900 Personen ziehen in neues Krienser Quartier

Nidfeld-Überbauung: Wie das Zusammenleben hier funktionieren soll

Die geplante Nidfeld-Überbauung in Kriens bildet einen eigenen Mikrokosmos. In wenigen Jahren sollen 900 Menschen das einstige Pilatusmarkt-Areal mit Leben füllen. Neben einem 60-Meter-Hochhaus umfasst die Planung auch eine Mini-Facebook fürs Quartier. Wie das Zusammenleben hier dereinst funktionieren soll, erklärt eine Expertin.

In Luzern Süd schiessen die Neubauten in die Höhe. In den nächsten 20 Jahren verdoppeln sich hier im Süden, zwischen Horw, Luzern und Kriens Einwohnerzahl und Arbeitsplätze und nehmen um je bis zu 15’000 Menschen zu – das ist doppelt so viel wie heute (zentralplus berichtete). Alleine auf dem Nidfeld-Areal auf dem Gebiet des einstigen Pilatusmarkts in Kriens sollen 445 neue Wohnungen entstehen. Es ist ein eigener kleiner Kosmos, könnte man fast meinen, der da entsteht.

Denn es wird nicht nur gewohnt. Zahlreiche Gewerbeflächen eignen sich beispielsweise für eine Vinothek, ein Café, einen Coiffeurladen oder eine Bäckerei. Auch mit dem Betreiber eines Wellnesstempels wird geliebäugelt. 900 Bewohner füllen dereinst das Nidfeld-Areal mit Leben. Doch für diejenigen, die nicht gerne anonym leben: Wie kann das Zusammenleben gefördert werden? Und: Kapselt sich die neue Überbauung nicht von Luzern Süd ab?

Singles und Senioren zugleich

«Die Herausforderung besteht sicher darin, dass das Areal nicht isoliert vom Umfeld bleibt, sondern anschlussfähig an benachbarte Quartiere und Nahzentren ist», sagt Bea Durrer vom Institut für Soziokulturelle Entwicklung der Hochschule Luzern – Soziale Arbeit. Geteilte Zwischenräume, neue Freiräume und Treffpunkte würden dazu beitragen, dass nicht nur das Nidfeld-Areal, sondern Luzern Süd als Gesamtes als ein Wohn- und Lebensort mit hoher Lebensqualität wahrgenommen werde.

Ob dies gelingt, wird sich wohl erst zeigen, wenn die Bauten bewohnt werden. Denn welche Bedürfnisse die künftigen Bewohner haben, lässt sich nicht voraussehen. Noch schwieriger dürfte es zudem werden, weil die Projektleiter des Bauunternehmens Losinger Marazzi ein urbanes, durchmischtes Publikum gewinnen möchten.

«Die Herausforderung besteht sicher darin, dass das Areal nicht isoliert vom Umfeld bleibt.»

Bea Durrer, Institut für Soziokulturelle Entwicklung Hochschule Luzern

«Die individuellen Wohnungstypen sollen sowohl Singles, ‹DINKS› (Double Income No Kids), aber auch Familien und ‹Silver Ager› (Ü50) ansprechen», klingt es auf Seiten des Bauunternehmens. «Eine durchmischte Bewohnerschaft erachten wir als wichtige Voraussetzung für ein lebendiges Quartier», so Manuel Schneider, Niederlassungsleiter Luzern bei Losinger Marazzi.

«Für unterschiedliche Anspruchsgruppen je stimmige Angebote zu schaffen, ist ein anspruchsvolles Ziel», sagt Bea Durrer. Umso wichtiger seien deshalb private und halböffentliche Rückzugsorte. Aber auch öffentliche Frei- und Begegnungsräume, also Orte, an denen Interaktionen stattfinden. Auf dem Nidfeld-Areal soll insbesondere auf dem Nordplatz vor dem Hochhaus gegenüber der Musikhochschule ein belebter Stadtplatz entstehen – auf dem Veranstaltungen und Quartierfeste stattfinden. Zudem wird sich eine Spielfläche auf über 5’000 Quadratmetern erstrecken.

Quartier-App geplant

Der Bauboom stösst in der Bevölkerung auf Skepsis. Nicht zuletzt aufgrund des geplanten 60-Meter-Hochhauses (zentralplus berichtete). Bewohner vor Ort sollten mitreden dürfen und das Areal mitgestalten, lautet der Tenor der Expertin. Dass sich die Bewohner als gemeinsames Quartier betrachten. sei auch für das Engagement der Einzelnen ausschlaggebend. Und dies kommt nicht von alleine: «Damit Engagement entstehen kann, braucht es mindestens zu Beginn eine Aktivierung, beispielsweise durch Veranstaltungen», so Durrer.

Damit soziale Netze entstehen können, wollen die Projektleiter gleich nachdoppeln. Eine Quartier-App soll den Kontakt untereinander fördern, um sich auch im «richtigen» Leben zu treffen. Quasi eine Art Facebook in Minivariante für ein Quartier. Mithilfe der App können sich Bewohner spontan auf einen Kaffee treffen, aber auch Fahrgemeinschaften bilden. Zugleich funktioniert die App als Tauschbörse – auch Gegenstände wie ein Bohrer oder ein Küchengerät können so einem hilfesuchenden Nachbarn geliehen werden.

Abkapseln vom Rundherum?

Gewohnt wird auf dem künftigen Nidfeld-Areal direkt an der Autobahn A2. Deswegen sollen die Gebäude so gebaut werden, dass sie die Umgebung quasi ausblenden und sich nach innen orientieren. Dies schafft zwar eine Art geschützten Raum und Identifikation für die Bewohner. Doch besteht dadurch nicht die Gefahr, sich von den umliegenden Quartieren abzukapseln?

Am Institut für Soziokulturelle Entwicklung (ISE) wird betont, dass es wichtig sei, Zugänge und Durchgänge zwischen den neuen Überbauungen in Luzern Süd zu realisieren. Die Projektleiter planen entlang der Autobahn einen Park mit Naturräumen, Vitaparcours, Frisbee-Golf und Boccia-Feld. In den Augen des ISE eine gute Lösung: Die Gestaltung des neuen Parks als Erholungsraum und Puffer zur Autobahn könne zukünftig eine grosse Chance für das Stadtquartier bieten.

Bereits in der Planungsphase sollen involvierte Akteure gemeinsam überlegen, wo Öffnungen sinnvoll sind und welche Angebote das Zusammenleben und den Austausch in Luzern Süd fördern. «Dies wird auch gemacht, bleibt aber eine Daueraufgabe im Entwicklungsprozess des Gebietes», so Durrer.

Bewohner sollen mitsprechen

Auch nachdem die Bewohner in die Siedlung eingezogen sind, sollten sie bei der Gestaltung des Aussenraums sowie von allfälligen gemeinschaftlich genutzten Räumen noch mitsprechen können, so Bea Durrer. «Es sollte nicht alles im Voraus bereits geplant und gestaltet sein», sagt Durrer.

«Eine gemeinsame Identität muss wachsen können.»

Bea Durrer

Damit sich die Bewohnenden mit der Siedlung identifizieren können, braucht es das Zusammenspiel vieler Faktoren. «Nötig sind Bau- und Raumkonzepte, die Rückzug und Gemeinsames ermöglichen und sich flexibel an die neuen Anforderungen anpassen. Denn Identifikation lässt sich nicht einfach herstellen», so Durrer. «Hier tragen die zuständigen Behörden, aber auch die Investoren eine Verantwortung dafür, dass auch die Bewohnerinnen und Bewohner der anliegenden Quartiere einen Mehrwert durch die Entwicklung um sie herum erhalten.»

Aussenräume, in denen sich Bewohner gerne aufhalten, sowie neue Angebote seien erst ein Startpunkt, um Identifikation zu erschaffen. Quartiertreffpunkte oder ein -zentrum zu etablieren, seien weitere gute Möglichkeiten. «Schlussendlich braucht es dafür auch Zeit. Eine gemeinsame Identität muss wachsen können», so Durrer.

Beatrice Durrer vom Institut for soziokulturelle Entwicklung der Hochschule Luzern.

Beatrice Durrer vom Institut for soziokulturelle Entwicklung der Hochschule Luzern.

(Bild: hslu.ch)

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