Nicht nur Freude über geplante Verkehrsberuhigung

Luzerner Pilatusplatz: Angst vor Parkplatzabbau

So wie auf den grünen Pfeilen könnte der Verkehr in Zukunft beim Pilatusplatz fliessen.

(Bild: zvg)

Eine vom Autolärm befreite Zone beim Pilatusplatz: Benachbarte Geschäfte und Restaurants sehen den Reiz durchaus. Sie warnen aber auch vor einem Abbau der Parkplätze, und drohen gar mit einem Wegzug.

Der Inselbau gleich beim Pilatusplatz hat eine spezielle Lage. Ringsum rauscht der Verkehr: Auf dem Hallwilerweg in die eine Richtung, auf der Obergrundstrasse in die andere. Wer als Fussgänger eines der Geschäfte erreichen will, wartet eine gefühlte Ewigkeit, bis er die verschiedenen Spuren überquert und die «Insel» erreicht.

Nun liegt eine neue Idee auf dem Tisch, die dem Haus seine Exklusivität als übergrosse Verkehrsinsel nehmen würde: Der Autoverkehr würde in beide Richtungen über den Hallwilerweg geführt. Stattdessen würde die Obergrundstrasse zu einer Flanierzone für Fussgänger, Velos und ÖV. Diese «Y-Lösung» genannte Idee von Anstössern und Quartiervereinen will die Stadt Luzern prüfen (zentralplus berichtete).

Die Krux: Es müssten 46 Parkplätze rund um den Bau weichen. Doch auch beim ursprünglichen vom Kanton vorgesehenen Umbauprojekt für den Pilatusplatz verschwinden zwischen 26 und 34 Parkplätzen. Denn gebaut wird in den nächsten Jahren ohnehin – Leitungen müssen saniert und die Sicherheit für Fussgänger und Velofahrer soll verbessert werden.

Was halten die dortigen Geschäfte von der Idee? Begrüssen Sie eine neu gestaltete Fläche – oder fürchten Sie vielmehr ums Geschäft?

Verkehrssituation am Pilatusplatz heute aus der Vogelperspektive.

Verkehrssituation am Pilatusplatz heute aus der Vogelperspektive.

(Bild: Emanuel Ammon/AURA)

Restaurant erhält attraktive Aussenfläche

Das Restaurant Melissa’s Kitchen liegt direkt an der Obergrundstrasse und könnte im Aussenbereich von einer verkehrsberuhigten Fläche profitieren. Mitinhaber Urs Truniger blickt den Plänen denn auch positiv entgegen, er würde gerne mehr Tische und Stühle in den Aussenbereich stellen und die Fläche nutzen. «Das würde uns sicher mehr bringen als mit der jetzigen Verkehrsführung», sagt er. Mit einer neu gestalteten Fläche und schattenspendenden Bäumen könnte er sich gut anfreunden.

Aber er fordert: «Eine gewisse Anzahl an Kurzzeit-Parkplätzen muss erhalten bleiben.» Er spricht von zehn bis zwölf Parkplätzen, die für Gäste und Kundschaft der angrenzenden Geschäfte zur Verfügung stehen müssten.

So wie auf den grünen Pfeilen könnte der Verkehr in Zukunft fliessen.

So wie auf den grünen Pfeilen könnte der Verkehr in Zukunft fliessen.

(Bild: Emanuel Ammon/AURA)

Auch das Hotel und Restaurant Anker hat ein paar Aussentische direkt an der Obergrundstrasse. Würde das Hotel also zur «Pforte in die Innenstadt», wie Stadtrat Adrian Borgula schwärmt?

«Er wird nicht zu einem attraktiven Platz, nur weil er autofrei ist.»

Bastian Eltschinger, Hotel Anker

Geschäftsleiter Bastian Eltschinger, der an den Sitzungen zur Neugestaltung teilnimmt, ist zurückhaltender. «Wir finden die Y-Lösung im Grossen und Ganzen gut, aber nur wenn es weiterhin Parkplätze gibt.» Würden alle 46 Parkplätze tatsächlich wegfallen, sähe er keine Verbesserung. «Wir und die anderen Geschäfte brauchen diese Parkplätze, ein Teil muss erhalten bleiben», sagt er. Würde man die jetzigen Schrägparkplätze am Hallwilerweg woanders in der unmittelbaren Nähe kompensieren – idealerweise an der Obergrundstrasse – könnte man laut Eltschinger darüber diskutieren. Sein Vorschlag: ein unterirdisches Parkhaus unter dem Inselbau.

Würde der Anker denn nicht von einem aufgewerteten Platz profitieren? Bastian Eltschinger ist skeptisch: «Es haben nicht alle auf eine Fussgängerzone gewartet, Busse fahren weiterhin vor unserer Terrasse durch. Er wird also nicht zu einem attraktiven Platz, nur weil er autofrei ist.»

Neue Kunden durch Aufwertung?

Ähnlich tönt es in einem Traditionsgeschäft gleich unter dem Mobiliar-Haus, dem auf Jeans spezialisierten Kleidergeschäft Salathé. «Ich finde es grundsätzlich gut, wenn man etwas Neues wagt und Verbesserungen sucht», sagt Ricardo Teixeira. Er hat den 1975 gegründeten Laden vor zwei Jahren übernommen und frischen Wind hineingebracht. Er klagt trotz Online-Konkurrenz und Krise des Detailhandels nicht: «Wir haben gute Umsätze und sind zufrieden.»

«Für uns sind die Parkplätze vor dem Geschäft lebenswichtig.»

Ricardo Teixeira, Inhaber Salathé

Doch bei ihm und anderen Geschäften ging anfangs die Angst um, weil sie Gerüchte über die Umgestaltung hörten, aber nicht aktiv informiert wurden. Nun ist die Idee offiziell, die Gespräche laufen und Teixeira sagt: «Wir müssen das Projekt genau anschauen, für uns sind die Parkplätze vor dem Geschäft lebenswichtig. Unsere Kundschaft kommt sehr oft mit dem Fahrzeug und erwähnt, wie toll es ist, vor dem Haus zu parkieren.» Um das Gebäude seien sicher jeweils zwei Parkplätze von Salathé-Kunden besetzt, schätzt Teixeira. Darum seien zwei Anhalteplätze das Mindeste.

Der Inhaber schaut der Aufwertung der Obergrundstrasse mit gemischten Gefühlen entgegen. «Ich hoffe, dass wir neue Leute anziehen können, wenn wir mehr zur Innenstadt gehören.» Doch seiner Meinung nach hat es in der Stadt heute schon zu wenige Parkplätze.

Wo heute auf der Obergrundstrasse noch der Verkehr rauscht, könnte es eine Flanierzone geben.

Wo heute auf der Obergrundstrasse noch der Verkehr rauscht, könnte es eine Flanierzone geben.

(Bild: jwy)

Kanton will sich nicht äussern

Der Inselbau gehört zwei öffentlich-rechtlichen Anstalten: der Luzerner Pensionskasse und der Gebäudeversicherung – ist also im Besitz des Kantons. Zudem sind auch das Passbüro oder die Gewerbepolizei dort eingemietet. Und der Kanton ist es auch, der das letzte Wort hat, weil ihm die betroffenen Strassenabschnitte gehören.

«Wir sind darauf angewiesen, dass wir erreichbar bleiben.»

Mobiliar

Doch beim zuständigen Bau-, Umwelt- und Wirtschaftsdepartement (BUWD) will man sich auf Anfrage noch nicht zum Projekt äussern: «Die von der Stadt vorgeschlagene alternative Verkehrsführung wird geprüft. Erst nach der abgeschlossenen Prüfung können wir inhaltlich dazu Stellung nehmen», sagt Judith Setz, Fachspezialistin Kommunikation beim BUWD.

Ein drittes betroffenes Gebäude – der prominente Querbau – gehört der Mobiliar-Versicherung, die an diesem Standort 67 Mitarbeiter beschäftigt und durch ihren Luzerner Generalagenten Toni Lötscher in der Begleitgruppe vertreten ist. «Die Idee der neuen Verkehrsführung unterstützen wir, jedoch nicht, dass Parkplätze aufgehoben werden», heisst es auf Anfrage. Susanne Maurer, Kommunikationsmitarbeiterin, schreibt: «Wir sind darauf angewiesen, dass wir sowohl für unsere Kundinnen und Kunden als auch für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erreichbar bleiben.»

Mit einer Verlegung der Parkplätze könnte die Mobiliar leben. «Sollten sie aber ganz wegfallen, dann wäre es für uns schwierig, unseren Standort aufrechtzuerhalten», so Maurer. Eine Wertvermehrung der Liegenschaft durch die verkehrsberuhigte Zone erkennt die Mobiliar nicht, da es sich um eine reine Gewerbeliegenschaft handle.

Entscheid wird 2019 gefällt

Kein Thema mehr sind die wegfallenden Parkplätze für Münger-Orthopädie am Hallwilerweg. Das Geschäft hat sich mit der Konkurrenz Gelbart zusammengeschlossen und eröffnet im Januar seinen neuen Sitz in Kriens – das Geschäft am Hallwilerweg wird aufgegeben (zentralplus berichtete). Grund: Am neuen Standort gibt’s mehr Platz und mehr Parkplätze.

Dass die Parkplätze am meisten zu reden geben werden, ist auch Stadtrat Adrian Borgula bewusst. «Für die Geschäfte braucht es eine Lösung», sagt er am Freitag zu zentralplus. Sicher werde es auch in Zukunft Umschlag- und Kurzzeitparkplätze geben, auch eine Kompensation woanders wäre denkbar – all das werde die Feinplanung zeigen. 

Bis Ende Jahr laufen nun die Konsultationen mit dem Kanton sowie Anwohnern und Geschäften. Im ersten Quartal 2019 soll ein Entscheid gefällt werden, frühester Baustart für die Neugestaltung ist 2023.

Wären die Rückmeldungen mehrheitlich negativ, würde die Oberfläche am Pilatusplatz trotzdem neu gestaltet – aber ohne geänderte Verkehrsführung.

So könnte die neuer verkehrsberuhigte Obergrundstrasse aussehen.

So könnte die neuer verkehrsberuhigte Obergrundstrasse aussehen.

(Bild: Visualisierung/zvg)

Deine Ideefür das Community-Voting

Die Redaktion sichtet die Ideen regelmässig und erstellt daraus monatliche Votings. Mehr zu unseren Regeln, wenn du dich an unseren Redaktionstisch setzt.

Deine Meinung ist gefragt
Deine E-Mailadresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Bitte beachte unsere Netiquette.
Zeichenanzahl: 0 / 1500.


1 Kommentar
  • Profilfoto von Roland Grueter
    Roland Grueter, 04.12.2018, 13:56 Uhr

    Guten Tag:
    Teile der Obergrundstrasse sollen zu einer Flanierzone werden. Die Definition ist klar: kein Verloverkehr! Also haben bei dieser Bezeichnung die Velofahrer dort «nichts verloren.»

    👍0Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎0Daumen runter
Apple Store IconGoogle Play Store Icon