Luzerner Ex-Stapi zieht sich aus Politik zurück

Stefan Roth: «Unvergesslich bleibt das parlamentarische Fussballturnier»

Der Luzerner CVP-Politiker Stefan Roth verabschiedet sich von der politischen Bühne. 

(Bild: les)

Der ehemalige Luzerner Stadtpräsident Stefan Roth hat genug. Im Frühling wird sich der 58-Jährige Littauer aus der Politik zurückziehen. Im Interview spricht er über seine Doppelrolle, die tragisch endete, und davon, wie die Stadt mehr Einfluss auf den Kanton nehmen könnte.

6. Juni 2016: Der Luzerner Kantonsrat trifft sich zu seiner Junisession. Stefan Roth, CVP-Kantonsrat aus der Stadt Luzern, betritt den Saal und zieht alle Blicke auf sich. Roth erscheint ohne Krawatte. Er macht einen betrübten Eindruck.

Einen Tag zuvor hat Roth seine bitterste politische Niederlage einstecken müssen. Nach dem zweiten Wahlgang war klar, dass er das Stadtpräsidium nach vier Jahren an Beat Züsli (SP) verliert. Als Stadtrat schaffte er die Wiederwahl zwar, kurze Zeit später warf er jedoch das Handtuch und ist seither politisch nur noch als Kantonsrat aktiv. Beruflich trat er im Januar 2017 als Geschäftsführer des Trainingszentrums für Spitzenathleten OYM in Cham eine neue Stelle an. In diesem Frühling wird seine politische Karriere definitiv enden (zentralplus berichtete).

zentralplus: Stefan Roth, was gibt den Ausschlag für Ihren Rückzug aus der Politik?

Stefan Roth: Es sind in erster Linie persönliche Gründe. Ich möchte mehr Zeit mit meiner Familie verbringen. Zu kurz kam auch der Sport. Zudem: Ich war jetzt zwölf Jahre Kantonsrat. Es war eine spannende, herausfordernde und intensive Zeit – ich habe die politische Arbeit stets gerne gemacht. Insbesondere schärfte es auch die unterschiedliche Sichtweise und somit das Verständnis für Stadt und Land. Nun ist der Zeitpunkt gekommen, neuen Kräften Platz zu machen.

zentralplus: Die Stadt und der Kanton Luzern liegen sich teilweise arg in den Haaren. Wie sahen Sie als Städter im Kantonsrat Ihre Rolle in diesen Konflikten?

Roth: Als Stadtrat und als Stadtpräsident war mir einerseits der bilaterale direkte Austausch mit den Regierungsräten wichtig, andererseits auch der institutionalisierte Weg mit den regelmässigen Treffen zwischen dem Stadtrat und dem Regierungsrat. Ich bin aber überzeugt, dass insbesondere die auch heute stattfindenden persönlichen wiederkehrenden Treffen zwischen Exekutivmitgliedern die notwendige Vertrauensbasis schaffen. Dies gerade eben ohne Traktandenliste und Protokollführung.

zentralplus: Können Sie das erklären?

Roth: Diese politische Arbeit ist stets zeitaufwendig, unspektakulär für Aussenstehende, nicht verwendbar für eine parlamentarische Diskussion, ermöglicht jedoch die Darlegung der speziellen Ausgangslage der Stadt Luzern in vielen Themenbereichen über alle Direktionen und Departemente hinweg. Dabei war es mir jeweils wichtig, nicht einfach nur Maximalforderungen zu stellen oder als Bittsteller aufzutreten, sondern sachlich, faktengebunden und mit der notwendigen Portion Geduld, Humor und Hartnäckigkeit auf die Situation der Stadt Luzern hinzuweisen. Dabei galt es aber auch, die Sichtweise des Kantons gut nachvollziehen zu können.

«Ich bedauere nach wie vor, dass das städtische Parlament beschloss, aus dem VLG auszutreten.»

zentralplus: Wie hat sich Ihre Arbeit im Kantonsrat verändert, seit Sie nicht mehr im Stadtrat sind?

Roth: Seit meinem Rücktritt als Stadtrat engagierte und engagiere ich mich voll und ganz für den Kanton Luzern und meinen Wahlkreis Stadt Luzern. Die politische Arbeit hat sich nicht verändert. Aber die Themenbewirtschaftung hat sich verschoben. Es war klar, dass mit der Doppelfunktion Exekutivmitglied und Kantonsrat dannzumal auch im Stadtrat über Kantonsratsthemen diskutiert wurde. Ich konnte somit die Stimmungslage des Kantons direkt in die stadträtliche Diskussion einbringen.

zentralplus: Aktuell ist kein Stadtrat mehr im Kantonsrat. Finden Sie das geschickt?

Roth: Es gibt Gründe für und Gründe gegen ein Kantonsratsmandat als Exekutivpolitiker. Jeder und jede muss sich diesbezüglich eine eigene Meinung bilden können. Für mich persönlich überwogen die Vorteile. Man war nah am Geschehen und es gab Gelegenheit, die Sichtweise der Stadt Luzern an verschiedenen Orten wie Kommission, Fraktion oder Parlament direkt einzubringen.

zentralplus: Wo lag die Schwierigkeit?

Roth: Klar musste ich mit meiner persönlichen Meinung teilweise zurückhaltend umgehen auch im Wissen, dass die Exekutive oder Fraktion einen anderen Blickwinkel einnimmt. Diese Gratwanderung nimmt einem niemand ab! Zu Ihrer vorherigen Frage: Es gibt notabene andere Gelegenheiten, sich einzubringen. Ich bedaure nach wie vor, dass das städtische Parlament beschloss, aus dem Verband Luzerner Gemeinden (VLG) auszutreten. Ich setzte mich auch dafür ein, dass die Zusammenarbeit mit den Agglomerationsgemeinden funktionierte. Eine Notwendigkeit, dass Stadträte im Kantonsrat sitzen, besteht aber sicher nicht.

Amtsübergabe im Stadthaus: Stefan Roth (rechts) übergibt 2016 sein Büro an seinen Nachfolger Beat Züsli (links).

Amtsübergabe im Stadthaus: Stefan Roth (rechts) übergibt 2016 sein Büro an seinen Nachfolger Beat Züsli (links).

(Bild: jal)

zentralplus: Ihre Parteikollegin und Nachfolgerin als Finanzdirektorin, Franziska Bitzi Staub, kämpft aktuell gegen die Aufgaben- und Finanzreform 18 (AFR18). Könnte Sie mehr erreichen, falls Sie im Kantonsrat sitzen würde? 

Roth: Franziska Bitzi hat gut aufgezeigt, dass die Stadt Luzern bei der AFR18 speziell betroffen ist. Man kann auch vieles auf dem bilateralen Weg machen. Das Problem bei diesem Geschäft ist nicht, dass niemand aus dem Stadtrat im Kantonsrat sitzt. Der Austritt aus dem Verband der Luzerner Gemeinden ist ein Knackpunkt. So hat man rechtzeitig Einfluss auf wichtige Gremien verloren. Und der VLG ist nun einmal der Ansprechpartner für die Regierung, wenn es um Themen geht, welche die Gemeinden betreffen.

zentralplus: Ein weiteres heisses Eisen ist die Spange Nord. Sie sind Mitglied der kantonsrätlichen Verkehrskommission (VBK). Was ist Ihre Meinung zum Projekt?

Roth: Ich setzte mich dafür ein, dass man die Direktbetroffenen in den Prozess involviert. Mann muss sie zu Beteiligten machen. Zusätzliche Untertunnelungen sind zu prüfen und die Ausgangslage offen auf den Tisch zu legen. Erst dann kann innerhalb der politischen Gremien entschieden werden. Die VBK hat zielführend gehandelt – man ist auf dem richtigen Weg.

zentralplus: Was werden Sie am Kantonsrat vermissen?

Roth: Es sind Freundschaften entstanden. Unvergesslich bleibt das parlamentarische Fussballturnier in Nyon, das wir Luzerner gewinnen konnten. Parteiübergreifend hatten wir eine tolle Zeit und bei zahlreichen Spielen konnten wir uns im Anschluss ohne politische Streitereien ein Bier gönnen.

zentralplus: Gibt es etwas, das Sie überhaupt nicht vermissen werden?

Roth: Die zahlreichen Sitzungen und die langen Voten zu weniger interessanten Traktanden.

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