Mädchen aus Horw leidet an seltenem Gendefekt

Deshalb wird das Valentinstags-Baby Valeria mit Cannabis behandelt

Valeria lebt in ihrer eigenen Welt: Sie kann weder sprechen noch sich bewusst bewegen.

(Bild: zvg)

Die kleine Valeria wurde am Tag der Liebe geboren. Doch das 14 Monate alte Mädchen aus Horw hat eine ganz seltene Krankheit, für die es noch kein Medikament gibt. Seine Eltern sammeln für die Forschung – und damit Valerias Krankheit bekämpft werden kann. Rund 100 weitere Menschen haben jetzt ebenfalls Hoffnung.

Das Baby liegt im Bettchen, hat die Augen geschlossen und wird immer wieder von Krämpfen geschüttelt. Das ist seit seinem vierten Lebenstag so. Gleich nach der Geburt scheint die kleine Valeria zwar noch kerngesund. Doch dann setzt plötzlich ihr Atem aus, die Eltern bringen sie auf die Intensivstation. «Wir dachten, sie stirbt», sagen Valerias Eltern, Alexandra (34) und Mario Schenkel (34).

Die Ärzte waren überfordert, sie hatten so etwas noch nie gesehen, weshalb anfangs nicht feststand, was Valeria fehlte. Bis dann nach fünf Wochen ein Test den Befund lieferte: Bei Valeria ist ein Gen so verändert, dass es im Hirn eine viel zu hohe Aktivität auslöst. 

Ähnlich wie bei epileptischen Anfällen

«Es ist darum für Valeria fast unmöglich, mit der Aussenwelt in Kontakt zu treten», sagt der amerikanische Pharmakologie-Professor Leonard Kaczmarek. Er hatte 2014 das sogenannte KCNT1-Gen entdeckt, das bei Valeria defekt ist. Der Zellforscher erklärt: «Anstatt dass einzelne Hirnzellen miteinander kommunizieren, reagieren plötzlich alle gleichzeitig – das ist ähnlich wie bei epileptischen Anfällen.»

Das führt dazu, dass die kleine Valeria ohne Behandlung das Erwachsenenalter wohl kaum erreichen wird. Denn die Schulmedizin kann in ihrem Fall nicht helfen: Es gibt bislang kein Medikament gegen den sehr seltenen Gendefekt. Rund 100 weitere Menschen weltweit haben ähnliche Defekte.

«Die Leute denken immer, sie schlafe.»

Die Eltern über Tochter Valeria Schenkel

Und es existiert auch keine Therapie. Mit 14 Monaten kann Valeria weder sprechen noch sich bewusst bewegen. Spielen, lachen oder lernen liegt für Valeria auch nicht drin. Sie liegt einfach da. 

«Die Leute denken immer, sie schlafe», erklären die Eltern. Doch sie haben gelernt, mit dem Kind auf eigene Art zu kommunizieren. Manchmal bewegen sich Valerias Augen, sie drückt ihre Eltern mit den kleinen Händchen. Alexandra und Mario Schenkel haben gelernt, sich an kleinen Momenten zu erfreuen.

Doch es gibt immer mehr Hoffnung: Die Familie Schenkel reiste im Dezember in die USA, um sich persönlich mit Spezialisten an renommierten Universitäten zu besprechen. Diese sind inzwischen davon überzeugt, dass eine Behandlung für Valerias Krankheit entwickelt werden kann. Diese Entwicklung kostet allerdings 1.8 Millionen Franken. 

Weder Krankenkasse noch IV beteiligen sich

Eigene Ersparnisse und grosszügige Spenden von Verwandten, Freunden, Bekannten und Unbekannten brachten bisher die Hälfte dieser Summe ein. Noch fehlen aber 900’000 Franken. Weder Krankenkasse noch IV beteiligen sich daran.

Deshalb, und um auch den anderen betroffenen 100 Menschen weltweit zu helfen, sammeln sie Geld. Die Schenkels erfahren seither eine grosse Welle von Hilfe: Spenden, Wohltätigkeitsaktionen, Benefizveranstaltungen. Diese Welle gipfelt am Freitag und Samstag, 17. und 18. Mai in diversen Aktionen (siehe Box).

«Wir dachten, sie stirbt»: Alexandra und Mario Schenkel mit Tochter Valeria.

«Wir dachten, sie stirbt»: Alexandra und Mario Schenkel mit Tochter Valeria.

(Bild: zvg)

Mario Schenkel sagt: «Valerias Erkrankung ist derart selten, dass sich die Pharmaindustrie wohl noch Jahrzehnte lang nicht mit KCNT1 befasst hätte. Obwohl es gemäss den Experten relativ simpel sein sollte, diese Mutation auf dem Gen wie mit einem Pflaster zu überdecken.»

Auch an der renommierten Yale University in New Haven, USA, setzt man sich jetzt für Valeria ein. Denn dort traf sich die Familie mit dem Pharmakologie-Professor Leonard Kaczmarek. Er beteiligt sich bei der Forschung, um für Valeria eine geeignete Therapie zu entwickeln.«Wir sind so dankbar, dass er und ein Team von Neurogenetikern Valeria hilft».

«Wir haben Mäuse, die genau den gleichen Defekt wie Valeria haben.»

US-Pharmakologie-Professor Leonard Kaczmarek

Kaczmarek erklärte: «Wir haben Mäuse, die genau den gleichen Defekt wie Valeria haben. Da wir bei den Tieren die schädlichen Aktivitäten des defekten Proteins abstellen können, ist der Schritt zum Erfolg beim Menschen klein. Die Gene stimmen zu 95 Prozent überein.»

Prototypen des Medikaments sind entwickelt und designt, seit ein paar Tagen sind sie in einem holländischen Labor für Tests. Mario Schenkel: «Wir sind optimistisch, dass Valeria im Oktober das Medikament verabreicht werden kann, sofern wir den fehlenden Betrag bis im Sommer zusammenbekommen.»

Aktionen helfen Valeria

Die beiden Benefizkonzerte mit Dada ante Portas vom 17. Mai in der Horwer Zwischenbühne und von Härz in Zug sind bereits ausverkauft. Am nächsten Tag, den 18. Mai, gibt Phil Dankner ein Konzert. Zudem finden in Luzern bei der Kantonalbank und am Falkenplatz «rette-Valeria»-Ballonaktionen statt, am Löwengrabenfest hat die kleine Valeria eine eigene Bar. Mehr Infos und die Möglichkeit zur Spende gibt’s hier.

Bis das Geld vorhanden und das Medikament entwickelt ist, hat Jurist Mario Schenkel eine Ausnahmebewilligung des Bundesamtes für Gesundheit bekommen. Jetzt können die Schenkels ihre Tochter mit einem Cannabis-Produkt behandeln.

Heisst das, dass das 14 Monate alte Baby konstant wie bekifft vor sich hindämmert? Vater Mario Schenkel erklärt: «Nein. Das Cannabis-Öl hilft als einziges Mittel, die Krämpfe ein wenig zu lindern.» Früher reichte bereits das Rütteln des Kinderwagens auf dem Kiesweg, um bei Valeria wieder einen Krampfanfall auszulösen. 

Aber das Cannabis kann nur die Symptome lindern. Und die Schenkels wünschen sich so sehr, dass ihre Valeria ein ganz normales Kind wird.

«Wir sind überwältigt von der Hilfsbereitschaft.»

Mutter Alexandra Schenkel

Deshalb ist Valerias Familie auf weitere Unterstützung angewiesen. «Wir sind überwältigt von der Hilfsbereitschaft», sagt Alexandra Schenkel. «Wir sind so dankbar und hoffen, dass wir bald auch noch den restlichen Betrag zusammentragen werden.»

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Prof. Drs. med. M.
    Prof. Drs. med. M., 24.02.2022, 14:52 Uhr

    Schade für jeden gespendeten Franken. Aus der professionellen Forschung weiss man das diese Krankheit wo nur ca. 100 Kinder (Babies) betrifft, nie heilbar wird!
    Mir kommt es vor, wie die Eltern von sich reden lassen will.

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