Zug: Stephan Schleiss übernimmt Landammann-Amt

«Wir werden eher ein Steakhouse besuchen als den Vegi-Laden»

Stephan Schleiss in seinem sehr aufgeräumten Regierungsratsbüro.

(Bild: wia)

Ab 1. Januar erhält der Zuger Regierungsrat einen neuen Chef. Nach Manuela Weichelt wird Stephan Schleiss das Amt des Landammanns übernehmen. zentralplus hat sich mit dem Bildungs- und Kulturdirektor getroffen und über neue Herausforderungen und seine Positionierung als SVP-Hardliner gesprochen.

Der Bildungs- und Kulturdirektor Stephan Schleiss beginnt bald seine dritte Legislatur in der Exekutive. Ab Januar gebührt ihm eine besondere Ehre. Turnusgemäss wird ihm das Zepter als Landammann für die kommenden zwei Jahre übergeben. Die entsprechende Feier findet diesen Freitag statt.

zentralplus: Herr Schleiss, steht Ihre Rede für diesen besonderen Anlass schon?

Stephan Schleiss: Im Entwurf. Offen gestanden mache ich mir bei einer solch wichtigen Rede etwas mehr Gedanken und nehme mir mehr Zeit als bei anderen Anlässen. Einerseits, weil mir das Publikum in diesem Fall näher ist, anderseits, weil es wohl eine gewisse Erwartungshaltung gibt.

zentralplus: Im Januar beginnen Sie Ihre dritte Legislatur. Sie kennen den Betrieb und Ihre Direktion mittlerweile gut. Freuen Sie sich daher, dass Sie mit dem neuen Amt als Vorsteher der Exekutive in einem Bereich dennoch Neuland betreten zu können?

Schleiss: Natürlich freue ich mich, gleichzeitig habe ich Erwartungen. Gegen innen geht es darum, die wöchentlichen, komplizierten Regierungsratssitzungen zu leiten – das stelle ich mir sehr streng vor. Als Sitzungsleiter brauche ich mindestens so lange für die Vorbereitung wie für die Sitzung selber. Da habe ich schon gewisse Ansprüche an mich. Und nicht nur ich. Das Kollegium ist darauf angewiesen, dass diese Sitzung so effizient wie möglich ist.

«Ich gehe davon aus, dass ich die Wochenenden als Vorbereitungszeit auf die Regierungsratssitzungen nutzen werde.»

zentralplus: Ihre Sitzungen dauern mindestens einen halben Tag. Sie haben die benötigte Vorbereitung bereits angesprochen. Wann nehmen Sie sich Zeit dafür?

Schleiss: Ich gehe davon aus, dass ich die Wochenenden als Vorbereitungszeit nutzen werde. Diese Zeit eignet sich besonders, da dann keine Telefonate und E-Mails reinkommen und ich allein im Büro bin.

zentralplus: Mit dem Amt als Landammann kommen für Sie neben der Sitzungsleitung noch weitere Aufgaben dazu.

Schleiss: Ja, gegen aussen habe ich eine repräsentative Funktion. Auf diesen Teil freue ich mich. Die vielen Begegnungen stelle ich mir spannend vor. Besonders freue ich mich darauf, Veranstaltungen zu besuchen, die sich ausserhalb meines üblichen Gebietes Bildung, Kultur und Sport abspielen.

zentralplus: Gerade dieser Teil erfordert jedoch auch sehr viel Zeit. Online kann man Ihre öffentliche Agenda einsehen. Bereits jetzt sind im Januar elf Abendtermine eingetragen, an denen Sie anzutreffen sind. Das ist sehr viel.

Schleiss: Wahrscheinlich sind da noch nicht alle Termine eingetragen. Trotzdem glaube ich nicht, dass es mehr Anlässe sein werden als bisher. Zum einen, weil ich das Amt für Sport abgebe, das nun zur Gesundheitsdirektion wechselt. Damit fallen einige Termine weg. Zum anderen ist es fast nicht möglich, noch häufiger unterwegs zu sein, als ich es jetzt schon bin.

«Die Verschiebung des Amts für Sport in die Gesundheitsdirektion spielt mir einige Ressourcen frei.»

zentralplus: Betreffend diese Änderung beim Sportamt: Sind Sie froh über die Abgabe oder bedauern Sie diesen Umstand?

Schleiss: Denkt nach. Ich hatte den Sport gern bei mir in der Direktion. Auch gab es viele natürliche Bezüge zum Thema Bildung, nicht zuletzt weil Sportanlagen häufig den Schulhäusern angegliedert sind. Auch den Kontakt mit den Sportvereinen habe ich geschätzt. Darum ist es natürlich mit einer gewissen Wehmut verbunden, dieses Amt zu verabschieden. Doch glaube ich, dass das Amt auch in der neuen Direktion gut funktionieren wird. Zudem spielt mir dieser Umstand einige Ressourcen frei.

zentralplus: Inwiefern müssen Sie sich auf den Job als Landammann vorbereiten?

Schleiss: Ich habe die rechtlichen Grundlagen recherchiert und die ganze Geschäftsordnung des Regierungsrats studiert. Diese werde ich wohl auch hie und da hervorholen müssen. Beispielsweise wenn Ausstandsregelungen zu klären sind oder bei gewissen Abstimmungsprozeduren. Natürlich wird man da vom Landschreiber beraten, doch will man diese Grundlagen selber kennen.

zentralplus: Was wollen Sie anders machen als Ihre Vorgängerin Manuela Weichelt-Picard?

Schleiss: Da gibt es nichts Konkretes, das ich Ihnen nennen könnte. Das sind Nuancen, in denen ich mich unterscheiden werde. Dass ich etwa andere Akzente setzen werde bei gesellschaftlichen Anlässen. Im Sommer gibt es ja jedes Jahr ein sogenanntes Schulreisli, einen Teambildungsevent. Da wollen die Kollegen auch den Landammann herausspüren.

zentralplus: Sie meinen, Sie werden den Regierungsrat womöglich auf die Pirsch mitnehmen?

Schleiss: Ja, oder dass wir eher ein Steakhouse besuchen als den Vegi-Laden.

zentralplus: Seit Jahren gibt es in den Schulen im Kanton Zug digitale Wandtafeln, die Schüler arbeiten mit Tablets. Ist Ihnen das geheuer oder würden Sie manchmal lieber zurückgehen zu klassischen Wandtafeln und knirschenden Kreidestiften?

Schleiss: Nicht der knirschenden Kreide zuliebe. Gerade habe ich mich mit Beat Zemp getroffen, dem Zentralpräsidenten der Dachorganisation der Schweizer Lehrerinnen und Lehrer. Und er hat meine Vorbehalte gegen die voreilige Einführung solcher technologischer Mittel sehr gut in einem Satz zusammengefasst: «Pädagogik kommt vor Technik.» Heisst: Eine digitale Wandtafel allein macht noch keinen guten Unterricht. Gleichzeitig braucht es manchmal mutige Entscheide, etwa, dass man gezielt Laptops an den Schulen einsetzt.

«Heute ist es höchst verpönt, die Schüler im Sportunterricht die eigenen Gruppen wählen lassen.»

zentralplus: Und im übertragenen Sinne? Was aus Ihrer eigenen Schulzeit wünschten Sie sich für die heutige Schulbildung?

Schleiss: Da fallen mir offen gestanden mehr Dinge ein, die es heute gibt, und die ich mir früher gewünscht hätte. Trotzdem gibt es ein paar Dinge. Den engen Bezug der Lehrpersonen zur Klasse früher schätzte ich sehr. Auch war die Schule noch etwas rauer. Beispielsweise ist es heute höchst verpönt, die Schüler im Sportunterricht die eigenen Gruppen wählen lassen. Oder aber, dass der Klassenschnitt und die eigene Note für alle einsehbar sind. Trotzdem gefallen mir einige Sachen heute deutlich besser. Etwa der Einsatz von Theaterpädagogen, mit denen die Schüler lernen, besser aufzutreten und zu präsentieren. Das ist wunderbar!

Stephan Schleiss während einer Kantonsratssitzung.

Stephan Schleiss während einer Kantonsratssitzung.

(Bild: Kilian Bannwart)

zentralplus: Sie sind seit acht Jahren Bildungsdirektor. Gleichzeitig haben Sie einen Studienabschluss in Wirtschaft, konkret in Banking and Finance. Haben Sie nie damit geliebäugelt, entweder Wirtschafts- oder dann Finanzdirektor zu werden?

Schleiss: Die Bilanz eines Staatshaushaltes ist etwas ganz anderes als eine Bankbilanz. Die Wirtschaftsdirektion würde mir daher näherliegen. Doch als ich 2011 in den Regierungsrat kam, rechnete ich nicht damit, gleich in den Bereich einzusteigen, in dem ich schon Kenntnisse hatte. So übernahm ich die Bildungsdirektion. Und je mehr ich mich damit befasste, desto interessanter wurde das Gebiet. Mir ist rasch sehr wohl in dieser Direktion geworden. Ausserdem passt mein föderalistischer Reflex gut in dieses Gebiet. So bin ich genau für die Bereiche zuständig, in welche der Bund nicht reinreden kann. Bei der letzten Verteilung der Dikasterien habe ich deshalb nicht ernsthaft darüber nachgedacht, die Direktion zu wechseln.

zentralplus: Besteht denn nicht die Gefahr, dass Sie nun in Ihrer dritten Legislatur in derselben Direktion etwas weniger Elan an den Tag legen?

Schleiss: Natürlich besteht mit der Zeit die Gefahr, dass einem der Biss fehlt, um Dinge strategisch zu hinterfragen. Anfangs konnte ich immer fragen: Wer hat denn diesen Gugus beschlossen? Würde ich das heute machen, wäre die Antwort wahrscheinlich: ich selber. Daher, ja, man kann sich abnützen. Für mich haben die Vorteile jedoch überwogen. Ausserdem habe ich nicht das Gefühl, als könne ich mich nicht mehr einbringen und auch durchsetzen.

zentralplus: In Ihrer Freizeit fahren Sie gern Velo. Mit dem Amt des Landammanns dürfte Ihre Freizeit jedoch noch knapper werden, als sie heute bereits ist. Macht Ihnen das zu schaffen?

Schleiss: Ja, schon. Wenn ich ein paar hektische Wochen hinter mir habe, merke ich jeweils, dass ich überhaupt keine Zeit hatte, um etwa Sport zu treiben. Das heisst für mich künftig, dass ich mich noch klarer abgrenzen muss. Dann muss man rigider werden mit der eigenen Agenda. Ich bin es gewohnt, Repräsentationen eingerechnet, 60 bis 70 Stunden pro Woche zu arbeiten. Dass der Arbeitsaufwand noch zunehmen könnte, bin ich mir jedoch bewusst.

«Es ist sicher angenehmer, in der SVP ein Hardliner zu sein als ein Softie.»

zentralplus: Wofür mussten Sie kämpfen in Ihrer politischen Karriere?

Schleiss: Als Kantonsrat für die grosse Steuersenkung 2009 – die grösste Steuersenkung aller Zeiten im Kanton Zug. Da war ich Kommissionspräsident. Ausserdem, als das Kinderbetreuungsgesetz eingeführt wurde, hatte ich das Gefühl, da werde etwas überreglementiert. Gemeinsam mit FDP-Kantonsrat Rudolf Balsiger reichte ich ein Postulat ein, um die Anforderungen herunterzuschrauben. Das wurde relativ knapp abgelehnt. Damals kämpften wir gegen den erbitterten Widerstand der Regierung. In meiner Zeit als Regierungsrat kämpfte ich für das PH-Gesetz. Das war eine sehr gefreute Sache und wurde letztlich mit 72 zu 0 angenommen. Schleiss steht auf und kommt kurz darauf mit dem Batch für die PH-Eröffnungsfeier zurück, den er offenbar aufbewahrt hat.

zentralplus: Ihrem Twitteraccount entnimmt man, dass Sie ein Freund der Armee sind, ein HarmoS-Gegner und ein Befürworter der Selbstbestimmungsinitiative. Sind Sie ein SVP-Hardliner?

Schleiss: Wieder denkt er lange nach. Es ist sicher angenehmer, in der SVP ein Hardliner zu sein als ein Softie. Lacht. Ich bin ein SVPler, der mit dem EWR politisiert wurde. Das war mein politisches Erweckungserlebnis. Ich bin damals zwar nicht gleich in eine Jungpartei eingetreten, doch waren meine Sympathien schon damals bei der SVP, so wie sie durch die Person Christoph Blochers geprägt wurde. Das wird als Hardlinertum wahrgenommen und davor verstecke ich mich nicht.

«Ich fragte mich anfangs als Regierungsrat, was ich da bloss mit meinem Leben angestellt hatte.»

zentralplus: In einem Jahr wird der National- und Ständerat gewählt. Können Sie sich den Sprung nach Bern vorstellen?

Schleiss: Nein. Das kann ich ausschliessen. Das wäre nicht vereinbar mit der Arbeit als Regierungsrat und erst recht als Landammann. Das würde wohl nicht verstanden werden, wenn man erst ein solches Amt annimmt und dann den Bettel hinwirft.

zentralplus: In fünf Jahren könnte sich diese Frage jedoch wieder stellen.

Schleiss: Ich denke nicht. Wenn ich mit der Regierung aufhöre, würde ich am liebsten etwas komplett Neues machen. Vor meiner Wahl in den Regierungsrat hatte ich eine gute Arbeit, ein tolles Team und einen guten Lohn. Danach wurde mein Berufsleben auf ein völlig neues Gleis gehoben. Anfangs hatte ich ziemlich Mühe damit. Es war ein anstrengender Einstieg in die Direktion, in die Regierung und das Amt. Ich habe anfangs sehr viel gearbeitet und fragte mich, was ich da bloss mit meinem Leben angestellt hatte.

Als ich dann jedoch Tritt gefasst hatte, realisierte ich, wie ungemein befreiend es ist, sein altes Arbeitsleben hinter sich zu lassen und etwas komplett Neues zu tun. Deshalb lande ich nach meinem Regierungsratsamt sicher nicht wieder bei der Bank. Aber sicher auch nicht im Speckgürtel der Politik, sei das in einer Verwaltung oder in Bern. Viel lieber würde ich beispielsweise Unternehmer werden wollen.

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