EVZ-Held mit aussergewöhnlicher Karriere

Patrick Fischer, das Trainer-Phänomen

Nationaltrainer Patrick Fischer ist für eine aufstrebende Schweizer Auswahl der zurzeit passende Verantwortliche.

(Bild: Martin Meienberger)

Beim HC Lugano ist der Zuger als Trainer gewogen und für zu leicht befunden worden. An diesem Donnerstag steigt der Schweizer Nati-Coach Patrick Fischer (43) mit dem Vorjahresfinalisten wieder in den Medaillenkampf bei der WM ein. Wie ist dieser Werdegang möglich?

Seine Rückennummer 21 wird beim EV Zug nie mehr vergeben. Das Banner zu Ehren Patrick Fischers hängt unter dem Stadiondach der Bossard-Arena. Neben der 33 von EVZ-Meisterspieler André Künzi und der 20 von Philipp Neuenschwander. Fischer wie Neuenschwander gehörten nicht zum ersten und bisher einzigen Zuger Meisterteam von 1998.

Und doch war das Zuger Eigengewächs ein aussergewöhnlicher Akteur in der über 50-jährigen Vereinsgeschichte. Der Flügelstürmer half mit Toren und Leadership auf dem Eis tüchtig dabei mit, den zu Beginn dieses Jahrtausends strauchelnden Klub wieder in die Schlittschuhe zu bringen.

Und «Fishy», wie sie ihn alle rufen, wurde 2006 im Alter von 30 Jahren der erste Zuger NHL-Export überhaupt. Er machte unter Headcoach Wayne Gretzky 27 NHL-Spiele für die damaligen Phoenix Coyotes. Gretzky, der grösste Eishockeyspieler der Geschichte, und Fischer stehen bis heute in Kontakt.

2013 nahm seine zweite Karriere Fahrt auf

Die Zeit in Arizona hat Fischers Selbstverständnis zementiert und jegliche Selbstunterschätzung wie ein Wüstensturm weggefegt. Der Lebemann, der seine Aussenwahrnehmung seit jeher gerne mit einem Schuss Esoterik würzte, begann, in grossen Dimensionen zu denken. Für ihn schien nichts mehr unmöglich zu sein.

2009 beendete Fischer seine Spielerkarriere und gab sein Wissen und seinen Erfahrungsschatz fortan als Trainer im Südtessin weiter. 2013 nahm seine zweite Karriere im Eishockey Fahrt auf. Erst erlebte er als Assistent von Nati-Coach Sean Simpson hautnah mit, wie der frühere EVZ-Coach eine vom Talent her nicht gesegnete Schweizer Truppe sensationell zu WM-Silber führte.

Im darauffolgenden September startete Fischer seine Karriere als Cheftrainer. Er schien mit seiner Denkweise geradezu prädestiniert dafür, das notorisch erfolglose Lugano wieder «grande» zu machen.

Scheitern auf Klubebene verfolgt Fischer

Doch Fischer scheiterte fast schon kläglich. Nach zweimaligem Ausscheiden in den Playoff-Viertelfinals gegen Genève-Servette lag er mit Lugano gegen Ende Oktober 2015 am Tabellenende, als er gefeuert und durch Feuerkopf Doug Shedden ersetzt wurde. Der frühere Zug-Trainer vertrieb die Luganesi aus der Wohlfühloase und peitschte die durchaus talentierte Mannschaft bis in den Playoff-Final.

Diese berufliche Niederlage hat bis zum heutigen Tag nicht alle Zweifel an den Fähigkeiten von Trainer Fischer zerstreuen können. Nach der vogelwilden WM 2016 (Rang 11) musste sein neuverpflichteter Assistent Tommy Albelin erst Ordnung in den defensiven Haushalt bringen, bevor Fischer sich daran machen konnte, seine Stärken auszuspielen.

Fischer ist noch nicht festgefahren

Mit seiner «gspürigen» Art ist Fishy ein Gegenentwurf eines grantigen Bandengenerals. Quasi ein Anti-Simpson. Bei dessen ehemaligem Lehrling sind die Hierarchien flach, die Kommunikation erfolgt nicht bloss von oben nach unten. In seiner noch jungen Karriere als Trainer ist er noch nicht festgefahren in dem, was er will. Und vor allem, was er nicht will. Zudem hat er im Alter von 43 Jahren ein Gespür dafür, wie die aktuelle Spielergeneration tickt.

 
 
 
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Fischer konzentriert sich vorab darauf, in den Köpfen der Spieler einen unerschütterlichen Glauben an sich und die Fähigkeiten der eigenen Mannschaft zu verankern. Und darauf, ihnen zu vermitteln, dass jeder Gegner unmöglich besser sein kann als sie selber. Mit diesem mentalen Rückenwind sind die Schweizer 2018 fast zu Gold geflogen.

Selbstredend spielt Fischer die forsche Entwicklung der Schweizer Einzelspieler in die Karten. Immer mehr schaffen es in die NHL, ihre Fähigkeiten gereichen zu stetig grösserer Verantwortung in den verschiedenen Organisationen.

Vor allem aber wollen die Schweizer NHL-Stars nach einer langen Saison lieber WM statt Golf spielen, obwohl der Nutzen für ihre Karriere in Nordamerika überschaubar ist. Die jüngsten Beispiele für diesen Spirit sind Sven Andrighetto und Nino Niederreiter, die erst im Verlauf dieser WM zum Schweizer Team gestossen sind. Und vor allem auch Kevin Fiala, der in vertragslosem Zustand angereist ist. Im Falle einer Verletzung hätte er sich mit Blick auf die Fortsetzung seiner NHL-Karriere einen Bärendienst erwiesen.

Entscheidend ist, wer die NHL-Playoffs verpasst

Wahrscheinlich ist es das grösste Verdienst von Patrick Fischer, dass er in der Nationalmannschaft eine Atmosphäre geschaffen hat, in der sich die Schweizer NHL-Spieler verwirklichen wollen. In der sie sich ohne einengendes Konzept frei entfalten können. Eishockey und Disziplin braucht ihnen Fischer ohnehin nicht zu erklären.

Für das Abschneiden der Schweiz an einer WM ist von entscheidender Bedeutung, welche Eidgenossen das Playoff in der NHL verpassen oder baldmöglichst aus dem Titelkampf ausscheiden werden. Die Schweizer WM-Ausgabe von 2018 war die talentierteste aller Zeiten. Erst im Penaltyschiessen eines mitreissenden Finals wurden sie von den Schweden auf Platz 2 verwiesen. Die Enttäuschung über WM-Silber war riesig.

Der richtige Mann am richtigen Ort

Trotz der WM-Premiere von Supertalent Nico Hischier, dem ersten Schweizer Nummer-1-Draft der NHL-Geschichte, ist die aktuelle Ausgabe nicht mehr so talentiert und zwingend wie ihre vorangegangene. Nach vier aufeinanderfolgenden Siegen gegen die WM-Hinterbänkler ist der Lauf gegen die Titanen des Welteishockeys mit drei Niederlagen gebremst worden.

Ein grosses Defizit der Schweizer ist dieser Tage das unproduktive Überzahlspiel. Vielleicht, dass es den arrivierten Schweizer Spielern über Nacht gelingt, das ungenügende Überzahlspiel im Viertelfinal gegen Kanada (Donnerstag, 16.15 Uhr, SRF 2) aus der Welt zu schaffen. Zwar liegt es am Trainer, die zielführenden Varianten im Powerplay einzustudieren – doch Fischer lässt sich bestimmt unterstützen.

Nach Ralph Krueger und Sean Simpson scheint Patrick Fischer der nächste Nationaltrainer zu sein, der über eine gewisse Zeit der richtige Mann am richtigen Ort ist. 

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