Lotteriefonds zahlt für öffentliche Auftritte

Die Luzerner Regierung bleibt unter Beobachtung

Luzerns Reise nach Moskau: Nun liegt die Abrechnung vor. (Bild: Bild: Harry Hautumm / pixelio.de / Bildmontage)

Die Luzerner Regierung hat veröffentlicht, wieviel Geld sie aus dem Lotteriefonds für das sogenannte Moskaureisli genommen hat. Auf Nachfrage wird klar: 56’000 Franken zahlen die Steuerzahler. Und für den kommenden Auftritt an der Olma will die Regierung wieder den Löwenanteil aus dem Lotteriefonds entnehmen. Die Aufsichtsbehörde Comlot will den Fall beobachten.

Ursprünglich wollte die Regierung die gesamte Kultur- und Wirtschaftsförderungsreise nach Moskau – sie fand im vergangenen November statt – vollumfänglich aus dem Lotteriefonds finanzieren. Sie hatte dafür 350’000 Franken bereitgestellt. zentral+ hatte darüber berichtet. Nach Interventionen der Lotterie- und Wettkommission Comlot in Bern buchstabierte die Regierung zurück, wie ebenfalls Recherchen von zentral+ ergaben.

Auskünfte befriedigen nicht

Gleichzeitig lancierte der grüne Kantonsrat Hans Stutz eine Anfrage im Kantonsrat. Stutz wollte im Detail Auskunft darüber, wie die Reise unter anderem von Regierungsrat Guido Graf, Erziehungsdirektor Reto Wyss und Stadtpräsident Stephan Roth (alle CVP) finanziert wird. Er wollte insbesondere auch wissen, wie die Regierung den Einsatz von Lotteriegeldern rechtfertige für ein Vorhaben, das vor allem wirtschaftliche Ziele verfolge und die Kultur nur als «Mäntelchen» benutze.

Jetzt liegt die Antwort der Luzerner Regierung vor. Für die Finanzierung der Moskaureise entnahm die Luzerner Regierung rund 290’000 Franken aus dem Lotteriefonds. «Diese Angaben befriedigen nicht», sagt Kantonsrat Hans Stutz. «Es fehlen zu viele Details in der knappen Kostenauflistung der Regierung.» Ursprünglich hatte Regierungspräsident Guido Graf, im Jahr 2013 Regierungspräsident, in einem Interview gegenüber zentral+ Transparenz versprochen und erklärt, die Fakten auf den Tisch zu legen.

Keine detaillierte Abrechnung

Der diesjährige Regierungspräsident Robert Küng (FDP), Vorsteher des Bau-, Umwelt- und Wirtschaftsdepartementes, sagt heute dazu: «Es war nie geplant, eine detaillierte Abrechnung zu veröffentlichen. Wir beantworten die Fragen, die Kantonsrat Hans Stutz in seiner Anfrage gestellt hat.» Küng meint, Details bis in die kleinste Rechnungsposition interessierten kaum jemanden. «Ich glaube, die Öffentlichkeit interessiert sich für die wichtigen Positionen.»

Dem entsprechend würden in der Anfrage von Stutz die wichtigsten Beiträge ausgewiesen, eine detaillierte Projektabrechnung wolle man aber nicht veröffentlichen. Gerade dies wäre aber «notwendig», erklärt Hans Stutz, «nur so kann in diesem Fall die parlamentarische Oberaufsicht sichergestellt werden.» Gerade mal zwei Zahlen würde der Regierungsrat in seiner Antwort offenlegen.

56’000 Franken vom Kanton

Auf Nachfrage ist aber doch noch mehr zu erfahren. Von den Bruttokosten der Moskaureise von 345’000 Franken wurden wie schon erwähnt 290 000 Franken aus dem Lotteriefonds entnommen. Damit wurden der Auftritt des Luzerner Sinfonieorchesters Luzern LSO und weitere kulturelle Auftritte finanziert.

Doch wer zahlt den Rest? Den Differenzbetrag, also rund 56’000 Franken, werden laut Robert Küng dem ordentlichen Budget entnommen, das heisst, aus der Staatskasse. Und aus welchem Topf wurden am Ende die Reisekosten von Guido Graf, Retoy Wyss, Stephan Roth und weiteren Behördenmitgliedern bezahlt? Robert Küng sagt dazu: «Diese Kosten sind in den gesamten Aufwendungen enthalten.» Und noch genauer? «Zwei Drittel dieser Kosten zahlt der Lotteriefonds, ein Drittel die Staatskasse.»

Gesamtkosten 430 000 Franken

Küng fügt bei, der Kanton sei damit den Empfehlungen der Lotteriekommission Comlot gefolgt, die eine Aufsplittung der Kosten nach kulturellen und kommerziellen Tätigkeiten gefordert habe. «Eine solche Aufteilung überzeugt nicht», moniert Stutz, «abgesehen vom Besuch des Konzertes des Luzerner Sinfonieorchesters bestand das Reiseprogramm der Herren Wyss, Graf und Stadtpräsident Roth ja vor allem aus Auftritten für touristische und wirtschaftliche Interessen und aus einem touristischen Rahmenprogramm».

Comlot-Direktor Manuel Richard schreibt zentral+, man habe explizit darauf verzichtet, vom Kanton Luzern zusätzliche Angaben respektive eine detaillierte Abrechnung zu verlangen, «da wir im Bereich Mittelverwendung durch die Kantone ohnehin nur Empfehlungen aussprechen können und uns keinerlei Entscheid- oder Sanktionskompetenzen gegenüber dem Kanton zur Verfügung stehen.»

Neben den Geldern aus dem Lotteriefonds und der Staatskasse mussten auch die Luzern Tourismus AG, die Wirtschaftsförderung und Lucerne Health ihre Aufwendungen finanzieren. «Sie haben das aus ihren eigenen Budgets bezahlt», sagt Regierungsrat Küng dazu. Das sind rund 80’000 Franken.» Damit hat der Trip nach Moskau insgesamt rund 430’000 Franken gekostet. Regierungspräsident Robert Küng ist überzeugt, dass dieses Geld gut angelegt ist.

Auftritt an der Olma ebenfalls mit Lottergeldern?

Doch die Luzerner Regierung bleibt unter Beobachtung. Denn sie will ein weiteres grosses Projekt mit Geldern aus dem Lotteriefonds bezahlen: Den Auftritt als Gastkanton an der Olma in St. Gallen.

Manuel Richard von der Comlot schreibt dazu zentral+: «Wir haben ein Dossier eröffnet, weil sich uns die Sache so präsentiert, dass wir weitere Abklärungen vornehmen wollen. Aufgrund der zeitlichen Gegebenheiten sehen wir uns aber nicht unter Druck und priorisieren zurzeit Abklärungen in anderen Dossiers.»

Kultur und Kommerz

Tatsächlich findet der Auftritt Luzerns an der Olma erst im Oktober statt. Die Vorbereitungsarbeiten laufen allerdings schon auf Hochtouren. Der Gastauftritt wird, im Auftrag von Messe Luzern, vom früheren und mittlerweile pensionierten Messe-Mitarbeiter Werner Fluder organisiert. «Die Luzerner Präsentation an der Olma besteht aus einem Mix aus Kultur, Brauchtum und Typischem aus dem Kanton Luzern», sagt Werner Fluder.

Schon im Vorfeld werde es an einem Kulturweekend Auftritte von Luzernern Kulturschaffenden geben, sagt Werner Fluder. «Herzstück des Auftritts ist jedoch der traditionelle Festumzug mit 35 Nummern und 1200 Teilnehmern.»

Ausserdem werde Luzern an elf Ausstellungstagen auf einer Fläche von 900 Quadratmetern sechs bis sieben Stände aufbauen. Dort werde man Spezialitäten aus dem Kanton Luzern präsentieren. Es sollen unter anderem eine grosse landwirtschaftliche Degustationsbar, eine Kafi-Träsch-Ecke und touristische Sehenswürdigkeiten vorgestellt werden. So können sich etwa Olma-Besucher vor einem überdimensionierten Wasserturm fotografieren. Und schliesslich werde auch der Bildungsstandort Luzern vorgestellt.

Luzerner Praxis rechtlich umstritten

Die Abgrenzung, was davon kulturelle Leistungen sind und was freundeidgenössisches Standortmarketing, ist im Moment schwierig auszumachen. Klar ist, dass der Kanton den gesamten Olma-Auftritt mit 1,4 Millionen Franken aus dem Lotteriefonds finanzieren will. Regierungspräsident Robert Küng weist darauf hin, dass auch andere Kantone ihre Auftritte aus dem Lotteriefonds finanzieren.

Eine Luzerner Besonderheit ist allerdings, dass der Kanton eigens die Lotterieverordnung geändert hat, um mehr Spielraum beim Geldausgeben zu erhalten. So sind neu auch Beiträge für «nicht rein kommerzielle Auftritte des Kantons» möglich. Und genau diesen neuen Spielraum nutzt jetzt der Kanton für die Finanzierung des Olma-Auftritts mit Lotteriegeldern.

Nach Auffassung verschiedener Staatsrechtler verstösst die abgeänderte Lotterieverordnung gegen die Bundesverfassung. Die Bundesverfassung verlangt nämlich, dass Lotteriegelder vollumfänglich für gemeinnützige Zwecke eingesetzt werden.

Gemeinnützigkeit nicht aufweichen

Für Benjamin Schindler, Professor für öffentliches Recht an der Universität St. Gallen, ist der Spielraum, den sich die Regierung gegeben hat, nicht verfassungskonform. «Die Bundesverfassung sagt nicht, ein Vorhaben müsse zu 20, 30 oder 40 Prozent gemeinnützig sein, die Lotteriegelder müssen zu 100 Prozent gemeinnützig eingesetzt werden.»

«Der Auftritt einer Trachtengruppe an der Olma geht in Ordnung», sagt Schindler, «wenn aber Standortmarketing für den Kanton Luzern gemacht wird, muss dieser Auftritt aus einem andern Topf bezahlt werden». Dabei werde der Kanton gar nicht eingeschränkt. «Die meisten Kantone haben ein Budget für das Standortmarketing.» Der Kanton müsse klar ausweisen, was kulturelle Förderung und was Marketing ist.

Regierung will nichts überdenken

Demgegenüber beharrt die Luzerner Regierung auf ihrer aufgeweichten Vergabepraxis für Lotteriegelder. Regierungspräsident Robert Küng hat schon mehrfach betont, die Verordnungsbestimmung des Kantons Luzern sei nicht gesetzeswidrig. «Wir haben das rechtlich abgeklärt», sagt Küng. Auf Nachfrage sagt er, die Abklärungen seien intern durch Juristen des Kantons erfolgt.

Staatsrechtler Benjamin Schindler sagt dazu, es sei kein Problem, wenn verwaltungsintern von Juristen Abklärungen getroffen würden. Daraus resultiere nicht zwangsläufig ein Gefälligkeitsgutachten. «Das Problem ist vielmehr die Qualität, die Argumentation in einer Stellungnahme.» Diese Argumentation kann allerdings niemand überprüfen, da Luzern das Öffentlichkeitsprinzip nicht kennt.

Eine Rückkommen auf die umstrittene Verordnungsänderung kommt für Robert Küng nicht in Frage. «Wir stimmen hier mit den anderen Kantonen überein. Darum ist das für ins im Moment kein Thema.»

Beschwerde ist möglich, aber schwierig

Benjamin Schindler sagt, es sei heute schwierig, die umstrittene Verordnungsänderung des Kantons anzufechten. Für eine Beschwerde vor dem Bundesgericht sei es zu spät. «Bloss ein Sportverein oder Kulturtätige könnten heute noch aktiv werden, doch die Aussichten auf Erfolg sind sehr ungewiss», sagt Benjamin Schindler. Sie sind deshalb gering, weil ein nicht begünstigter Sportverband oder ein kultureller Verein voraussichtlich nicht beschwerdeberechtigt sind; nicht, weil die Beschwerde in der Sache selber erfolglos erscheint.

Mit den Einwänden von Benjamin Schindler wird sich auch die Lotterie- und Wettkommission Comlot beschäftigen, wie Direktor Manuel Richard festhält. «Zur Einschätzung von Herrn Prof. Schindler werden wir uns allenfalls dann äussern, wenn wir die entsprechenden Abklärungen getroffen haben.»

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