Zwei Frauen wollen die Kleinkunst beleben

Im Zuger Burgbachkeller beginnt eine neue Ära

Madeleine Flury (links), Giannina Masüger und der künftige Burgbachkeller-Hund Barack.

(Bild: jav)

Giannina Masüger und Madeleine Flury übernehmen die Leitung des Theaters im Burgbachkeller. Doch wer sind die beiden Frauen, die das historische Stadtzuger Kleinkunsttheater in einer Nacht-und-Nebel-Aktion eroberten?

Fast hätte das mit der Bewerbung nicht geklappt – wegen eines zu kleinen Briefschlitzes. Heute können Giannina Masüger und Madeleine Flury darüber lachen. Denn es hat geklappt. Sie übernehmen den Burgbachkeller in Zug. 25 Quadratmeter Bühne, 1968 eröffnet, rund 10 Angestellte, ein Zuschauerraum für 100 Gäste.

Madeleine Flury entdeckte die Ausschreibung Mitte Dezember 2017. «Ich wusste gleich, das ist der perfekte Job», sagt die 29-Jährige. Diesen jedoch alleine anzutreten, kam für sie nicht in Frage. «Diese grosse inhaltliche und strukturelle Verantwortung wollte ich teilen.» Und wer hätte dafür besser gepasst, als Giannina Masüger? Ab März teilen sich die beiden Frauen das 80-Prozent-Pensum in der Leitung des altehrwürdigen Theaterkellers.

Es sei ein Riesenglücksgriff gewesen, vor allem, was das Timing angehe, sagt Flury. Sie habe davor nicht wirklich gewusst, wo es hingehen soll. «Nun. Ich hatte das Studium in der Tasche, populäre Kulturen und Filmwissenschaften, aber was will man damit dann tatsächlich anfangen?», sagt sie und lacht. Masüger war vom Vorschlag, sich gemeinsam zu bewerben, zu Beginn völlig überrascht. Doch auch für sie kam er eigentlich zum perfekten Zeitpunkt. Eine Teilzeitfestanstellung sei für sie als Schauspielerin ideal, da die 35-Jährige mit Viviane Borsos als Duo Theater Saft auf den Kleinkunstbühnen unterwegs ist und zusätzlich als Trainerin im Kinderzirkus Grissini Zug aktiv ist.

In letzter Sekunde

Wir treffen uns unter dem Dach des Schwesternhauses in Baar. Hier veranstalten die beiden künftigen Leiterinnen des Burgbachkellers den vierten Kulturadventskalender und hier fühlen sie sich offensichtlich wie daheim. Fast unbemerkt haben beide die Schuhe ausgezogen und es sich auf dem weissen Sofa bequem gemacht. Masügers aufgedrehter französischer Wasserhund Barack legt sich neben die abgestreiften Schuhe.

In einer Nacht-und-Nebel-Aktion haben sich Flury und Masüger beworben. Ein grosser Aufwand, wenn zwei Bewerbungsdossiers mit einheitlichem Auftritt und passenden, sich ergänzenden Inhalten vorbereitet werden müssen. «Wir sind am 25. Dezember 2017 um 7 Uhr aufgestanden, um gemeinsam die Schreiben durchzugehen», sagt Masüger. Gedruckt wurde im Büro von Masügers Freund und in letzter Sekunde standen sie vor dem Briefkasten mit einem Couvert zu gross für den Briefkasten. Übergeben konnten sie es schliesslich doch.  

Darin die ausführlichen Informationen über die beiden Frauen: Die Zugerin Madeleine Flury beendet gerade ihr MAS in Kulturmanagement. Erste Berufserfahrung sammelte sie im Theater Casino Zug und anschliessend an der Jugendoper Winterthur. Seit vier Jahren ist sie im Luzerner Theater tätig. Giannina Masüger stammt urspünglich aus Finstersee, nennt sich heute jedoch eine «wahre Baarerin». Sie ist ausgebildete Schauspielerin und Tanzpädagogin und ist mit eigenen Produktionen auf den Kleinkunstbühnen unterwegs. Dies nun bloss die kurze Variante.

Der Burgbachkeller in Zug – bald Wirkungsstätte von Flury und Masüger.

Der Burgbachkeller in Zug – bald Wirkungsstätte von Flury und Masüger.

(Bild: zVg)

Zehn Jahre Vorlauf

Schon beim Vorbereiten der Bewerbungsunterlagen hätten die beiden gemerkt: «Wir wollen es unbedingt.» Das Zusammenstellen der Bewerbungsschreiben und die Ideen passten, ergänzten und bereicherten sich gegenseitig.

Kein Wunder. Kennengelernt haben sich Masüger und Flury vor über zehn Jahren beim «Ten Sing», einem Projekt für musik- und theaterbegeisterte Jugendliche. Während der Produktion des Berliner Erfolgsmusicals «Linie 1» lernten sie sich besser kennen, und schnell war klar: Sie ticken ähnlich. «Wir haben dieselbe Vorstellung von Theater, davon, was es auslösen soll, was es kann und was es darf», sagt Flury. Seither besuchen die beiden regelmässig gemeinsam Theatervorstellungen – was sich in der Zukunft noch um einiges intensivieren dürfte. Wenn sie für das Programm des Burgbachkellers auf die Suche gehen.

«Theater soll uns aus dem Alltag herausreissen und berühren.»
Giannina Masüger

Doch die beiden verbindet nicht nur Leidenschaft fürs Theater. Sogar die Wohnung und die 15-jährige Katze Tili teilen sie sich. Beziehungsweise Madeleine Flury übernahm beides von Giannina Masüger.

Mit System und mit Theater, das bewegt

Masüger sei die Spontane, mit Macherdrang und immer neuen Ideen, sagt Flury. «Sie ist ungeduldig und treibt einen an ­– das kann positiv wie auch negativ sein.» Die beiden lachen. «Madeleine ist die Planerin», so Masüger. Der Ruhepol, die Ordentliche. Sie hingegen sei der Chaot und müsse sich stets zurücknehmen, sich nicht zu sehr auszubreiten. Die beiden blicken in die Runde, auf die Taschen und Jacken, die im Dachstock des Schwesternhauses herumliegen.

Auch im Burgbachkeller wollen sich die beiden ausbreiten – jedoch mit mehr System. «Wir würden gerne etwas mehr Farbe reinbringen, so, dass das Theater auch ein bisschen unsere Persönlichkeit widerspiegelt», sagt Flury.

Zu sehr im Scheinwerferlicht stehen, das möchten die beiden mit ihrem neuen Job nicht. Sie seien froh, zu zweit das «Gesicht» des Theaters zu werden.

Die Ideen keimen

Etwas Zeit, um sich im Burgbachkeller einzuleben und in die neuen Rolle zu finden, bleibt den beiden. Erst die Spielzeit 2020/21 wird komplett von Flury und Masüger programmiert. Die erste Saison des neuen Duos wird zum grössten Teil noch Roland Schlumpf verantworten, der nach 23 Jahren in Pension geht und das Haus wohl wie kein anderer geprägt hat. Den Geist aus der Ära Schlumpf wollen die beiden mitnehmen und weiterhin auf eine persönliche, familiäre und niederschwellige Atmosphäre setzen.

«Wir sind nicht naiv. Natürlich wird es auch mal knallen.»
Madeleine Flury

Über konkrete Projekte im Burgbachkeller können Masüger und Flury noch nicht viel sagen. Erst im März wird die Arbeit richtig losgehen. Natürlich seien einige Ideen schon ausgesprochen, einen ganzen Haufen jedoch gilt es noch zu wälzen. Doch sicher ist, dass sie dem Kinder- und Jugendprogramm wieder mehr Gewicht verleihen wollen. Mit zusätzlichen Angeboten auch im Bereich Vermittlung, da sind sich die beiden einig.

Dass sie sich künftig oft auch nicht einig sein werden, bereitet ihnen keine Sorgen. «Wir sind nicht naiv. Natürlich wird es auch mal knallen», sagt Flury, doch sie seien beide nicht nachtragend und gut im Ausdiskutieren.

Mit Mut und Offenheit

Für die Zukunft wünschen sie sich, dass sich die Zuschauer mutig zeigen und Unbekanntes ausprobieren. Nicht nur zu den alten, grossen Namen pilgern. «Denn dafür sind wir da: Eine Vorauswahl zu treffen und grossartige neue Theater zu präsentieren.»

Theater müsse eigentlich vor allem bewegen findet Masüger. «Es soll neue Welten öffnen, uns aus dem Alltag herausreissen, Begegnungen schaffen und berühren.» Theater müsse Diskussionen und etwas im Zuschauer auslösen  – und das dürfe gerne auch negativ sein. «Ich sage am Ende lieber: ‹Was für ein Scheiss›, als dass bei mir einfach nichts passiert», ergänzt Flury und lacht.

Themen
Deine Ideefür das Community-Voting

Die Redaktion sichtet die Ideen regelmässig und erstellt daraus monatliche Votings. Mehr zu unseren Regeln, wenn du dich an unseren Redaktionstisch setzt.

Deine Meinung ist gefragt
Deine E-Mailadresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Bitte beachte unsere Netiquette.
Zeichenanzahl: 0 / 1500.


0 Kommentare
    Apple Store IconGoogle Play Store Icon