Kantonale Verkehrspolitik gerät unter Druck

Tempo 30: Luzerner Agglo-Gemeinden machen zunehmend Dampf

Besonders in Gemeindezentren sollen Tempo-30-Zonen für mehr Wohn- und Lebensqualität sorgen.

(Bild: sah)

Die Gemeinden fordern vermehrt und immer vehementer Tempo 30 auf den Tempo-50-Hauptstrassen. Bisher sträubt sich der Kanton, der für solche Kantonsstrassen verantwortlich ist. Doch unter dem zunehmenden Druck sind auch auf Kantonsebene einige Steine ins Rollen gekommen. 

Von Ebikon über Emmen bis Kriens: Die Gemeinden des Kanton Luzerns pochen immer mehr auf Tempo-30-Zonen. Am vehementesten meldet sich hierbei aktuell die Gemeinde Kriens zu Wort: Sie fordert in ihrem neuen Gesamtverkehrskonzept Tempo 30 auf der Hauptstrasse im Zentrum und in den Quartieren. Über 20’000 Autos fahren täglich durch das Krienser Zentrum. Das bringt Lärm, Staus und wenig Raum für Begegnungszonen.

Für die Umsetzung des Krienser Gesamtverkehrskonzeptes sei Tempo 30 essenziell, meint Matthias Senn, Krienser Gemeinderat und Bauvorsteher: «Das Zentrum ist das ‹Wohnzimmer› der Gemeinde und soll nicht nur mit den Neubauten und angrenzenden Plätzen, sondern auch mit dem Strassenraum an Aufenthaltsqualität gewinnen.» Trennende Strassen mit erhöhtem Tempo seien hierbei hinderlich, so Senn. 

In Kriens ist man sich bei diesen Ansichten und Zielen einig. Erst letzte Woche hat der Einwohnerrat dem neuen Gesamtverkehrskonzept des Gemeinderates zugestimmt. Und auch weitere Interessengemeinschaften sprechen sich für die Errichtung von Tempo-30-Zonen in Kriens aus.

«Für die weitere Planung und Umsetzung der Vision ist es wichtig, dass sie von der Bevölkerung mitgetragen wird.»

Matthias Senn, Gemeinderat Kriens

Dieser Rückenwind sei wichtig für das weitere Vorgehen, meint Senn: «Für die Planung und Umsetzung der Vision ist es wichtig, dass sie von der Bevölkerung mitgetragen wird. Die positive Haltung des Einwohnerrates und das Lobbying eines Komitees helfen dabei.» 

Was in den Quartierstrassen schon gilt, soll künftig vermehrt auf Hauptstrassen gelten

Was auf den Quartierstrassen schon gilt, soll künftig vermehrt auch für Hauptstrassen gelten

(Bild: sah)

Gemeinden begrüssen Tempo 30

Auch in der Stadt Luzern ist der Kampf gegen die Tempo-50-Hauptstrassen längst eröffnet. Schon seit einigen Monaten setzten sich Quartiervereine für Tempo 30 auf der vielbefahrenen Basel- und Bernstrasse ein. Und auch die Politik hat sich des Themas angenommen und fordert an der Hirschmattstrasse in der Neustadt Tempo 30. Mit der «Öko-Allianz» aus Rot-Grün (SP, Grüne, Grünliberale) kann sich die Gemeinde Luzern einer Mehrheit für dieses Anliegen sicher sein. 

 «Insbesondere in Wohnquartieren sind flächendeckende Tempo-30-Zonen ein taugliches Mittel, um die Lebensqualität zu erhöhen.»

Josef Schmidli, Direktion Bau und Umwelt Emmen

Auch die Gemeinde Emmen stimmt in den Kanon ein: «Ich begrüsse die zunehmende Offenheit für sinnvolle und pragmatische Lösungen, welche oftmals nicht möglich sind, weil noch zu oft an Dogmen festgehalten wird – zum Beispiel kein Tempo 30 auf Kantonsstrassen», sagt Josef Schmidli, Direktion Bau und Umwelt der Gemeinde Emmen.

Er kritisiert dabei den oftmals vorgezogenen verkehrsorientierten Ansatz des Kantons, der über die siedlungsorientierten Lösungen gestellt werde. «Insbesondere in Wohnquartieren sind flächendeckende Tempo-30-Zonen ein taugliches Mittel, um die Lebensqualität zu erhöhen, ohne die Mobilität einzuschränken», so Schmidli.

Dies bestätigt auch Roland Beyeler, Kommunikationsbeauftragter der Gemeinde Ebikon. Für Ebikon und seinen Masterplan einer neuen Zentrumsgestaltung ist die Tempogestaltung, welche die Attraktivität des Gemeindezentrums mitgestaltet, wichtig. Beyeler führt jedoch weiter aus, dass die Diskussion über Tempolimite über die Gemeindegrenzen hinausgehen müsse: «Wir sind überzeugt, dass Tempolimiten in einem grösseren Kontext angeschaut und behandelt werden müssen, um deren gewünschte Wirkung maximal entfalten zu lassen, stehen wir in regem Dialog mit Luzernplus, unseren Nachbargemeinden und dem Kanton.»

Beyeler spricht damit das Kernproblem an: Für Hauptstrassen sind nicht die Gemeinden, sondern der Kanton verantwortlich. Dieser finanziert, saniert, aber bestimmt auch, welche Geschwindigkeit gefahren werden darf – nämlich meist Tempo 50.

Schweizweit werden vermehrt auf Hauptstrassen auf Tempo 30 reduziert.

Schweizweit werden vermehrt auf Hauptstrassen auf Tempo 30 reduziert.

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K5-Gemeinden schliessen sich zusammen 

Neben den einzelnen Gemeinden hat sich auch der Gemeindeverband Luzernplus des Themas angenommen. Luzernplus setzt sich im Auftrag der Gemeinden Ebikon, Emmen, Horw, Kriens und Luzern für die Berücksichtigung «sozial- und freiräumlicher Aspekte» in der Raumplanung ein. Dazu gehört auch die Frage nach Tempo-30-Zonen. «Wir sind mit dem Anliegen bereits beim Kanton vorstellig geworden. Dieser prüft derzeit die Umsetzung», sagt Armin Camenzind, Geschäftsführer Luzernplus. 

«Wir konzentrieren uns auf die Zentren, wo verschiedene Nutzungen aufeinandertreffen.» 

Armin Camenzind, Geschäftsführer Luzernplus

Gemeinsam mit den Gemeinden hat Luzernplus hierzu eine Bestandsaufnahme gemacht, um sich so gemeinsam an den Kanton zu wenden. Die sogenannten K5-Gemeinden streben jedoch, so Camenzind, keine flächendeckende Einführung von Tempo 30 statt Tempo 50 an: «Wir konzentrieren uns auf die Zentren, wo verschiedene Nutzungen aufeinandertreffen.» Besonders in den Herzstücken der Gemeinden, scheint das Anliegen einer Temporeduktion besonders gross.

Kanton Luzern sträubt sich weiterhin

Nur der Kanton Luzern wehrt sich gegen die Forderungen seiner Gemeinden. Dabei ist es eine schweizweite Tendenz, dass «generell 50» de facto auf Hauptstrassen schon längst nicht mehr gilt. In Basel zum Beispiel sind bereits über die Hälfte des innerstädtischen Strassennetzes mit Tempo 30 gekennzeichnet. Dies jedoch ebenfalls erst nach jahrelangem Rechtsstreit, der mit einem Bundesgerichtsentscheid zugunsten der Stadtregierung entschied und somit die Tempo-30-Limite in der Sevogelstrasse nahe des Bahnhofes SBB bewilligte.  

«Das Bau-, Umwelt- und Wirtschaftsdepartement prüft zurzeit die bisherige Haltung zu Tempo 30 auf Kantonsstrassen.»

Judith Setz, Kommunikation Bau-, Umwelt- und Wirtschaftsdepartement

Auch in Winterthur, Bern, Zürich und St. Gallen werden immer mehr Tempo-30-Zonen bewilligt. Nur der Kanton Luzern stellt sich quer – noch. Denn momentan werde auch im Kanton über die Anliegen der Gemeinden diskutiert, das teilt Judith Setz, Fachspezialistin Kommunikation des Bau-, Umwelt- und Wirtschaftsdepartements mit. «Aufgrund der aktuellen Diskussionen und Entwicklungen überprüft das Bau-, Umwelt- und Wirtschaftsdepartement zurzeit die bisherige Haltung zu Tempo 30 auf Kantonsstrassen.» Die Erkenntnisse und die Haltung des Kantons zum Thema würden, so Setz, gemeinsam mit der Beantwortung verschiedener im Kantonsrat hängiger Vorstösse bekanntgegeben.  

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