit geben, die vor vier Jahren in einer Hauruckübung die Planung der Talstrasse mit einem Kredit beschleunigte. Nur schon für die Planung wurde jetzt viel Geld verlocht – und es gab genug Stimmen, die davor gewarnt hatten», schreibt Töngi. Die Linken hätten das Projekt immer als überdimensioniert bezeichnet, jetzt komme der Protest aus der Region dazu.

Töngi kritisiert ausserdem den Regionalen Entwicklungsträger «Idee Seetal». «Noch zwei Tage vor der Kommissionssitzung setzte sich ‹Idee Seetal› – sympathisch mit drei Äpfeln – bei den Kommissionsmitgliedern dafür ein, dass die Talstrasse sogar nochmals vorgezogen werde. ‹Idee Seetal› ist ganz offensichtlich zu wenig nah bei der eigenen Bevölkerung und setzt sich – mit welcher Legitimation? – für ein Projekt ein, das vor Ort bekämpft wurde.»

Verwaltung wartet ab

Zuständig für die Strassenplanung ist das Bau-, Umwelt- und Wirtschaftsdepartement von Robert Küng. Dieser war für eine Stellungnahme heute nicht erreichbar. In seinem Amt will man keine politische Einschätzung abgeben. Man warte nun auf den Entscheid des Kantonsrats. Das Parlament wird an seiner November-Session über das Bauprogramm debattieren.

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