Bürgerliche desavouieren Regierung – Linke schäumt

Luzerner Konflikt um Steuerstrategie spitzt sich zu

Bewilligte Demo von Mittelschülern in Luzern. Es gab keine Probleme. Doch künftig schwebt über Demo-Organisatoren ein Damoklesschwert.

(Bild: zvg)

CVP, FDP und SVP fallen ihrer eigenen Regierung in den Rücken und streichen die geplante Erhöhung der Firmensteuern. Mit dem Kompromiss wird die Luzerner Tiefsteuerstrategie zementiert – die politische Linke wurde bei diesem Entscheid übergangen. Einmal mehr drohen Abbaupakete.

Die Bürgerlichen im Kanton Luzern lassen die Muskeln spielen. Der Vorschlag der Regierung, die Firmensteuern leicht zu erhöhen, fällt bei SVP, FDP und CVP durch. Zudem wollen die Bürgerlichen in einem gemeinsamen Kompromiss Reiche nur leicht stärker besteuern und die Erhöhung der Vermögenssteuern auf vier Jahre befristen (zentralplus berichtete). «Die vorgeschlagene Steuergesetzrevision 2020 riskiert, die bisherigen Investitionen in einen starken Wirtschaftsstandort aufs Spiel zu setzen», begründen die drei Parteien.

Mit dem Kompromiss zwischen den drei grössten Fraktionen steht einer parlamentarischen Mehrheit für die Steuergesetzrevision sowie der Aufgaben- und Finanzreform nichts mehr im Weg. Auch das vom Gewerbeverband und der SVP angedrohte Referendum ist vom Tisch. Die kurzfristige finanzpolitische Zukunft scheint angesichts der deutlichen Mehrheit der Bürgerlichen im Kantonsrat vorgezeichnet. 

«Die nächsten Abbaupakete drohen möglicherweise bereits.»

Jörg Meyer, SP-Kantonsrat

Nur: Diese Mehrheit spielte auch bei der Zwangsferienwoche, dem Abbau bei der Prämienverbilligung oder der Erhöhung der Arbeitszeiten für Kantonsangestellte eine Rolle. Diese Politik rief die Schülerproteste hervor oder veranlasste eine Gruppe dazu, einen Dokumentarfilm über die Luzerner Finanzpolitik zu initiieren.  

SP befürchtet Abbaupakete

Dementsprechend harsch wird auch der aktuelle Entscheid kritisiert. Der Gewerkschaftsbund kommentiert, die Bürgerlichen befänden sich «in Geiselhaft des Gewerbeverbands». Sowieso wird die politische Linke beim Kompromiss gänzlich aussen vor gelassen – ganz zum Ärger der SP. Regierungsratskandidat Jörg Meyer sagt: «Die Steuergesetzrevision wird unhaltbar verwässert.» 

In der Konsequenz würden im Budget 2020 bereits heute 11,7 Millionen Franken fehlen. Im Aufgaben- und Finanzplan (AFP) für die Jahre 2020–2023 über 45 Millionen Franken. Angesichts der Finanzlage des Kantons und der Abbaupakete in den letzten Jahren sei dies verantwortungslos. «Die nächsten Abbaupakete drohen möglicherweise bereits», ist Jörg Meyer besorgt.

«Es ist an der Zeit, dass auch die Profiteure der Tiefsteuerstrategie ihren Beitrag leisten.»

Monique Frey, Fraktionschefin Grüne

«Die Bürgerlichen fallen der eigenen Regierung in den Rücken. Sie werden unglaubwürdig», fasst der Adligenswiler Kantonsrat zusammen. Dass sich der Konflikt um die Steuerstrategie zuspitzt, sei nicht die zentrale Frage, glaubt Meyer. «Viel entscheidender ist, zu diskutieren, welche Funktionen und Aufgaben der Kanton hat.» Er verlangt eine Diskussion über Leistungen. In seinen Worten schwingt Frust mit: «Das bürgerliche Muskelspiel wird auf linker Seite noch zu vielen Diskussionen führen.» 

Grüne wollen Firmen in die Pflicht nehmen

Die Grünen waren nicht einmal in die Diskussion involviert, da sie keinen Einsitz in die Kommission Wirtschaft und Abgaben (WAK) haben. Fraktionschefin Monique Frey erklärt, dass der Finanzplan mit dem Entscheid bereits zur Makulatur verkommen sei. «Die Finanzpolitik ist eine Misere. Die Bürgerlichen schauen nur für ihre Klientel», sagt sie. Sie findet es unverantwortlich, wie man mit offenen Augen ins nächste Schlamassel laufe. Schliesslich würde im Budget fürs nächste Jahr bereits ein Loch klaffen. 

Die Grünen klären derzeit ab, ob sie allenfalls ein Referendum gegen die Steuergesetzrevision ergreifen wollen. «Fakt ist: Nur noch neun Prozent der gesamten Steuereinnahmen werden von Firmen beigesteuert», moniert Frey. Die Lohnempfänger würden überproportional bezahlen. «Der Staat trägt viele Lasten und sorgt damit für gute Rahmenbedingungen. Es ist an der Zeit, dass auch die Profiteure der Tiefsteuerstrategie ihren Beitrag leisten.»

CVP: Tiefe Firmensteuern fördern Image

Der Vorwurf der Unglaubwürdigkeit zielt insbesondere auf die CVP. Sie hatte mit einer Motion die «Feinjustierung der Steuerstrategie» angeregt. Fraktionschef Ludwig Peyer lässt die Kritik aber nicht auf seiner Partei sitzen: «Unser Ziel war, eine Diskussion ohne Tabus zu führen. Dazu gehören auch die Firmensteuern. Wir haben jedoch nie deren Erhöhung gefordert.» Nun lässt die bürgerliche Mehrheit genau diese Erhöhung fallen. «Letztlich ging es in diesem Kompromiss darum, die Geschäfte in sichere Bahnen zu lenken», sagt Peyer. «Die Gewinnsteuern haben für Neuansiedlungen, also für das Image, eine hohe Bedeutung, der monetäre Gewinn wäre nur gering gewesen.» Peyer spricht von einem «pragmatischen» Entscheid. 

«Die Fronten in der Finanzpolitik werden sich daher eher noch akzentuieren.»

Ludwig Peyer, CVP-Fraktionschef

Mit der Befristung der erhöhten Vermögenssteuern hat man laut Peyer für eine überschaubare Periode eine Lösung gefunden. Was nachher passiert, bleibe offen, da sei nichts in Stein gemeisselt. «Wer weiss schon um die finanzielle Situation des Kantons im Jahr 2024?», fragt er. Dass die politische Linke daran keine Freude habe, kann der CVP-Fraktionschef nachvollziehen. «Die Fronten in der Finanzpolitik werden sich daher eher noch akzentuieren», erklärt er.

Nicht gelten lässt er aber, dass sich die finanzielle Situation mit dem Entscheid arg zuspitzen würde. Es könne davon ausgegangen werden, dass der Rechnungsabschluss 2018 besser ausfalle als budgetiert, zudem erhält der Kanton zusätzliche 30 Millionen von der Schweizerischen Nationalbank (zentralplus berichtete). Wegen des grösseren Spielraums bei der Schuldenbremse könne man ein Sparpaket für 2020 ausschliessen. «Ein solches würde von unserer Fraktion denn auch nicht goutiert», verspricht Peyer.

Am Schluss gehe es etwa um zehn bis zwölf Millionen Mindereinnahmen. Dafür werde man bei einem Haushalt von 3,8 Milliarden Franken eine Lösung finden, erklärt Peyer. Konkreter wird er nicht.

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