Bewohner sehen keine Alternative zur Soldatenstube

Luzerner «Eichwäldli» gilt nun offiziell als Besetzung

Die Bewohner fordern, dass das Haus saniert wird. Deshalb ist es ab sofort besetzt. 

 

(Bild: bic)

Die vereinbarte Schlüsselübergabe für das Eichwäldli ist wie erwartet gescheitert. Vielmehr zeigte sich, wie stark die Fronten verhärtet sind. Eine Alternative zum jetzigen Gebäude will das Kollektiv nicht akzeptieren. Trotzdem drückt die Stadt aufs Tempo.

Nun ist er gekommen, der 3. Januar, an welchem die Bewohner der alten Soldatenstube beim Luzerner Eichwäldli das Haus definitiv hätten verlassen sollen. Dass sie der Aufforderung nicht nachkommen würden, hatten sie am Dienstag jedoch offiziell verkündet (zentralplus berichtete).

So erstaunte es auch nicht, dass sich am Mittag und frühen Nachmittag gegen 50 Leute, darunter zahlreiche Kinder, zum täglichen gemeinsamen Mittagstisch versammelten. Die Botschaft, welche sie vermitteln wollten, war sofort klar: Die Eichwäldli-Familie hat fest vor, noch eine Weile zu bleiben.

Die Diskussion dreht sich im Kreis

Daran konnten auch die zwei Beamten der städtischen Baudirektion nichts ändern, die am Nachmittag wie vereinbart zur Schlüsselübergabe zum Eichwald kamen, um das Ende des Mietverhältnisses offiziell zu besiegeln. Dabei hatten die Beamten eine Einladung zu einem Gespräch mit Baudirektorin Manuela Jost sowie eine erneute schriftliche Aufforderung, das Gebäude umgehend zu verlassen.

«Wann wir die Angelegenheit im Stadtrat diskutieren, geben wir nicht bekannt.»

Manuela Jost, Baudirektorin Luzern

Doch anstatt die Türen bis auf Weiteres zu schliessen, mussten sich die beiden Herren vor einigen interessierten Zuhörerinnen auf eine Grundsatzdiskussion über Sinn und Unsinn der aktuellen Nutzung des Gebäudes einlassen. Wiederholt wiesen die Beamten in diesem Zuge darauf hin, dass es absolut unverantwortlich und fahrlässig sei, weiterhin im Haus zu bleiben.

Deutlich zeigte sich während des eigentlich nicht öffentlichen, kurzen Gesprächs in der Soldatenstube, dass man sich auf komplett unterschiedlichen Ebenen bewegt. Die Stadt richtet sich nach vorgegebenen rechtlichen Linien betreffend Sicherheit des Gebäudes, während die Eichwäldli-Familie auf der gesellschaftlichen Relevanz öffentlicher Gemeinschaftsprojekte beharrt, die auch von Verordnungen und Paragrafen nicht infrage gestellt werden dürften.

Nun ist das Haus besetzt

Weil die Bewohner weiterhin im Haus bleiben werden, handelt es sich im Eichwäldli seit Donnerstagnachmittag offiziell um eine Besetzung. Wie wird die Stadt also reagieren? Über den Umgang mit einer Besetzung kann Baudirektorin Manuela Jost nicht eigenmächtig entscheiden, wie sie auf Anfrage sagt. Es bedarf eines Beschlusses des Gesamtstadtrates.

Zu den weiteren Schritten kann sich Jost daher noch nicht konkret äussern. «Wann wir die Angelegenheit im Stadtrat diskutieren, geben wir nicht bekannt», erklärt Jost. Ob sie die Sache allenfalls als dringlich beantragen wird, um rasch einen Beschluss zu fassen, sagt sie nicht.

Marko Virant (links), Leiter Dienstabteilung Immobilien, im Gespräch mit Bewohnerinnen und Bewohnern des Eichwäldli.

Marko Virant (links), Leiter Dienstabteilung Immobilien, im Gespräch mit Bewohnerinnen und Bewohnern des Eichwäldli.

(Bild: bic)

Am Dienstag kommen die Handwerker

Dennoch will die Stadträtin aufs Tempo drücken. Vorgesehen ist, dass ab dem kommenden Dienstag die dringendsten Stabilisierungsmassnahmen am Haus in Angriff genommen werden. Dieses Datum ist schon seit Langem festgelegt.

«Ich gehe aktuell davon aus, dass wir diese Arbeiten ab nächster Woche durchführen können», sagt Jost. Von den Mietern habe sie jedenfalls Signale erhalten, dass man die Handwerker ungehindert ins Haus und ihre Arbeit verrichten lassen werde. Damit wäre laut Jost schon mal ein wichtiger, wenn auch nur kleiner Schritt gemacht. Vor Ort bestätigten die Eichwäldli-Bewohner, dass die Handwerker freies Geleit haben werden.

Bleiben dürfen die Bewohner aber auch nach den Arbeiten nicht. «Auch mit den baulichen Sofortmassnahmen können wir ausschliesslich eine niederschwellige Nutzung zulassen», stellt Stadträtin Jost klar. Das Haus könne nicht bewohnt werden, solange man nicht wisse, welche weiteren konkreten Massnahmen gemäss Sanierungskonzept umzusetzen seien. «Dieses sollte uns im Frühjahr vorliegen», sagt Jost.

Treffen am Freitagmorgen

Vor diesem Hintergrund sei die Schlüsselübergabe vom Donnerstag eigentlich nur eine wichtige Formalität zum Abschluss eines Mietverhältnisses gewesen, welche – wie bei jedem anderen Mietvertrag – gewahrt werden müsse, räumt Jost ein. Dass die Bewohnerinnen das Haus möglicherweise nicht wie vereinbart verlassen werden, war sich Jost bewusst, wie sie sagt.

Die nächste Runde erfolgt Morgen Freitag um 10 Uhr, wenn sich Vertreter des Eichwäldli mit Manuela Jost im Hotel «Anker» zum persönlichen Gespräch treffen. Die Bewohner haben am Donnerstag eine Einladung der Baudirektorin angenommen. Mit der Einladung reagiert Jost ihrerseits auf Terminvorschläge, die vom Kollektiv gemacht wurden. «Wir stehen schon länger in Kontakt mit den Bewohnern, um einen Gesprächstermin zu finden», sagt die Stadträtin.

Bewohner wollen Verbindlichkeit

Ob sich in der Causa etwas bewegen wird, darf zumindest bezweifelt werden. «Uns geht es darum, von der Stadt gewisse Verbindlichkeiten zu erhalten. Wir wollen den Willen spüren, dass man sich konstruktiv und lösungsorientiert mit unserer konkreten Situation und unseren Vorstellungen auseinandersetzt und uns nicht einfach sofort aus dem Haus haben will», bekräftigte ein Bewohner während des Gesprächs in der Soldatenstube die Haltung der Eichwäldli-Familie. Das sei bislang nicht der Fall gewesen, obwohl man einen breiten Spielraum für die Verhandlungen biete. Man sei ja auch bereit, einen finanziellen Beitrag zum Erhalt des Gebäudes zu leisten.

«Für uns Bewohner ist es zentral, die Sicherheit zu haben, dass das Eichwäldli in der heutigen Form oder zumindest auf ähnliche Art und Weise weiterhin betrieben werden kann», sagte eine andere Bewohnerin. Die weitere Nutzung führe ausschliesslich über dieses Haus. Deshalb suche man seit einem halben Jahr den Kontakt mit der Stadt, um über konkrete Projekte und die Möglichkeit von deren Umsetzung innerhalb des Gebäudes zu diskutieren.

«Denn sollte zum Beispiel die Quartierarbeit oder eine Institution, die von der Stadt eingesetzt wurde, ins Haus einziehen oder gar ein Neubau realisiert werden, so wäre diese an einen Leistungsauftrag gebunden und könnte das Haus in keiner Weise so beleben, wie es momentan der Fall ist», befürchtet er.

Ob sich das Beharren auf der Position für die Eichwäldli-Familie letztlich auszahlen wird oder ob es sogar eher kontraproduktiv ist, muss sich zeigen. Marko Virant, Leiter Dienststelle Immobilien bei der Stadt, zeigte sich von der Situation und dem bisherigen Verlauf der Diskussion vor Ort jedenfalls wenig angetan. 

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Urs Eggler
    Urs Eggler, 04.01.2019, 14:59 Uhr

    Auch bei dieser Hausbesetzung ist die Berichterstattung für mich nebulös, ich kann nicht beurteilen ob das an den Medien oder am Stadtrat liegt. Mich würde interessieren, ob die Bewohner bleiben dürften, falls das Haus nicht baufällig wär. In der LZ stand, dass die Bewohner den Kapitalismus überwinden wollen mit ihrer Wohnform. Meinen sie damit, auf Kosten von uns Steuerzahlern? Warum muss über das weitere Vorgehen der Gesamtstadtrat befinden, das kann doch Frau Jost sicher auch selber? Warum ist den Bewohnern nicht bewusst, dass es nicht an ihnen ist, Forderungen zu stellen? Warum gibt das jedes Mal so ein Spektakel, wenn ein Haus besetzt wird? Warum kann man nicht im Voraus klare, faire Spielregeln miteinander abmachen und diesen dann auch einhalten, nötigenfalls durchsetzen?

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