Schwindel, Kopfschmerzen und ein Dorf in Nepal

Mein erstes Mal im VR-Kino: Mehr als gemeinsam einsam?

Das kollektive, doch einsame Filmeschauen im Bourbaki.

(Bild: Tijana Nikolic)

Am Samstagabend konnte man sich im Kino Bourbaki von den Vorzügen des Virtual-Reality-Kinos überzeugen lassen. Mit synchronisierten Brillen und Kopfhörern wurde man selbst zum Teil der Filme. Ob sich das Erlebnis lohnt, ist jedoch eine andere Frage.

Ich mache die Augen auf und bin in einer mir unbekannten Stadt. Ich sitze auf einer Bank. Die Sonne scheint sehr hell, in der Nähe plätschert ein Brunnen vor sich hin.

Plötzlich sitzt eine junge Frau zu meiner Linken. Ich schaue sie an und fürchte mich schon fast vor einer Reaktion. Doch lässig zückt sie ihr Tablet, ohne mich auch nur eines einzigen Blickes zu würdigen. Gleich darauf wird sie von einem grossen Auto abgeholt. Plötzlich sitzen ich und sie auf zwei verschiedenen Bänken an einem anderen Ort.

Von Nepal an die Nordsee

Und ehe sie mich weiter ignorieren kann, befinde ich mich in einem kleinen Dorf bei Nepal. Dort kämpft ein einziger Mann für sauberen Zugang zu Wasser in seinem Dorf. Die Landschaft ist unglaublich. Irgendwie hänge ich oft in der Luft und geniesse meine Voyeur-Perspektive.

Durch den Versuch, alle Bilder und Eindrücke einzufangen, kann es einem schon etwas schwindlig werden. Aus Nepal geht es ab in die dunklen Tiefen des Ozeans, wo ich mit Walen, Delfinen und Haifischen schwimme. Danach lande ich bei der Küstenwache der Nordsee, die mich in ihre tägliche Arbeit hineinblicken lässt.

Das Ziel des gemeinsamen Erlebens

Nein, ich schreibe hier nicht über einen intensiven Drogentrip. Ich beschreibe einen Teil des Programms des Virtual-Reality-Cinemas, das dieses Wochenende einmal mehr im Kino Bourbaki in Luzern lief. Dahinter steckt das Zürcher Unternehmen «We Are Cinema», das sich Virtual Reality und Augmented-Reality-Erlebnissen verschrieben hat.

«Nicht jeder Film ist für das VR-Kino geeignet.»

Corinne Oschwald, Co-Gründerin und CEO von «We Are Cinema»

Virtual-Reality-Cinema ist 360-Grad-Kino. Szenen werden demnach aus der Ich-Perspektive geschaut, was viel intensiver ist, da man quasi zu einem Teil des Films wird. Durch die synchronisierten Brillen erleben die Besucher alle Eindrücke zur selben Zeit. Dies soll zu einem speziellen, gemeinsamen Erlebnis führen.

Filme werden anders wahrgenommen

Die traditionellen Kinostühle und die grosse, weisse Leinwand fallen bei diesem Kinobesuch weg. «Virtual-Reality-Cinema eignet sich super als Ergänzung zum Kino. Es ist eine neue Art, Filme zu schauen», findet Corinne Oschwald, Co-Gründerin und CEO von «We Are Cinema».

«Auf dem Programm stehen in 360 Grad gedrehte Filme. Nicht jeder Film ist für das VR-Kino geeignet», sagt Oschwald. Daher laufen bei den Vorstellungen im Moment ausschliesslich Kurzfilme zu verschiedensten Themen.

Nadine Jurt von «We Are Cinema» gab zu Beginn eine kurze Einführung, wie Brille und Kopfhörer funktionieren.

Nadine Jurt von «We Are Cinema» gab zu Beginn eine kurze Einführung, wie Brille und Kopfhörer funktionieren.

(Bild: Tijana Nikolic)

Gegründet wurde das VR-Kino 2016 als Test- und Pop-up-Cinema. «Mittlerweile sind wir vor allem im Bereich Corporate Events und Virtual-Reality-Filmproduktionen unterwegs», so Oschwald. Das VR-Kino habe mittlerweile verschiedene Standorte in Zürich, Bern, Biel und künftig eventuell auch in Luzern.

Viele Informationen müssen verarbeitet werden

«Mein erster VR-Film war sehr beeindruckend, aber auch etwas verwirrend. Ich habe alles um mich herum vergessen und war total in den Film integriert», erinnert sich Oschwald.

«Die Stühle liessen sich nicht gut drehen und waren unbequem.»

Caroline, VR-Kino-Testerin

Verwirrt und beeindruckt zugleich waren auch die neun Zuschauer am Samstagabend im Bourbaki. Einigen wurde es etwas schwindlig, andere hatten Kopfschmerzen. Dies scheint nicht ungewöhnlich, da das Auge mit der 360-Grad-Perspektive viel mehr Informationen verarbeiten muss, als bei Filmen auf einer gewöhnlichen Kinoleinwand.

Brille war zu eng

«Die Stühle liessen sich nicht gut drehen und waren unbequem», hat Caroline, eine Touristin aus Amerika, zu bemängeln. Mit der Zeit bekam sie Rückenschmerzen und die Brille war ihr etwas zu eng anliegend am Kopf.

Schön war es für die Besucher, bei der ganzen Menge und Lautstärke der wartenden Kinobesucher im Bourbaki, durch die Brille und Kopfhörer in eine ganz andere Welt eintauchen zu können. Denn die Vorstellung fand nicht in einem Kinosaal statt, sondern in einer cirka zehn Quadratmeter grossen, separierten Ecke.

Trotzdem: Gerüche von Popcorn und Kaffee in der Nase, während man auf dem Meeresgrund flaniert, irritierten leider etwas. Auch waren einzelne Szenen teilweise etwas unscharf. An der Technik werde regelmässig gefeilt, um sie zu verbessern, heisst es von Nadine Jurt von «We Are Cinema». Sie begleitete die Besucher durch den Abend.

Muss man überhaupt noch ins Kino?

Man stellt sich unweigerlich die Frage, ob man für das Virtual-Reality-Erlebnis überhaupt in ein Kino gehen muss. Ist es nicht gemütlicher von der bequemen Couch zu Hause in verschiedenste Welten zu reisen? Wenn es einem dann zu schwindlig wird, könnte man sich nur zur Seite rollen und einschlafen.

Niemand zu alt für Virtual Reality.

Niemand zu alt für Virtual Reality.

(Bild: Tijana Nikolic)

«Für die Filme braucht man spezielle Brillen. Diese haben nur wenige Menschen zu Hause», sagt Oschwald. Alleine zu schauen sei fad. Deshalb möchte «We Are Cinema» bei den Vorstellungen das Gruppenerlebnis fördern. Für mich persönlich als Besucherin blieb dieses Gruppenerlebnis aus.

Weitere Vorstellungen in Luzern möglich

Man schaut zwar das Gleiche, ist aber durch die Brille und die Kopfhörer abgeschottet und schlussendlich doch für sich. Getreu dem Motto gemeinsam einsam. Es verhält sich wie so oft im virtuellen Leben: Man ist verbunden mit der ganzen Welt, aber schlussendlich doch allein vor dem Computer.

Nichtsdestotrotz ist das Virtual-Reality-Kino einen Besuch wert, wenn man etwas Neues ausprobieren möchte. «We Are Cinema» würde sich über weitere Auftritte in Luzern freuen. Bis jetzt sind unter anderem Vorstellungen im Bourbaki im Mai geplant. «Ausserdem möchten wir im Sommer mit einem VR-Open-Air zurückkommen», verrät Oschwald. Dafür befinde sich der Veranstalter aktuell in der Bewilligungsphase.

Hinweis: Das VR-Kino fand nicht, wie in einer ersten Fassung geschrieben, zum ersten Mal im Bourbaki statt. Wir haben den Artikel nachträglich korrigiert.

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