Wirte und Gäste fachsimpeln über die Gastroszene

Das Beizensterben grassiert in Baar: Ist die Gemeinde zu unwirtlich?

Das Restaurant Ly’s Asian Tapas ist seit Oktober geschlossen. Bald soll jedoch ein neues Restaurant Einzug halten.

(Bild: wia)

Ende Oktober hat das Ly’s Asian Tapas Restaurant in Baar seine Türen geschlossen. Das überrascht nicht, ist es doch vielen Betrieben ähnlich ergangen in den letzten Jahren. Was ist da los mit der Restaurantlandschaft in der Gemeinde? Gastwirte und deren Gäste erklären, was es braucht, um zwischen Take-Aways zu überleben.

Im Gebäude an der Langgasse 4 in Baar ist es dunkel. Ein Blick auf den Zettel an der Türe bestätigt: Das Restaurant Ly’s Asians Tapas ist seit Ende Oktober zu, und das definitiv. Die Antwort darauf, warum das Lokal geschlossen wurde, kommt eher widerwillig: «Ganz einfach. Es hat nicht rentiert», erklärt der Geschäftsführer Leap Choeun Ly. Darüber, wie es nun weitergeht, will er nicht reden. Nur anhand der Zettel, die in den Fenstern des Lokals hängen, lässt sich ablesen, dass bald ein neues Restaurant kommen soll.

So richtig erstaunt ist man nicht über die Schliessung. Dass Lokale innert kurzer Zeit eröffnet und wieder geschlossen werden, ist man sich beim Büelplatz in Baar gewohnt. Erinnern wir uns etwa ans Restaurant Vegimundi, an die Pizzeria Dolce Vita oder ans Imperial Thai Restaurant, den Vorgänger von Ly’s Asian Tapas, welches ebenfalls von Leap Choeun Ly geführt wurde. Doch woran liegt’s, dass die Fluktuation so hoch ist?

Wir fragen im Restaurant Brauerei nach: einer der Baarer Beizen, die bestens zu funktionieren scheint. Warum? Die Servicefachfrau, die gerade im Einsatz steht, sagt: «Wir haben viele Stammgäste hier. Ausserdem kommen viele Büezer täglich zum Znüni her.» Es ist 10 Uhr morgens. Die Arbeiter sind zwar schon wieder weg, wurden jedoch bereits von den ersten Stammtischgästen abgelöst. Dazu, warum es gewissen Lokalen in Baar schwerfällt, über längere Zeit zu bestehen, sagt die Dame nichts.

Die 94-jährige Wirtin macht einen Sündenbock aus

Im Gegensatz zu Alice Rüttimann vom Baarer Restaurant Bären. Die 94-Jährige steht noch immer täglich im Restaurant und bewirtet die ersten Gäste am Morgen. «Es sind die Take-Away-Läden, welche die Beizen kaputtmachen», sagt sie bestimmt. Diese könnten ihr Essen viel günstiger verkaufen, nicht zuletzt, weil sie nur 2,5 Prozent Mehrwertsteuer verrechnen müssten, im Gegensatz zu den 7,7 Prozent, die Restaurants erheben.

«Viele können es sich weniger leisten, abends regelmässig ihr Feierabendbier auswärts zu trinken.»

Josef Rüttimann, Inhaber des Restaurants Bären in Baar

Überhaupt habe sich die Beizenkultur sehr stark gewandelt in den letzten Jahrzehnten. Für Restaurants sei es zunehmend schwieriger, zu überleben. Dem stimmt auch Josef Rüttimann zu, der Sohn der Gastwirtin und Inhaber des Restaurants. «Das Beizenleben wird heute weniger gepflegt. Viele können es sich weniger leisten, abends regelmässig ihr Feierabendbier auswärts zu trinken.»

Mutter und Sohn im Betrieb: Alice und Josef Rüttimann in ihrem Lokal, dem «Bären».

Mutter und Sohn im Betrieb: Alice und Josef Rüttimann in ihrem Lokal, dem «Bären».

(Bild: wia)

Und er nennt zwei weitere kritische Punkte. «Einerseits liegt das gesetzliche Alkohollimit für Autofahrer heute tiefer. Somit trinkt man sein Bier lieber zu Hause», sagt Rüttimann. Anderseits, so erklärt er weiter, «haben viele Restaurants in Baar keine eigenen Parkplätze. Auch das ist für viele Gäste ein wichtiges Kriterium, wenn sie auswärts gehen.» Dass das asiatische Tapas-Restaurant schon wieder zu ist, erstaunt ihn wenig. «Es war zu wenig präsent», sagt er knapp.

Das Rezept? Kämpfen, frische Produkte und eine Prise Glück

Seit zwei Jahren führt Zain Alic die Pizzeria 33 am Büelplatz. Er sagt zur aktuellen Lage: «Gerade auf diesem kleinen Platz hat es verhältnismässig viele Restaurants und Take-Aways», sagt er. Um erfolgreich zu wirten, brauche es ein wenig Glück. «Ausserdem sind wir ein Familienbetrieb und brauchen daher wenig Personal.» Dass hohe Mietzinsen schuld daran sind, dass Lokale dichtmachen, glaubt er nicht. «Unser Restaurant ist in einem neuen Gebäude. Da ist es klar, dass die Miete nicht gratis ist», so Alic. Eines sei für ihn jedoch klar: «Um zu überleben, muss man dranbleiben und kämpfen.»

«Schaffe, schaffe, schaffe.»

Irene Branca, Inhaberin des Restaurants Krone in Baar

Das sieht auch Irene Branca so: «Schaffe, schaffe, schaffe», sei eines der Erfolgsrezepte. Sie muss es wissen. Das Restaurant Krone führt sie mit ihrem Mann seit bald 32 Jahren. «Wir haben mit unserem Standort mitten im Dorf sicher einen Vorteil», sagt Branca. «Doch spielt sicher auch unser Angebot eine grosse Rolle. Wir achten auf eine gute Qualität. Ausserdem ist uns Konstanz wichtig», sagt sie. Und das zahle sich aus. Branca zeigt auf drei Mitarbeiterinnen, die gerade im Lokal arbeiten. 10, 15, 25 Jahre seien die Angestellten schon bei der «Krone». «Mitunter ein Grund, warum das Restaurant rentiert, ist sicher auch, dass mein Mann und ich beide im Betrieb mitarbeiten», so Branca.

Irene und Bruno Branca betreiben das Restaurant Krone seit über dreissig Jahren.

Irene und Bruno Branca betreiben das Restaurant Krone seit über dreissig Jahren.

(Bild: wia)

Als im «Löwen» die SP verkehrte und im Lindenhof die CVP

Und wie sehen das die Gäste selbst? Wir setzen uns an den Stammtisch im Restaurant Brauerei. «Ich weiss noch, in der vierten Klasse mussten wir die Restaurants in der Gemeinde Baar auflisten. Wir kamen auf 34. Heute sind es viel weniger. Die Beizenkultur ist nicht mehr die gleiche», sagt Hansruedi Langenegger, ein ehemaliger Landwirt aus Baar.

«Früher gab es genug Beizen, dass man diese nach politischer Gesinnung unterteilen konnte. Im ‹Rigi› und im Lindenhof sassen etwa die CVPler, im ‹Löwen› und Bahnhöfli die SPler. Das ‹Kreuz› war FDP», sagt Langenegger. Ein anderer Stammkunde bedauert, dass die Beizenlandschaft heute weniger persönlich sei. Selten seien die Betreiber da und würden etwa mit den Gästen einen Jass klopfen.

Hört man sich die Erklärungen der Wirte und der Gäste an, wird klar: Dass Gastrobetriebe zu kämpfen haben, hat viele Gründe. Ein Faktor scheint jedoch fundamental zu sein. Fehlt es an Herzblut und Persönlichkeit, scheinen das die Kunden bald zu merken. Und trinken ihr Feierabendbier lieber zu Hause.

Hansruedi Langenegger sitzt mit am Stammtisch in der «Braui». Jeden Tag trifft er dort seine Freude.

Hansruedi Langenegger sitzt mit am Stammtisch in der «Braui». Jeden Tag trifft er dort seine Freunde.

(Bild: wia)

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2 Kommentare
  • Profilfoto von Richard Ephraim Scholl
    Richard Ephraim Scholl, 25.03.2023, 17:50 Uhr

    Baar ist nicht allein, in der ganzen Schweiz schliessen Traditionswirtschaften, nun noch beschleunigt dank der Chinaseuche. Ein Kulturverlust. Eine Gastkultur, die in der ganzen Schweiz über 500 Jahre geschätzt wurde. Rund zwei Drittel der Wirtschaften (nicht Beizen), die ich in meinem langen Leben besuchte, gibts nicht mehr, obschon die Einwohnerschaft sich mehr als verdoppelte.

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  • Profilfoto von Hans Peter Roth
    Hans Peter Roth, 16.11.2018, 15:59 Uhr

    Es wäre interessant zu erfahren, wieviel Pachtzins die Wirte monatlich stemmen müssen. Zum Teil ist die Rede von astronomischen Summen, welche die Quadratmeterpreise von Wohnungen und Gewerbe um das Mehrfache übertreffen. Glücklich dürfen Wirte sein, die in den eigenen Räumen wirten können oder einen zuverlässigen und nicht raffgierigen Vermieter als Partner haben.

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