Nachfolge für Benedikt von Peter läuft heiss

Neue Intendanz: Gelingt dem Luzerner Theater der nächste Coup?

Geld aus dem Kulturlastenausgleich fliesst unter anderem ins Luzerner Theater – hier die Inszenierung «Prometeo» im Globe.

(Bild: zuvg/David Röthlisberger)

Luzern als Sprungbrett: Weil das Luzerner Theater mit den Grossen nicht mithalten kann, hoffen Theaterkritiker wieder auf eine Überraschung bei der Nachfolge für Benedikt von Peter. Und auf eine Frau.

Die Suche nach einer Nachfolgerin für den Intendanten Benedikt von Peter läuft auf Hochtouren. Am 18. Februar fanden weitere Hearings mit den letzten vier verbliebenen potentiellen Kandidaten statt. Es eilt, Intendant von Peter wechselt bereits 2021 nach Basel, die Saison 2020/21 wird er in beiden Häusern tätig sein. Quasi als Doppelintendant am Rhein und an der Reuss.

Im Mai will das «zurzeit interessanteste Theater der Schweiz» (NZZ) die Nachfolge von Peters bekanntgeben. Eine breit abgestützte Findungskommission streckt seine Fühler im ganzen deutschsprachigen Theaterraum aus:

  • Georges Delnon, Intendant Staatsoper Hamburg
  • Albrecht Puhlmann, Intendant Oper Nationaltheater Mannheim
  • Anselm Weber, Intendant Schauspiel Frankfurt 
  • Ina Karr, Chefdramaturgin Mainz
  • Res Bosshart, Leiter Master of Arts im Theater an der Zürcher Hochschule der Künste
  • Stefan Sägesser, Geschäftsleitung Zweckverband Grosse Kulturbetriebe Kanton Luzern
  • Gisela Widmer, Stiftungsrätin Luzerner Theater, Autorin
  • Pierre Peyer, Präsident Trägerverein Luzerner Sinfonieorchester/Delegierter Stiftungsrat Luzerner Theater
  • Birgit Aufterbeck Sieber, Stiftungsratspräsidentin Luzerner Theater und Präsidentin der Findungskommission

Zu den Details geben sich die Verantwortlichen bedeckt: Wie viele Personen sind noch im Rennen? Woher kommen sie? Was muss die neue Intendantin mitbringen? Soll es nach der bisher einzigen Intendantin Barbara Mundel (1999–2004) wieder eine Frau sein? Oder setzt auch Luzern auf eine Doppelspitze – das «Leitungsmodell der Zukunft», wie es das Schauspielhaus Zürich auf nächste Saison anpreist?

Oder gar auf eine dreiköpfige weibliche Dramaturginnencrew, wie sie im Theater Neumarkt ab diesem Sommer Realität ist? Teil davon wird übrigens Julia Reichert sein, eine aus dem Erfolgsteam rund um Benedikt von Peter: Sie war in der Spielzeit 17/18 leitende Dramaturgin der Schauspielsparte des Luzerner Theaters.

Auch Theaterneubau spielte eine Rolle

Anfang Jahr war Birgit Aufterbeck Sieber, Präsidentin der Findungskommission, gegenüber dem «Anzeiger Luzern» noch gesprächiger: Man lege sich nicht fest, ob man wieder einen regieführenden Intendanten oder einen programmierenden Intendanten suche. Klar ist: Nicht nur die inhaltliche Ausrichtung des künftigen Kopfes ist entscheidend, sondern auch seine Vision bezüglich eines neuen Theaters, das irgendwann an der Reuss gebaut wird.

Das Leitungsteam für die neue Saison am Luzerner Theater (von links): Sandra Küpper (Schauspiel), Johanna Wall (Oper), Clemens Heil (Musik), Benedikt von Peter (Intendant) und Kathleen McNurney (Tanz).

Das aktuelle Leitungsteam am Luzerner Theater (von links): Sandra Küpper (Schauspiel), Johanna Wall (Oper), Clemens Heil (Musik), Benedikt von Peter (Intendant) und Kathleen McNurney (Tanz).

(Bild: zvg/Vanessa Püntener)

Die neue Persönlichkeit müsse vorab ein attraktives Programm für alle Sparten des Hauses entwickeln und das Publikum überzeugen. Dazu komme die Planung eines neuen Theatergebäudes, sagte Aufterbeck Sieber. «Das kann zu einer Überforderung werden, wenn diese Person zusätzlich noch so intensiv Regie führt, wie es Benedikt von Peter tut.»

Die Anforderungen scheinen hoch: Von 56 Bewerbungsdossiers hat es keines in die letzte Runde geschafft, sondern es blieben nur noch Kandidatinnen, welche von der Findungskommission direkt angefragt wurden. «Unser Haus hat sich einen hohen Standard und internationalen Ruf erarbeitet», ist Aufterbeck überzeugt.

An potentielle Namen zu kommen, ist schwierig. Der «Markt» ist gross und es stehen neben Luzern an einigen Theaterhäusern Wechsel an. Medien schreiben von einer eigentlichen Theater-Rochade – mittendrin: das Haus an der Reuss.

Der gute Riecher

Wie begehrt ist der Posten in Luzern tatsächlich? Fragen wir bei Kritikern nach, die regelmässig über das Luzerner Theater schreiben.

Valeria Heintges, freie Theaterkritikerin u.a. bei «Nachtkritik» und der «NZZ am Sonntag», hatte bevor sie vor gut acht Jahren in die Schweiz kam, nie vom Luzerner Theater gehört. «Da ging es in der Schweiz eigentlich nur um Zürich und Basel», sagt die Deutsche.

«Die Theaterszene braucht dringend mehr Frauen, vor allem in der Leitungsebene.»

Valeria Heintges, Theaterkritikerin

Heute bezeichnet sie das Luzerner Theater als «Sprungbrett». Davon zeugen zwei Intendanten, die nach ihrem Posten in Luzern Karriere machten: Barbara Mundel übernimmt demnächst die Münchner Kammerspiele. «Ein Theater, das sicherlich zu den besten Häusern im deutschsprachigen Raum gehört», so Heintges. Und eben bald Benedikt von Peter, der ans Basler Theater berufen wurde – eine der besten Adressen der Schweiz.

Symptomatisch für Luzern: Viele hatten Mundels Intendanz damals nicht wertgeschätzt. Die Eintritte gingen anfangs stark zurück, es gab Kritik aus der Politik, dafür wurde die Fachwelt vermehrt auf Luzern aufmerksam.

Heintges nennt als Beispiel Herbert Fritsch, der sich in Luzern unter Mundel seine ersten Sporen als Regisseur verdient hatte und schon damals ein gefeierter Schauspieler war. «Das spricht sicherlich sehr für die Intendanz von Frau Mundel und ihren ‹Riecher› für gute Leute», so Heintges. Aktuell läuft etwa am Zürcher Schauspielhaus Fritschs Inszenierung «Totart Tatort».

Das Ensemble des Luzerner Theaters auf dem Theaterplatz.

Das Ensemble des Luzerner Theaters auf dem Theaterplatz.

(Bild: zvg)

Dringend mehr Frauen

Was heisst das für die Zukunft? «Im günstigen Fall wird wieder jemand ausgewählt, der sich noch keinen sehr grossen Namen gemacht hat, sich aber mit ausgefallenen Ideen oder mit Kreativität in seiner – wahrscheinlich auch noch eher kurzen – Karriere als Regisseur oder Intendant oder Leiter einer guten Freien Gruppe hervorgetan hat», so Heintges.

Noch besser fände sie eine Frau für die Intendanz: «Die Theaterszene braucht dringend mehr Frauen, vor allem auf der Leitungsebene.» Der Zeitgeist spreche auch dafür, auf eine Doppel- oder Dreifachspitze zu setzen. «Das mag für das Mehrspartenhaus in Luzern aber vielleicht keine Option sein, weil ja die einzelnen Sparten dann ohnehin noch Leiter oder Leiterinnen brauchen, da ja der Intendant oder die Intendantin nicht alles selbst machen kann.»

Theater für und mit Luzern

Von Tobias Gerosa stammt das obige Zitat des «interessantesten Theaters», als er über den unsichtbaren Don Giovanni von Benedikt von Peter schrieb (zentralplus berichtete). Er hat das Luzerner Theater für die NZZ, die «Deutsche Bühne» oder das Magazin «Oper!» beobachtet.

«Vor Benedikt von Peter war das Luzerner Theater für die deutschen Medien kaum ein Thema», sagt Gerosa. Er wünscht sich darum jemanden, der von Peters Kurs des «Bio-Hoffleisch-Theaters» weiterführt, wie er das in einem Porträt ausdrückte. Jemand also, der Theater für und mit Luzern und der Region mache und dabei auch die grossen Entwicklungen im Blick habe. «Peter hatte niemand erwartet, vielleicht gelingt wieder ein ähnlicher Coup», sagt er.

Nach einer Krise ist es einfacher

«Besonders ist sein Erfolg, weil er die Sprachen am Luzerner Theater modernisiert hat und in Oper und Schauspiel zeitgenössische Formen und Ästhetiken einführte», so Gerosa – und damit auch das regionale Publikum abholte. Die Auslastung ist vergangene Spielzeit zum zweiten Mal in Folge gestiegen (zentralplus berichtete).

«Ich hoffe auf eine ähnlich mutige Entscheidung!»

Tobias Gerosa, Theaterkritiker

Der bisherige Erfolg ist aber auch eine Krux: «Ein erfolgreicher Intendant ist immer schwierig zu ersetzen. Nach einer Krise ist’s einfacher, neu zu beginnen», sagt Gerosa. Und bei einem Dreispartenhaus wie dem Luzerner Theater stelle sich immer die Frage, von welcher Sparte der Intendant kommt.

«Peter war klar Opernregisseur, hat sich da auch selber stark als Regisseur eingebracht – aber er hatte eine starke Schauspielleitung, die am selben Strang zog», beobachtet Gerosa die Situation. Das habe zum positiven Gesamteindruck beigetragen.

Abwerbeeffekt wie beim Fussball

Die Grundfrage für die neue Intendanz lautet also: Oper- oder Schauspielmensch? «Beides bringen wenige mit, es braucht also ein Team, nicht nur einen Kopf», so Gerosa. Oder aber einen Manager-Intendanten, der nicht selber inszeniere. Ob das jedoch für das eher kleine Luzerner Theater mit seiner Chance von Nähe gut wäre, bezweifelt er.

Auch Gerosa glaubt, dass die Zeit für eine Frau reif ist: «Mit Barbara Frey am Schauspielhaus beendet die einzige Frau, die in der Schweiz ein grosses Theater leitet, ihre Intendanz.»

Auch Gerosa spricht von einem Sprungbrett für Neu-Intendanten, die besten ziehen dann weiter. Das sei bei Barbara Mundel und jetzt bei Benedikt von Peter der Fall gewesen. «Ich hoffe auf eine ähnlich mutige Entscheidung! Dann kann Luzern weiterhin auch überregional wahrgenommen werden.»

Schwierige Position

SRF-Kulturredaktor Andreas Klaeui schliesslich sieht Luzern in einer schwierigen Position: «Einerseits das nahe Zürich mit attraktiven neuen Theaterleitungen, anderseits Basel mit von Peter, der ähnlich fortfahren wird wie bis anhin in Luzern, aber mit mehr Mitteln und an einem Haus mit mehr Ausstrahlung.»

Luzern gilt aus Klaeuis Sicht im deutschsprachigen Theaterraum trotzdem als «durchaus interessantes, beobachtenswertes Theater, an dem immer mal auch Entdeckungen zu machen sind». Für die neue Intendanz fände er es vielversprechend auf Nachwuchs zu setzen. «Ich würde dem Luzerner Publikum auch zutrauen, da mitzugehen.» Und die Wahl einer Frau wäre «ein anspornendes Zeichen».

Deine Ideefür das Community-Voting

Die Redaktion sichtet die Ideen regelmässig und erstellt daraus monatliche Votings. Mehr zu unseren Regeln, wenn du dich an unseren Redaktionstisch setzt.

Deine Meinung ist gefragt
Deine E-Mailadresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Bitte beachte unsere Netiquette.
Zeichenanzahl: 0 / 1500.


0 Kommentare
    Apple Store IconGoogle Play Store Icon