Luzerner Klang-Jägerin betritt die Bühne

Ihr Instrument sind die Wespen und der Strassenlärm

Das Trio Süd mit Soundkünstlerin Marie-Cécile Reber wurde eigens für das anstehende Festival gegründet.

(Bild: zvg/Marion Savoy)

Ob leise Insekten oder laute Metros: Die Luzernerin Marie-Cécile Reber ist seit Jahrzehnten auf der Suche nach immer neuen Geräuschen und Sounds. Auch Ungehörtes verarbeitet sie zu Musik. Für die anstehenden Trio-Tage im Neubad hat sie ein neues Trio gegründet.

Das ist mal ein konsequentes Festival: 2017 fing es mit den Solo-Tagen an, ein Jahr später folgten die Duo-Tage – und jetzt logisch: die Trio-Tage. Und um es vorwegzunehmen: Quartett-Tage sind keine geplant.

Es dreht sich bei diesem dreitägigen Festival im Luzerner Neubad also alles um Trios (siehe Box). Diese klassische Bandbesetzung hält sich ebenso im Jazz wie im Rock. Doch das Festival sprengt diese Grenzen und wirbelt verschiedenste Stile durcheinander. Davon zeugt die Luzernerin Marie-Cécile Reber, die für das Festival eine Carte blanche erhielt und eine neue Formation – das Trio Süd – gründete.

Die Musikerin, Soundforscherin und Soundartistin tritt am Samstag im grossen Pool zusammen mit Patricia Bosshard (Violine) und Valerian Zangger (Schlagzeug) auf.

Insekten und Flipperkästen

Marie-Cécile Reber geht für ihre Musik seit Jahren eigenwillige Wege. Sie verarbeitet ebenso Insektenbrummen wie Alltagsgeräusche oder den Lärm von der Strasse zu neuen Sounds. Auf ihrer Website sammeln sich verschiedenste Klangbeispiele an.

Es lohnt sich, in Rebers Klanglaboratorium einzutauchen: Man stösst auf eine zwitschernde Soundinstallation beim Löwendenkmal, auf wummernde Bässe einer Tanzperformance, verfremdete Flipperkasten-Geräusche – oder Ameisen, Hummeln und Grillen. Es zirpt, summt und zischt in Rebers Wiesengeräuschen.

Das tönt dann so:

Das Aufnahmegerät stets dabei

Die Klänge fängt Reber draussen ein, die natürliche Umgebung bildet die klingende Grundlage für ihr Schaffen. «Ich nehme Geräusche auf, verarbeite sie und kreiere damit mein Instrumentarium», sagt Reber. Das Instrument sind in ihrem Fall Files und Samples, daraus entstehen Kompositionen, Theatermusik oder Installationen.

«Angefangen habe ich mit Geräuschen, die man mit dem menschlichen Ohr nicht hört.»

Es könne ihr jederzeit passieren, dass sie an ein Geräusch heranläuft, das sie interessiert. «Dann packe ich mein Aufnahmegerät aus und nehme mir Zeit für die Aufnahme», sagt sie.

Reber ist ausgebildete Pianistin, ging aber schon in den 90er-Jahren neue Wege. Sie hat elektronische Kompositionen studiert und sich auf elektro-akustische Komposition spezialisiert.

Nur noch Vögel überall

«Angefangen habe ich mit Geräuschen, die man mit dem menschlichen Ohr nicht hört, die ich mit speziellen Mikrofonen eingefangen habe und so hörbar machte», sagt sie. So stapfte sie monatelang durch Felder und Wiesen, immer auf der Suche nach «superfeinen» Geräuschen für ihre Experimente.

Der Ursprung ihrer Faszination für Geräusche ist simpel: «Ich war als Kind immer in der Natur. Weil wir kaum Spielsachen hatten, habe ich oft einfach zugehört», erinnert sie sich.

Reber hat dadurch mit der Zeit ein anderes Hören entwickelt – auch in der Stadt: «Ich höre nicht Strassenlärm, sondern Kompositionen.» Und als sie vor zwei Jahren mit Vögelgeräuschen arbeitete, tat sich eine neue Welt auf: «Ich habe nur noch Vögel gehört, ich empfand sie auf einmal als viel lauter.» Es zeigt schön, wie sich der Hörfokus ändern kann.

Auf in die Londoner Hochburg

Heute ist es normal, dass Musiker mit Sounds am Computer arbeiten statt mit herkömmlichen Instrumenten – doch in den 90ern war das noch die Ausnahme. Ist sie also eine Pionierin? Marie-Cécile Reber winkt ab. «Verglichen mit Vorbildern aus den USA wie John Cage oder Pauline Oliveros, die schon in den 80ern eine andere Sicht auf Töne entwickelten, war ich sogar eine Spätzünderin», so die 56-Jährige bescheiden.

Trio-Tage im Neubad

Konzert des Trio Süd: Samstag, 23. Februar, 20.30 Uhr, Pool Neubad. Die Trio-Tage finden vom 21. bis 23. Februar statt. Das Festival setzt eine gute Portion Neugier und Mut voraus. Es treten neun Schweizer und zwei internationale Trios auf von Pop bis Experimental und Elektronik. Das wären etwa am Donnerstag East Sister, am Freitag Yser oder Edward Bloom, am Samstag das Trio Süd um Marie-Cécile Reber oder Loher-Troller-Sartorius.

Aber in Luzern war sie mit dieser Musik damals noch ziemlich alleine. «Es war noch nicht so akzeptiert, was ich machte», sagt sie. Das sei doch keine Musik, hörte sie immer wieder. Also zog es sie für das Studium nach Basel, besuchte sie die USA oder London, wo man viel offener gegenüber neuen Musikformen war. London sei eine Hochburg, davon zeugt der öffentliche Rundfunk BBC, der die grösste Geräuschsammlung pflegt und diese kürzlich digital zugänglich gemacht hat.

Stadtlärm oder Komposition?

Kürzlich kehrte sie für einen halbjährigen Atelieraufenthalt zurück nach London. Da hatte sie das Aufnahmegerät stets dabei. «Ich hatte viel Zeit und spontan aufgenommen», sagt sie. So wie andere fotografieren, fängt sie die Sounds der Stadt ein.

Soundbeispiel aus London:

In den 90ern hatte sie bereits Madrid «aufgenommen» – Strassen, Menschen, Stimmen in Beizen. «Es ist unglaublich: Wenn ich das heute höre, erinnere ich mich sofort an die Atmosphäre, allein aufgrund der Töne», sagt sie.

Neues fixes Trio?

Zurück zum neuen Trio Süd mit seiner unüblichen Besetzung: Marie-Cécile Reber legt mit ihren Geräuschen die Atmosphäre, die Kulisse, den Soundteppich. Darauf können Violine und Schlagzeug reagieren und aufbauen. «Wir haben zwar ein festes Instrumentarium, aber das meiste ist Improvisation», sagt sie. «Dafür haben wir sehr intensiv geprobt.»

Sie habe sich für das neue Trio zwei Musikerinnen ausgewählt, mit denen sie noch nie spielte, die aber eine ähnliche musikalische Sprache hätten. Es könne gut sein, dass aus dem Auftritt ein regelmässiges, fixes Trio erwächst. «Auch wenn Liveauftritte nicht mein primäres Ziel sind», sagt sie.

Sie wird auch in Zukunft draussen sein. Stets mit offenem Ohr und auf der Suche nach neuen Sounds.

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2 Kommentare
  • Profilfoto von Frapedi
    Frapedi, 21.02.2019, 21:07 Uhr

    Hübsch auch folgende Fehlleistung: «Und als sie vor zwei Jahren mit Vögelgeräuschen arbeitete, tat sich eine neue Welt auf» Ein Schelm, wer Schlimmes dabei denkt………

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  • Profilfoto von Frapedi
    Frapedi, 21.02.2019, 20:52 Uhr

    Sie schreiben: » Ihr Instrument sind die Wespen und der Strassenlärm». Richtig wäre: «Ihre Instrumente sind Wespen u. lärmige Strassen.» Deutsches Schprack, schweres Schprack….

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