Asylunterkünfte in Zuger Gemeinden

Das «Ausländer-Dorf» streikt bei Asylsuchenden

Noch steht in Walchwil die Kirche im Dorf. Die Gemeinde am Zugersee schafft ein neues Ortszentrum, ein neues Gesicht. Für Asyl-Unterkünfte gibt es hingegen keinen Bauplan. (Bild: anm)

Die Zuger Gemeinde Walchwil hat kantonal den höchsten Ausländeranteil. Für Asylsuchende gibt es aber lediglich fünf Plätze, obwohl Walchwil eigentlich zwanzig Personen aufnehmen müsste. In Zukunft will der Kanton Zug solche Gemeinden bestrafen können. Das macht der wohlhabenden Seegemeinde bisher wenig Eindruck. Als Konter bedienen sich die Gemeinde-Politiker dem Argument, dass sie schliesslich beim Zuger Finanzausgleich Geber seien.

In Walchwil, der selbsternannten «Riviera am Zugersee», wohnen viele Ausländer. Ihr Anteil an der Wohnbevölkerung liegt bei knapp 35 Prozent bei einer Einwohnerzahl von rund 3’600. Die Fremden in der zweitkleinsten Zuger Gemeinde sind gut betuchte Leute. Sie kommen mehrheitlich aus Deutschland, England, Dänemark oder den USA.

Bis auf fünf. Sie sind Asylsuchende. Fünf seien aber zu wenig, finden Politiker aus Gemeinden, die mehr Asylsuchende aufnehmen, als sie eigentlich müssten. Walchwil sollte schon seit Jahren Unterkünfte für zwanzig asylsuchende Personen bereitstellen. Nun greift der Regierungsrat ein. Er soll eine Lösung finden, wie die sogenannten «säumigen» Gemeinden in Zukunft sanktioniert werden könnten. Das Gespräch mit Gemeindevertretern zeigt: Das Vorhaben könnte dauern.

«Es gibt keine günstigen Liegenschaften»

Auf Anfrage von zentral+, weshalb sich denn Walchwil so schwer tue mit der Unterbringung von Asylsuchenden, wird SP-Gemeinderat Guido Suter deutlich: «Wir verweigern uns nicht. Der Gemeinderat hat die Augen und Ohren für Unterkünfte immer offen.» Suter erklärt: «Wir haben hier eine spezielle Wohnsituation und Bevölkerungsstruktur. Wir ziehen eher gut Betuchte an und deshalb steht wenig günstiger Wohnraum zur Verfügung.» Die Preise für die Wohnungen seien einfach zu hoch. Das Sozialamt des Kantons könne solche Wohnungen nicht mieten, so Suter. «Die Gemeinde fragt auch aktiv Vermieter an, aber wir können niemanden dazu verpflichten, Asylsuchende in seine Wohnung aufzunehmen.» Stefan Hermann, CVP-Gemeinderat und Vorsteher des zuständigen Amts für Soziales sagt: «Fakt ist, dass Walchwil keine Altliegenschaften mehr hat. Sogar das letzte Gebäude, das Notwohnungen für Sozialhilfe-Bezüger anbot, wurde abgerissen.»

Neuheim bietet keine Plätze

Neben Walchwil stehen andere Zuger Gemeinden im Fokus des Kantons, wenn es um Asylunterkünfte geht. In Neuheim lebten per Ende Januar 2014 keine Asylsuchende, teilt das Sozialamt Zug auf Anfrage von zentral+ mit. Neuheim müsste gemäss Verteilschlüssel elf Personen aufnehmen. In Hünenberg leben 19 Asylsuchende, die Seegemeinde sollte 48 Personen eine Unterkunft anbieten.

Der Kanton hat den gesetzlichen Auftrag, die vom Bund zugewiesenen Asylsuchenden unterzubringen. Gemäss kantonalem Sozialhilfegesetz sind «die Einwohnergemeinden verpflichtet, nach Massgabe der Bevölkerungszahlen und unter Berücksichtigung bisher untergebrachter Personen, geeignete Unterkünfte bereitzustellen, soweit die Personen nicht in den bestehenden kantonalen Unterkünften untergebracht werden können.»

Wenn die Gemeinden dem Kanton keine Unterkünfte anbieten, beziehungsweise ihn bei der Suche nach geeigneten Unterkünften nicht unterstützen, mietet der Kanton möglichst kostengünstige Objekte, die auf dem Liegenschaftsmarkt angeboten werden. Der Kanton müsse dabei aus Rücksicht auf die Steuergelder primär auf die Höhe des Mietzinses achten und erst sekundär darauf, in welcher Gemeinde sich die Liegenschaft befindet, teilt das Sozialamt mit.

Lokalpolitiker anderer Zuger Gemeinden geben sich mit dieser «Ausrede» nicht zufrieden. Und generell damit nicht, dass Walchwil schon seit Jahren zu wenig Plätze anbietet. Deshalb kam das Thema kürzlich auch in den Kantonsrat. Besonders enttäuscht ist Thomas Werner aus Unterägeri. Der SVP-Politiker forderte den Regierungsrat auf, säumige Gemeinden wie Walchwil in Zukunft zu sanktionieren. Der Kantonsrat hat seine Motion überwiesen, die Direktion des Innern muss nun Vorschläge erarbeiten.

Thomas Werner kommt aus einer Gemeinde, die mehr Asylsuchende aufnimmt, als der kantonale Verteilschlüssel verlangt. Es sind 119, geboten wären 45. Die Erklärung dafür ist einfach: Unterägeri verfügt über mehrere günstige Liegenschaften. «Im Gebiet Neuägeri hat es einen oder mehrere Liegenschaften-Besitzer, die ihre eher alten Liegenschaften gerne an den Kanton vermieten. Das ist natürlich als Vermieter nicht uninteressant», sagt Werner. Er schlägt vor, dass die Regierung ein Bonus-Malus-System einführt. Oder dass die Gemeinden mit zu wenigen Asylsuchenden prozentual in einen Fonds einzahlen sollten, aus welchem die Gemeinden mit «zu vielen Asylsuchenden profitieren könnten.»

Walchwil zahlt in den Finanzausgleich 

Von einer solchen finanziellen Sanktion hält man in Walchwil nichts. Es fällt das Stichwort «Zuger Finanzausgleich» (ZFA), bei dem Walchwil zu den Gebergemeinden zählt. Die Gemeinderäte Suter und Hermann sind sich einig, dass Walchwil durch die Zahlungen in den ZFA bereits einen wichtigen Beitrag in die Kantonskasse leiste. Stefan Hermann: «Der ZFA spielt bei diesem Thema tatsächlich eine Rolle. Für solche Fälle ist ja schliesslich ein Ausgleichsinstrument da.»

Dieses Argument lässt der Unterägerer Thomas Werner nicht gelten: «Ich zahle auch Steuern, was mich noch nicht davon befreit, eine Busse zu zahlen, wenn ich zu schnell fahre. Im Ernst, ich glaube nicht, dass es zielführend ist, sämtliche Missstände im Kanton mit dem ZFA in Verbindung zu bringen.»

«Im Ernst, ich glaube nicht, dass es zielführend ist, sämtliche Missstände im Kanton mit dem ZFA in Verbindung zu bringen.»

Thomas Werner, SVP-Kantonsrat Unterägeri

Für Guido Suter käme noch ein anderer Lösungsansatz infrage: «Für mich persönlich wäre es beispielsweise tragbar, dass der Kanton in Zukunft die Einschulungskosten für Kinder aus Familien von Asylsuchenden bezahlen würde.» Dadurch könnten Gemeinden finanziell entlastet werden. Auch das will Werner nicht. Das sei höchstens ein «Pflästerli». Schliesslich gehe es nicht nur um die Kosten, sondern um die «konkreten Nachteile, die in einzelnen Fällen zu Ungunsten der hiesigen Kinder entstehen könnten», sagt der SVP-Politiker.

Ein Container im Dorfzentrum würde nicht goutiert

Die Forderung nach einem Container-Provisorium ist bei den Walchwilern ebenfalls angekommen. Stefan Hermann sagt, es seien mögliche Standorte für provisorische Unterkünfte getestet worden. Es gäbe in der Gemeinde lediglich zwei Möglichkeiten. Da beide aber sehr zentral gelegen seien, müsste man mit grossem Widerstand aus der Bevölkerung rechnen. Er betont: «Wir suchen nicht einfach nach faulen Ausreden. Und wir bleiben auch weiter aktiv an diesem Thema dran.» Die Herausforderungen in Unterägeri wolle er ausserdem keineswegs herunterspielen. Diese seien Realität.

«Der Kanton und die Gemeinden Risch und Zug haben in den letzten Jahren gezeigt, dass in kürzester Zeit auch ein einfacher Neubau erstellt werden kann.»

Manuela Weichelt-Picard, Regierungsrätin

Regierungsrätin Manuela Weichelt-Picard sagt zur Raumknappheit: «Es ist sicher so, dass nicht in allen Gemeinden gleich viele zahlbare Wohnungen verfügbar sind. Die Baudirektion des Kantons Zug hat jedoch für jede Gemeinde aufgezeigt, was aus raumplanerischer Sicht möglich wäre in Bezug auf Asylunterkünfte. Der Kanton und die Gemeinden Risch und Zug haben in den letzten Jahren gezeigt, dass in kürzester Zeit auch ein einfacher Neubau erstellt werden kann.»

Vom Sanktions-Beschluss im Kantonsrat lässt sich in Walchwil soweit niemand aus der Ruhe bringen. Auch aus der Bevölkerung seien bisher keine Reaktionen gekommen, bestätigt Stefan Hermann. Im Gemeinderat sei das Thema nach der Kantonsratssitzung selbstverständlich diskutiert worden, sagt Suter. «Wir sind aber noch relativ gelassen. Der Regierungsrat muss sich nun Gedanken machen. Wir wissen noch nicht, was rauskommt.» Und der Sozialdemokrat ergänzt: «Ich will jetzt auch nicht vorgaukeln, dass wir uns wahnsinnig um neue Unterkünfte kümmern, aber wir behalten das im Auge.»

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Stefan Gisler
    Stefan Gisler, 05.03.2014, 13:03 Uhr

    Auch andere Gemeinden haben hohe Wohnpreise und auch andere zahlen in den ZFA ein – allen voran die Stadt Zug. Dennoch bietet die Stadt genügend Asylplätze gemäss dem gesetzlich vorgesehenen Verteilschlüssel an und nimmt so wie die meisten anderen Gemeinden ihre Verantwortung wahr. Der Kantonsrat hat mit grosser Mehrheit beschlossen, dass Gemeinden, die ihren Pflichten nicht nachkommen, künftig wohl Sanktionen gewärtigen müssen. Die offen zur Schau gestellte Unlust von Suter und Herrmann zeigen, dass dies nötig ist. Die angeführten Schulkosten sind ein Scheinargument: Unterägeri mit über 100 Asylsuchenden hat gerade mal 3300 Franken Mehrkosten deswegen (an denen sich Walchwil nicht beteiligt!). Zudem haben alle Gemeindepräsidenten einen Asyl-Lastenausgleich abgelehnt. Ebenso hat der Kantonsrat im Rahmen der ZFA-Neuordnung eine Motion zum Lastenausgleich abgelehnt. Darum liebe Walchwiler: Pflicht wahrnehmen und anpacken statt Ausreden suchen.

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