Luzerner Bahnhof-Turbos werden nicht nervös

Gegner des Durchgangsbahnhofs tauchen aus der Versenkung auf

Luzern Nord statt Zentrum (im Bild eine Station in Zürich): Der Verein Bahndreieck plädiert nach wie vor für eine dezentrale Alternative zum Luzerner Durchgangsbahnhof. 

 

(Bild: Michael Kunz)

Lange war es ruhig um den Verein Bahndreieck Luzern Nord. Nun bieten die Kritiker des Durchgangsbahnhof den bekannten Verkehrsplaner Paul Stopper und mehrere Jungparteien auf. Den Befürwortern bereitet das jedoch kaum Sorge. Ihrer Meinung nach sind die Würfel gefallen. 

Der Kanton Luzern wächst, bis 2030 rechnet die Regierung mit über 450’000 Einwohnern (zentralplus berichtete). Damit dürfte auch die Zahl derjenigen steigen, die mit dem öffentlichen Verkehr unterwegs sind. Der Durchgangsbahnhof soll helfen, dieses Wachstum zu bewältigen.

Das 2,4-Milliarden-Projekt ist in der Zentralschweiz unumstritten. Eigentlich. Denn da ist noch eine kleine Gruppe, die sich, fast ein wenig wie die Gallier um Asterix, zur Wehr setzt: der Verein Bahndreieck Luzern Nord. Bis auf eine Handvoll Leserbriefe da und dort ist es zuletzt ruhig geworden um den Verein. Doch nun führt er eine Veranstaltung mit dem bekannten Verkehrsplaner und «Vater der Durchmesserlinie» Paul Stopper durch (siehe Box). 

Hoffen auf die Jungparteien

Für das Podium ebenfalls an den Tisch geholt hat der Verein die Jungparteien von BDP, GLP und SVP. Auch die Jungfreisinnigen hätten Interesse angemeldet, sagt Vorstandsmitglied Martin D. Simmen. Denn bei den arrivierten Parteien, sagt der Luzerner, gebe es für den Verein nichts zu holen. Zu einig scheint sich das Polit-Establishment der Zentralschweiz über das Projekt zu sein. «Jeder Politiker, der etwas zur Zukunft von Luzern sagen muss, nennt den Tiefbahnhof», sagt Simmen.

Er spricht vom «Rütlischwur», als der Kantonsrat in einer Sondersession 2009 extra an den Bahnhof pilgerte und dort geschlossen für das Projekt stimmte. «Da haben sich alle zum Fenster rausgelehnt – und nun kann keiner ausscheren.» Deshalb setzt der Verein seine Hoffnung in die Jungparteien. Oder wie Simmen sagt: «Spätere Generationen werden vermutlich anders über das Projekt denken.»

Paul Stopper in Emmenbrücke

Diesen Montag, 26. November, lädt der Verein Bahndreieck Luzern Nord gemeinsam mit den Jungparteien der BDP, GLP und SVP zu einer Veranstaltung mit Paul Stopper. Der Bauingenieur und Verkehrsplaner hält ein Referat zur Bahnzukunft der Schweiz mit Blick auf die Region Luzern. Anschliessend spricht der Krienser Bauingenieur Hans Heer. Der öffentliche Anlass findet um 19.30 Uhr im Restaurant Sonne in Emmenbrücke statt.

Dass der Verein Bahndreieck nicht in die Lobeshymne auf den Durchgangsbahnhof einstimmt, hat in der Vergangenheit für eine gewisse Verärgerung gesorgt. Denn die Befürworter plädierten für einen geschlossenen Auftritt der Region, um in Bundesbern keine Zweifel am Projekt aufkommen zu lassen. «Eine breite Abstützung ist von zentraler Bedeutung», sagt Hans Wicki, Präsident des Zentralschweizer Komitees Durchgangsbahnhof, Nidwaldner FDP-Ständerat und aktueller Bundesratskandidat, noch heute.

Mit geeinter Stimme auftreten, das schliesst Nebentöne aus. «Das ist aus ihrer Sicht verständlich», sagt Martin D. Simmen dazu. «Doch wir lassen uns nicht zum Schweigen bringen.» Der Verein habe von Anfang an gewusst, dass «die ganze politische Nomenklatura» fast geschlossen hinter dem Tiefbahnhof stehe. Die Verantwortlichen des Vereins Bahndreieck seien schon mehrfach aufgefordert worden, man «solle aufhören, ein totes Pferd zu reiten».

Das 2013 lancierte Projekt sieht einen Doppelspurausbau am Rotsee und einen neuen Bahnhof Luzern Nord beim Sedel vor. Dazu kämen S-Bahn-Stationen am Kreuzstutz und am Paulusplatz.

Das 2013 lancierte Projekt sieht einen Doppelspurausbau am Rotsee und einen neuen Bahnhof Luzern Nord beim Sedel vor. Dazu kämen S-Bahn-Stationen am Kreuzstutz und am Paulusplatz.

(Bild: zvg)

Dass man zuletzt wenig vom Verein hörte, habe jedoch damit zu tun, dass man den Entscheid über den Ausbauschritt 2035 abgewartet habe, sagt Simmen. Der Verein fühlt sich – ironischerweise gleich wie die Befürworter – vom Bundesrat bestätigt. «Nun ist klar, dass bis 2035 nichts läuft und Luzern weiter nur auf das Prinzip Hoffnung setzt», sagt Simmen.

«Unsere Kritik wird totgeschwiegen.»

Martin D. Simmen, Vorstand Verein Bahndreieck Luzern Nord

Das tote Pferd ist in seinen Augen der Tiefbahnhof. Man sehe ja jetzt, dass auch Bundesbern zögere, das Kosten-Nutzen-Verhältnis in Frage stelle und das Projekt deshalb nicht in den nächsten Ausbauschritt aufnehmen wolle.

Der Verein kritisiert, dass kaum über das Projekt Durchgangsbahnhof an sich diskutiert werde. «Unsere Kritik wird totgeschwiegen», sagt der Luzerner Architekt. Er verweist auf den ihrer Meinung nach bereits heute überlasteten Bahnhofsplatz und die Prognosen der Verkehrsplaner, die beim Bahnverkehr mit einer Zunahme um bis zu 40 Prozent rechnen (zentralplus berichtete).

Gemäss dem Verein Bahndreieck bietet eine Drehscheibe im Norden von Luzern, verbunden mit einem Ausbau der S-Bahn, viel mehr Vorteile. Die Kosten seien deutlich tiefer, die einzelnen Elemente rasch umsetzbar, ein dezentraler Verkehrsknoten weniger anfällig. «Wir kämpfen dafür, dass der vernachlässigte Bahnknoten Luzern dank dem Ausbau der S-Bahnen eine Aufwertung erfährt und zwar möglichst schnell.»

Alternativen für Befürworter nicht mehr relevant

Dass Kritik unter den Teppich gekehrt wird, verneinen sowohl der Kanton Luzern als auch das Komitee für den Durchgangsbahnhof. Präsident Hans Wicki verweist auf die Studien, mit denen der Kanton, SBB und der Bund in den letzten Jahren die Vor- und Nachteile diverser Lösungen geprüft haben. «Das Bahndreieck war eine der untersuchten Varianten. Unter dem Strich stellte sich die Variante Durchgangsbahnhof Luzern als Bestvariante heraus», sagt der FDP-Ständerat. So habe sich etwa gezeigt, dass die Mehrheit der Fahrgäste ins Zentrum von Luzern wolle, wo ein Grossteil der Arbeitsplätze und des kulturellen Lebens angesiedelt seien. Ein dezentraler Bahnhof habe nicht den gewünschten Nutzen.

Unter dem See bis nach Ebikon: Die geplante Linienführung im Rahmen des Projekts Durchgangsbahnhof. (Visualierung: zvg)

Unter dem See bis nach Ebikon: Die geplante Linienführung im Rahmen des Projekts Durchgangsbahnhof. (Visualierung: zvg)

In die gleiche Kerbe schlägt der Kanton. «Der Durchgangsbahnhof ist die einzige Lösung zur Weiterentwicklung des Bahnknotens Luzern», sagt Judith Setz, Fachspezialistin Kommunikation beim Bau-, Umwelt- und Wirtschaftsdepartement. Nebst der SBB sei auch der Bundesrat in seiner Botschaft zum Ausbauschritt 2035 kürzlich erneut zu diesem Schluss gekommen.

«Andere Varianten werden nicht mehr weiterverfolgt und sind somit vom Tisch.»

Judith Setz, Fachspezialistin Kommunikation beim Kanton Luzern

Angesichts dessen vermag der aktuelle Anlass des Vereins Bahndreieck Luzern Nord kaum für Nervosität zu sorgen. Es sei zu spät für eine solche Debatte, sagt Judith Setz. «Andere Varianten, wie zum Beispiel der Ausbau der Stammlinie, einschliesslich eines Doppelspurausbaus Rotsee, werden nicht mehr weiterverfolgt und sind somit vom Tisch.»

Auch für Hans Wicki, Präsident des Komitees mit über 700 Mitgliedern aus Politik, Wirtschaft und Organisationen, ist klar: «Nach diesen äusserst umfangreichen Planungsarbeiten lohnt es sich definitiv nicht mehr, über die Varianten zu diskutieren. Jetzt müssen wir unsere Energie in eine zeitnahe Umsetzung des Durchgangsbahnhofs investieren und die Projektierung unverzüglich wieder aufnehmen.»

Ignorierte Einzelkämpfer

Dass der Verein Bahndreieck nicht mehr als Bedrohung wahrgenommen wird, mag auch damit zusammenhängen, dass er politisch kaum Unterstützung geniesst. Das ist auch Simmen bewusst. Der Verein habe nur wenige Mitglieder, räumt er ein. Und: «Man nimmt uns nicht so ernst, weil wir keine politischen Schwergewichte sind.»

Eine breitere Basis zu akquirieren, stehe aber nicht im Vordergrund. Und via Volksinitiative politischen Druck aufzubauen, wie das in der Stadt Luzern beispielsweise die Metro- und Parking-Musegg-Initianten getan haben, ist für den Verein aktuell kein Thema.

Vielmehr setzt man vorerst auf den Abend mit Paul Stopper. Es ist der Wunsch, dass doch noch sowas wie der Zaubertrank der Gallier auftaucht. «Wenn er, der als Vater der Zürcher Durchmesserlinie gilt, den Tiefbahnhof als eine Fehlplanung bezeichnet und den Ausbau der S-Bahnen priorisiert, sollte das Fragen aufwerfen.» Simmen hofft, dass dies der Kritik des Vereins Bahndreieck zu neuem Schwung verhelfen und eine breite Debatte auslösen könnte.

«Die Frage ist definitiv nicht mehr, welche Variante sinnvoll ist, sondern wann die Bestvariante realisiert wird.»

Hans Wicki, Präsident Zentralschweizer Komitee Durchgangsbahnhof

Denn der Verein Bahndreieck glaubt nach wie vor an seine Vision. «Wir reden nicht mehr von einer Alternative zum Tiefbahnhof, sondern von Schritten, die man sowieso machen muss und schnell realisieren kann», hält Simmen fest. «Ob es dann den Tiefbahnhof noch braucht, ist eine andere Frage.»

Ganz anders die Befürworter des Durchgangsbahnhofs. Der Luzerner Regierungsrat blickt bereits nach vorne und verlangt vom Bundesparlament, dass es das Plangenehmigungsverfahren und die Bauvorbereitungen des Durchgangsbahnhofs Luzern ausdrücklich in den Ausbauschritt 2035 aufnimmt. Über Alternativen mag man gar nicht mehr sinnieren.

Oder wie Hans Wicki sagt: «Spätestens seit der Veröffentlichung des Bundesbeschluss für den Ausbauschritt 2035 ist für mich klar: Der Durchgangsbahnhof ist das richtige Projekt. Die Frage ist definitiv nicht mehr, welche Variante sinnvoll ist, sondern wann die Bestvariante realisiert wird.»

Junge SVP stellt sich hinter Verein Bahndreieck

Die Junge SVP Kanton Luzern stützt die Pläne für ein Bahndreieck Nord, wie sie nach der Veranstaltung am Montagabend mitteilt. «Mit dem kürzlich in Bern gefällten Entscheid, dass der Tiefbahnhof Luzern in den Ausbauschritt nach 2035 fallen wird, ist für uns klar, dass es andere, zeitnähere Lösungen braucht», schreibt die JSVP. Das Projekt Bahndreieck Luzern Nord sei mit wesentlich tieferen Kosten verbunden und erlaube es, dass nicht alle Pendler mitten in die Stadt fahren müssten. Zudem entlaste ein attraktiveres S-Bahn-Netz auch die Strassen.

Die Junge SVP gehört zusammen mit der BDP zu den wenigen Kritikern des Luzerner Tiefbahnhofs. Die JSVP hält aber gleichzeitig fest, dass sich die beiden Projekte nicht konkurrenzieren sollen. Man wolle aber nicht 40 Jahre auf den Tiefbahnhof warten. Auch die BDP kritisiert in erster Linie die Kosten und die lange Dauer bis zur Realisierung.

Anders äussern sich die Jungparteien der Grünliberalen und der FDP. Man sei offen für Meinungen und vertrete den Standpunkt, dass Ideen diskutiert werden sollen, sagt Mario Cozzio, Präsident der Jungen Grünliberalen. Letztlich müsse aber an einem Strick gezogen werden, «und hier sehen wir den Durchgangsbahnhof als optimalste Lösung».

Auch die Jungfreisinnigen teilen mit, dass sie zwar die Meinungsvielfalt schätzen. «Jedoch liebäugeln wir nicht mit dem Dreiecksbahnhof Nord», sagt Präsident Ramon Bisang. Er persönlich stehe klar hinter dem Durchgangsbahnhof.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Walter Albrecht
    Walter Albrecht, 27.11.2018, 11:02 Uhr

    Eine zeitnahe Lösung mit viel Potential steht mit dem sinnvoll erweiterbaren Metro-Projekt seit 2013 zur Diskussion. Warum sollen wir noch mehr als 25 Jahre auf einen sehr teuren Durchgangsbahnhof warten ?

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