Partei lanciert drei Referenden gleichzeitig

Wieso die SVP in der Stadt Luzern plötzlich wieder erwacht

Die SVP mit Parteipräsident Dieter Haller (zweiter von rechts) reicht zusammen mit den Jungfreisinnigen die Unterschriften gegen das Budget 2019 ein.

(Bild: zvg)

Die SVP hält die Stadt Luzern derzeit gleich mit drei Referenden auf Trab. Dies nachdem die Partei in der bisherigen Legislatur kaum grosse Sprünge machte. Haben die Wahlen den Motor wieder zum Laufen gebracht?

Die Stimmbürger der Stadt Luzern haben ein strenges Jahr vor sich. Nicht nur stehen im Frühling und Herbst kantonale und nationale Wahlen an. Auch viele Sachgeschäfte gelangen an die Urne.

Mitverantwortlich dafür ist die SVP, die gleich zu drei Beschlüssen eine Volksabstimmung verlangt. Erst kürzlich hat sie erfolgreich die nötigen Unterschriften gegen das Budget 2019 eingereicht. Zudem hat sie das Referendum gegen den Velotunnel am Bahnhof sowie gegen die Velostation an der Bahnhofstrasse ergriffen (zentralplus berichtete). Mit der Folge, dass die Stadt zurzeit einen budgetlosen Zustand erlebt und die zwei Veloprojekte auf Eis liegen.

Dass eine einzelne Partei gleichzeitig drei Referenden lanciert, kommt selten vor. Ein Blick zurück zeigt: In den letzten zehn Jahren sind insgesamt nur acht Referenden an die Urne gekommen. Der grösste Teil davon scheiterte, so zum Beispiel auch der Widerstand gegen die Budgets 2012 und 2016 (siehe Grafik).

Aussergewöhnlich ist die aktuelle Situation auch angesichts der Aktivitäten der Partei. Nach den Wahlen 2016, als die Linke mit der GLP zusammen eine Mehrheit im Stadtparlament errang, schien die Partei vorübergehend in eine politische Lethargie verfallen zu sein. Während die neue Öko-Allianz das Geschehen prägte, reichte die SVP in den ersten anderthalb Jahren der Legislatur geade mal vier Vorstösse ein.

Unzufrieden mit der Finanzpolitik

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage: Wie kommt es jetzt zu dieser geballten Offensive? Parteipräsident Dieter Haller begründet die Referenden in erster Linie mit der Unzufriedenheit über die Finanzpolitik. Das Budget bekämpft die SVP, nachdem sie im Parlament erfolglos eine Steuersenkung verlangt hatte. Bei der Velostation und dem Velotunnel missfällt der Partei, dass die Stadt «mit beiden Händen Geld aus dem Fenster wirft», wie Haller sagt.

«Die aktuelle Häufung führe ich auf einen gewissen Frust zurück.»

Louis von Mandach, GLP-Präsident

Das Referendum mündet, wenn die nötigen 800 Unterschriften zusammenkommen, in einer Volksabstimmung. Und generiert damit Aufmerksamkeit. Dass es der Partei in erster Linie um Wählerfang geht – in sechs Wochen sind kantonale Wahlen, 2020 städtische Wahlen –, streitet Haller aber ab. «Wer meint, nach den Wahlen verzichte die SVP wieder auf Referenden, irrt sich.»

Auch der Wechsel an der Parteispitze sei nicht prioritär für die Häufung verantwortlich. «Wäre ich noch Parteipräsident, hätte ich es genau gleich gemacht», sagt Peter With, der die städtische SVP bis letzten Frühling führte. Das Budgetreferendum resultiere aus einem Beschluss der Mitgliederversammlung. Und gegen den Velotunnel habe die SVP bereits vor anderthalb Jahren das Referendum angekündigt. Dass man deshalb auch die Velostation unter der Bahnhofstrasse bekämpfen müsse, liege auf der Hand. «Dass jetzt alles gleichzeitig aktuell wird, ist eher ein Zufall.»

Nur eines fand eine Mehrheit: Die (fakultativen und konstruktiven) Referenden der letzten zehn Jahre in der Stadt Luzern (mehr durch Klicken auf Symbole):

Das kaufen der SVP indes nicht alle ab. Bei den politischen Kontrahenten vermutet man durchaus wahltaktische Gründe hinter der Offensive. Die Häufung von Referenden direkt vor den Wahlen deute auf Wahlkampf hin, sagt etwa SP-Präsident Claudio Soldati. Das findet er aber legitim.

GLP-Präsident Louis von Mandach nennt darüber hinaus einen weiteren Grund: «Die aktuelle Häufung führe ich auf einen gewissen Frust zurück, weil das Stadtluzerner Parlament nicht mehr ganz so konservativ tickt wie früher.»

Oppositionspolitik im Blut

In der Tat dürfte es kein Zufall sein, dass der Widerstand gegen die städtische Politik von rechter Seite kommt. «Als Oppositionspartei ist das für uns die einzige Möglichkeit, um die unsinnigen Beschlüsse der Stadt Luzern zu bekämpfen», begründet Parteipräsident Dieter Haller. Weder im Parlament noch im Stadtrat hat die Partei den gewünschten Einfluss. Er sagt sogar: «Ich bin erstaunt, dass andere bürgerliche Parteien das Instrument des Referendums nicht viel öfter nutzen.»

FDP-Präsident Fabian Reinhard gibt Haller ein Stück weit Recht. «Die SVP hat die Oppositionspolitik quasi im Blut. Wir hingegen waren immer eine staatstragende Partei und sind uns den Oppositionsmodus weniger gewöhnt.» Die CVP ihrerseits erwägt ein Referendum in erster Linie dann, wenn ein Geschäft für die Entwicklung der Stadt sehr wichtig ist und ein Entscheid im Parlament dazu sehr knapp ausfällt, wie Parteipräsidentin Andrea Gmür sagt. In der jüngsten Vergangenheit etwa beim Parking Musegg.

«Es ist grundsätzlich nicht mein Ziel, jeden Monat ein neues Referendum zu lancieren.»

Dieter Haller, SVP-Präsident

Auch beim Energiereglement agierten die Bürgerlichen letzten Herbst gemeinsam. Dass die SVP nun den Alleingang wählt, hat zum einen mit der CVP zu tun. Die Partei hat sich kürzlich gegen eine Listenverbindung mit FDP und SVP für die Wahlen Ende März ausgesprochen. Für Dieter Haller ein Indiz, dass auf die CVP im Hinblick auf einen «bürgerlichen Schulterschluss keinen Verlass» ist. Zum anderen ist die Kompromissbereitschaft der SVP geschwunden: Nach der Niederlage beim Energiereglement wolle man die Anliegen lieber nach eigenem Gutdünken formulieren, so Haller.

Keine Angst vor dem Scheitern

Ob die SVP das angeschlagene Tempo weiterzieht, ist noch offen. «Es ist grundsätzlich nicht mein Ziel, jeden Monat ein neues Referendum zu lancieren», sagt Haller schmunzelnd. «Aber wenn die Stadtluzerner Politik so weitermacht, bleibt uns nichts anderes übrig.» Daran werde auch eine allfällige Serie von Niederlagen an der Urne nichts ändern, sagt Haller.

Von einem Imageschaden hat auch Peter With keine Angst. «Wir versuchen die Stimmbürger zu überzeugen, was immer schwierig ist. Aber wir haben bei diesen drei Geschäften gute Chancen.»

«Das Referendum sollte die Mehrheit zwingen, die Minderheit stärker zu berücksichtigen.»

Fabian Reinhard, FDP-Präsident

Wenn man auf die Abstimmungen der letzten Jahre blickt, zeigt sich allerdings, dass Referenden in der Regel einen schweren Stand haben. «Ich bin überzeugt, dass die SVP mit sämtlichen Referenden scheitern wird», sagt auch SP-Präsident Claudio Soldati. Die Stadtbevölkerung wolle sowohl stabile Finanzen als auch eine fortschrittliche Verkehrspolitik – das habe sie in der Vergangenheit an der Urne mehrmals deutlich gemacht.

Sieg oder Niederlage, das ist bei Abstimmungen naturgemäss die zentrale Frage. Fabian Reinhard erhofft sich von den Referenden aber auch einen Effekt, der über die einzelnen Vorlagen hinausgeht. «Wir haben derzeit sehr knappe Verhältnisse im Parlament», sagt der FDP-Präsident. «Das Referendum sollte die Mehrheit zwingen, die Minderheit stärker zu berücksichtigen, im Bewusstsein, dass ein Geschäft womöglich noch eine Abstimmung überstehen muss.»

Wie hoch soll die Hürde sein?

In der Stadt Luzern braucht es 800 gültige Unterschriften, um ein fakultatives Referendum zu stemmen. Die SVP hat gemäss eigenen Aussagen keine Mühe, diese Zahl zustande zu bringen – weder beim Budget noch beim Velotunnel oder dem Veloparkhaus.

Ein Blick in andere Städte zeigt, dass die Hürde in Luzern vergleichsweise tief ist. So braucht es in St. Gallen zum Beispiel 1’000 Unterschriften, in Biel gar über 1’500, obwohl beide Städte kleiner sind als Luzern. Auch in Bern liegt die Latte bei 1’500 Unterschriften. Von den Städten mit ähnlicher Grösse braucht man nur in Winterthur mit 500 Stimmberechtigten weniger Unterschriften als in Luzern, um eine Volksabstimmung gegen einen Beschluss zu ermöglichen.

Demokratische Instrumente nicht einschränken

Trotzdem ist es in der Stadt Luzern kein Thema, an der Schwelle zu schrauben. «Ein Referendum sollte auch für kleine Parteien machbar sein», findet SVP-Präsident Dieter Haller. Einer Erhöhung der Unterschriftenzahl für Referenden und Initiativen steht auch die SP sehr kritisch gegenüber. «Direktdemokratische Instrumente darf man nicht leichtfertig einschränken. Viel besser ist, wenn die Bevölkerung der SVP an der Urne jeweils die Leviten liest», sagt SP-Präsident Claudio Soldati angriffslustig.

Auch GLP-Präsident Louis von Mandach betont die Bedeutung der politischen Teilhabe der Bevölkerung und findet nicht, dass es in den letzten Jahren zu viele kommunale Abstimmungen gab. «Trotzdem sollten die im Parlament vertretenen Parteien ihre Politik auch dort betreiben. Aber die SVP investiert wohl lieber in den Wahlkampf als in parlamentarische Zusammenarbeit.»

CVP-Präsidentin Andrea Gmür ortet zurzeit ebenfalls keinen Handlungsbedarf, versteht aber bei steigender Anzahl stimmberechtigter Personen, dass darüber von Zeit zu Zeit eine Debatte entbrennt. Ähnlich äussert sich Fabian Reinhard (FDP). «Wichtig ist allerdings, dass man diese Diskussion unabhängig von der politischen Färbung und den aktuellen Mehrheiten führt.»

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1 Kommentar
  • Profilfoto von lulu
    lulu, 15.02.2019, 16:47 Uhr

    Zur Bildlegende: Bedeutet «zweiter von rechts» «links»? Wäre aber im Zusammenhang mit der SVP etwas übertrieben ….

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