Tiefe Löhne am Luzerner Theater in der Kritik

Politiker drohen: kein Theaterneubau ohne Lohndiskussion

Die Seelen der Verstorbenen tauchen als Geister auf. 

(Bild: Ingo Höhn)

3’700 Franken: Diese tiefen Mindestgagen am Luzerner Theater sorgen für Kritik. Politiker fordern angemessene Löhne sowie mehr Transparenz in der Verwaltung. Die erstarkte Linke im Kantonsrat stellt Bedingungen: Kein Kredit für ein neues Theater, wenn sich nichts ändert.

Die Debatte um die Löhne am Luzerner Theater flammt wieder auf: Es geht um prekär tiefe Mindestlöhne, geheime Chefsaläre und fehlende Transparenz. «Es mehren sich die Zeichen, dass es an der Basis rumort», schreibt das Kulturmagazin «041» in seiner neusten Ausgabe.

Yves Wüthrich vom Schauspiel-Ensemble etwa muss sein Gehalt durch Engagements in Film und Werbung aufbessern. Mit seinem Hochschulabschluss verdiene er als Theaterschauspieler «schlichtweg zu wenig», sagte er kürzlich gegenüber zentralplus. Er setzt deshalb künftig auf Filmrollen.

Die Löhne für das Theaterpersonal gehören zu den tiefsten im Land, die Mindestgage beträgt in Luzern 3’700 Franken pro Monat. «Da fühlst du dich als Systemtölpel», sagt eine Schauspielerin gegenüber «041», die nicht genannt werden will. Etwas besser gestellt sind die technischen Mitarbeiter, aber auch diese verdienen rund 1’000 Franken weniger als ihre Kollegen ausserhalb des Theaters.

Kapitaler Fehler

Weitere Betroffene und das Theater selbst wollen sich nicht zu den Löhnen äussern. Die gleiche Verschwiegenheit herrscht, wenn’s um die Bezahlung der Führungsriege geht: So gibt das LT den Intendanten-Lohn nicht bekannt (zentralplus berichtete).

Kann sich ein Haus, das von der öffentlichen Hand jährlich mit über 20 Millionen Franken subventioniert wird, diese Verschwiegenheit erlauben? Nein, findet der grüne Kantonsrat Urban Frye, der schon Ende 2017 einen Vorstoss in diese Richtung eingereicht hat, der vom Kantonsrat aber knapp abgelehnt wurde. Seine Forderung: Bei subventionierten Kulturbetrieben soll die gleiche Lohntransparenz herrschen wie bei teilstaatlichen Betrieben – etwa Hochschulen, Kantonalbank oder Kantonsspital.

Mindeststandards gefordert

Im Interview mit «041» erhöht Frye den Druck auf das Theater: «Persönlich werde ich jedenfalls keinem Theaterneubau zustimmen, wenn sich verwaltungstechnisch nicht ebenfalls etwas bewegt.» Der Stiftungsrat begehe mit seiner Dialogverweigerung politisch einen kapitalen Fehler, ist der Luzerner Politiker überzeugt.

«Nun muss sich die Theaterleitung bewegen.»

Marcel Budmiger, SP-Kantonsrat

Frye verknüpft die Lohndebatte mit der laufenden Diskussion um einen Theaterneubau. «Die Kosten wird meine Partei und wohl auch die Bevölkerung nur mittragen, wenn auch die inneren Perimeter so verändert werden, dass für das Bühnenpersonal arbeitsrechtliche Mindeststandards gelten, die in anderen Branchen selbstverständlich sind.»

Das Publikum sei sich der prekären Arbeitsbedingungen am Theater oft nicht bewusst, so Frye: «Hungerlöhne mögen an Theatern Usanz sein, dennoch halte ich es nicht für normal, dass hoch qualifizierte Fachkräfte (…) auf der Stufe von ungelerntem Servicepersonal entlöhnt werden.»

Als privatrechtliche Stiftung agiert das Luzerner Theater unabhängig vom Subventionsgeber. «Das oberste Kader kann schalten und walten, wie ihm beliebt», so Frye zu «041».

Der Druck steigt

Monique Frey, Fraktionschefin der Grünen im Kantonsparlament, ist gleicher Meinung: «Kanton und Stadt Luzern sind Leistungsbesteller und müssen bessere Mindestlöhne und Transparenz einfordern.» Wer den Betrieb mitfinanziere, müsse auch entsprechende Ansprüche stellen.

«Wir geniessen Kultur auf dem Buckel prekärer Arbeitsbedingungen.»

Monique Frey, Grünen-Kantonsrätin

Es laste ein enormer Druck auf den Theaterangestellten, so dass sich diese nicht mehr getrauen, sich zu äussern. «Diese Verheimlichungen sind ein Armutszeugnis, die Leitung verbreitet eine Angstsituation.»

Die Grüne Partei werde weiter Druck machen und einen allfälligen Kredit für ein neues Theater an Bedingungen knüpfen: mehr Transparenz und bessere Mindestlöhne. «Die Arbeitsbedingungen in der Kultur müssten allgemein stärker in den Fokus rücken, insbesondere auch in der freien Szene», sagt Monique Frey. «Wir geniessen Kultur auf dem Buckel prekärer Arbeitsbedingungen.»

Von links: Urban Frye, Monique Frey (beide Grüne), Marcel Budmiger (SP).

Von links: Urban Frye, Monique Frey (beide Grüne), Marcel Budmiger (SP).

(Bild: zvg)

Mindestlöhne – nicht nur im Theater

Auch bei der SP stört man sich ob den geringen Mindestlöhnen. «3’700 Franken sind definitiv zu wenig, das entspricht nicht den Statuten des Zweckverbands grosser Kulturbetriebe», sagt SP-Kantonsrat Marcel Budmiger. Stadt und Kanton müssten genauer hinschauen, fordert er. «Leider hat aber der Kantonsrat unsere Motion zur Einführung eines kantonalen Mindestlohns abgelehnt.»

Die Lohndebatte müsse überall geführt werden – in den Luzerner Kulturbetrieben, in den öffentlichen Betrieben wie auch in der Privatwirtschaft. «Wenn man sich jetzt nur auf das Luzerner Theater einschiesst, macht man es sich zu einfach», so Budmiger.

Mehr Transparenz sei wichtig, genüge aber nicht: «Es braucht eine gelebte Sozialpartnerschaft, in der die Angestellten auch ein Wort mitreden können, wenn es um das Lohngefüge geht», fordert Budmiger, der als Geschäftsleiter des Luzerner Gewerkschaftsbunds amtet.

Was sagt er zur Verknüpfung der Lohnfrage mit einem Theaterneubau? «Vor den Wahlen gab es keine Mehrheit für das Luzerner Theater im Kantonsrat. Mit dem Linksrutsch dürfte sich das geändert haben», so Budmiger. Nun müsse sich die Theaterleitung bewegen. «Die SP will nicht Kultur und gute Arbeitsbedingungen gegeneinander ausspielen. Wir wollen beides.»

Keine Einmischung von bürgerlicher Seite

Der Forderung nach Lohntransparenz schliessen sich auch die Grünliberalen an. Eine Verknüpfung der Lohndebatte mit dem Theaterneubau findet GLP-Fraktionschefin Michèle Graber jedoch «absurd»: «Wir wollen auch künftig ein gutes Theater in Luzern, und dazu gehört auch eine zeitgemässe Infrastruktur.» Diese bilde eine Grundlage für angemessene Löhne.

Transparenz ja, aber keine Einmischung ins Lohngefüge: «Lohnvorschriften wären ein Präjudiz. Jeder Betrieb, der vom Kanton Subventionen erhält, müsste sich vom Kanton die Löhne vorschreiben lassen, das geht zu weit.»

Für FDP-Kantonsrat Gaudenz Zemp sind die tiefen Löhne am Luzerner Theater keine Neuigkeit. «Das gilt auch für andere Branchen in der Kultur und dem Tourismus», sagt er.

«Für uns ist genügend Transparenz vorhanden.»

Gaudenz Zemp, FDP-Kantonsrat

Es sei Sache der Sozialpartner die Löhne auszuhandeln. Verwaltungschef Adrian Balmer sei in den Schweizer Gremien vertreten, die sich um Gesamtarbeitsverträge kümmern. Eine Stiftungsrätin vertrete zudem die Anliegen des Personals im Stiftungsrat. «Der Dialog scheint also gewährleistet zu sein», so Zemp, Direktor des kantonalen KMU- und Gewerbeverbands.

«Die von grüner Seite angestossene Lohndiskussion ist typisch für linke Politiker: Sie fordern mehr Lohn, sind dann aber gegen höhere Billettpreise und kommerzielle Vorgaben ans Theater», kritisiert Zemp. Man setze blind auf höhere Subventionen, dabei werde schon heute jedes Theaterbillett vom Staat mit rund 360 Franken subventioniert.

Zemp sieht Widerspruch bei den Grünen

Auch der Transparenzforderung erteilt Zemp eine Absage: «Der Geschäftsbericht und die Jahresrechnung werden öffentlich genügend differenziert publiziert und die Rechnung untersteht der Finanzkontrolle des Kantons Luzern. Somit ist für uns genügend Transparenz vorhanden.»

Gaudenz Zemp sieht höchstens einen indirekten Zusammenhang von Mindestlöhnen und Theaterneubau: «Wird der Betrieb durch einen Neubau effizienter und steigt dank grösserer Attraktivität die Auslastung, so bleibt mehr Spielraum bei den Personalkosten.» Ein Neubau könne also einen positiven Einfluss auf die Löhne haben. «In diesem Sinne ist die Aussage der Grünen widersprüchlich.»

Von links: Michèle Graber (GLP), Gaudenz Zemp (FDP), Ludwig Peyer (CVP).

Von links: Michèle Graber (GLP), Gaudenz Zemp (FDP), Ludwig Peyer (CVP).

(Bild: zvg)

Skurriler Gedanke?

Auch bei der CVP sieht man keinen politischen Handlungsbedarf, was die Löhne anbelangt. «Ich gehe davon aus, dass das Luzerner Theater als Arbeitgeber alle arbeitsrechtlichen Vorschriften einhält», sagt Fraktionschef Ludwig Peyer. Dass ein eher tiefer Lohn bezahlt werde, rechtfertige noch lange kein staatliches Eingreifen.

Lohnpolitik sei Aufgabe der Theaterleitung und des Stiftungsrats, damit er gute Leute finde und halten könne. «Der Kanton redet auch nicht in die Löhne des Pflegepersonals in den Spitälern drein, obwohl diese in weit höherem Masse staatliche Mittel erhalten», so Peyer.

Laufende Organisationsentwicklung

Den Bau eines neuen Theaters von besseren Arbeitsbedingungen des Personals abhängig zu machen, beurteilt Peyer als «skurrilen Gedanken». «Man kann das politisch verknüpfen, das eine hat aber mit dem anderen sachlich gar nichts zu tun.» Man sei ja auch nicht gegen einen Schulhausneubau, weil man der Meinung sei, die Lehrpersonen würden zu wenig verdienen.  

Es könnte sich aber tatsächlich etwas bewegen: Am Luzerner Theater ist momentan eine Organisationsentwicklung im Gange, welche die aktuellen Strukturen überprüft. Während der laufenden Prozesse wolle man sich nicht zur Lohnthematik äussern, sagte Verwaltungsdirektor Adrian Balmer gegenüber «041».

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