Hotspot für asiatische Gäste, die nach Zug kommen

Warum es chinesische Touristen immer ins Seeliken verschlägt

Auch diese chinesischen Touristen waren im Zuger Strandbad, um Fotos zu schiessen: Daqing Zhang und Liang Qu.

(Bild: woz)

In Luzern trifft man täglich Hunderte chinesischer Touristen vor der Kapellbrücke. Nach Zug kommen längst nicht so viele Gäste aus dem fernen Osten. Und doch haben auch sie hier längst ihren Lieblingsplatz gefunden – im Strandbad Seeliken beim Casino.

Selbst bei Wind und Wetter kann man fast die Uhr nach ihnen stellen – nach den chinesischen Touristen, die es auf ihrem Trip durch die Zuger Altstadt hierher verschlägt. Die Rede ist vom Strandbad Seeliken und der Henry-Moore-Plastik auf dem hölzernen Sonnendeck.

Mal pilgern sie in regelrechten Horden hierher, um mit ihren Smartphones zu knipsen, was sie vor die Linse kriegen. Mal sind sie nur zu zweit – wie das Pekinger Ehepaar, das zentraplus an diesem kühlen Herbsttag antrifft. Aber sie sind da. Ganz verlässlich.

Was für chinesische Touristen die Kappelbrücke in Luzern ist, ist für sie in Zug das Strandbad Seeliken – weil man von hier aus so schöne Naturfotos schiessen kann.

Was für chinesische Touristen die Kappelbrücke in Luzern ist, ist für sie in Zug das Strandbad Seeliken – weil man von hier aus so schöne Naturfotos schiessen kann.

(Bild: woz)

Bevor es zu einem gegenseitigen Kulturaustausch zwischen dem christlichen Abendland und den Bewohnern des Reichs der Mitte kommt, weicht man sich erst mal aus. Chinesische Touristen scheinen es verinnerlicht zu haben, wie man sich verhält, wenn jemand sein Smartphone in Stellung bringt, um etwas zu fotografieren. Sie gehen nämlich sofort höflich aus dem Sichtfeld der Kamera, um ja nicht im Weg zu stehen.

«Es ist die unberührte, schöne Natur in der Schweiz, warum so viele Chinesen jedes Jahr hierher reisen.»

Liang Qu, chinesische Touristin

Fotos sind eben doch Privatsache – auch wenn man aus dem Milliarden-Wusel-Land kommt, wo man vermutlich selten irgendwo alleine ist. Und wo die Chinesen, wie hier in Zug und Luzern auch, täglich zig Selfies und andere Fotos schiessen.

«Sorry, do you speak English? Why do you come here to this point?» Die angesprochene chinesische Touristin ist sofort zum Smalltalk bereit. Sie zückt ihr Smartphone und zeigt mit dem Finger auf die chinesische Variante von Google Maps – wo Schriftzeichen Zug benennen. Auf dem chinesischen Stadtplan von Zug sind allerhand Sehenswürdigkeiten eingetragen – auch das Seeliken beim Casino.

Alleine mit dem Auto unterwegs

«Es ist die unberührte, schöne Natur in der Schweiz, warum so viele Chinesen jedes Jahr hierher reisen», sagt die 48-jährige Liang Qu aus Peking. Sie ist mit ihrem Ehemann Daqing Zhang (59) aus Chinas Metropole nach Frankfurt geflogen.

«Dort haben wir uns ein Auto gemietet und sind zuerst über Stuttgart nach Zürich gefahren. Gerade eben sind wir in Zug angekommen», sagt sie. Fünfzehn Tage reisen sie insgesamt durch Deutschland, die Schweiz und Österreich, um dann wieder von München gen Osten zu fliegen.

«Mein Mercedes zuhause ist natürlich wesentlich komfortabler.»

Daqing Zhang, chinesischer Tourist

Die deutschen Autobahnen seien ziemlich voll und kurvig, meint Gatte Daqing, der inzwischen zur kleinen Gesprächsrunde im feuchtkalten Seewind hinzugestossen ist. «Wir haben einen Ford gemietet, der ist ganz ok. Aber mein Mercedes zuhause ist natürlich wesentlich komfortabler», sagt er stolz und grinst über das ganze Gesicht. Er bittet Liang, dem Herrn aus der Schweiz doch kurz das Bild von seiner Edelkarosse auf dem Smartphone mit dem angebissenen Apfel zu zeigen.

Ehepaar arbeitet für deutsche Firmen in Peking

Man staunt nicht schlecht über den dunkelblauen Benz mit dem grossen hellblauen Kennzeichen, der offensichtlich in einer schönen grossen Garage steht. Aber kann und darf man mit dem überhaupt noch im vom Smog geplagten Peking fahren? Daqing grinst wieder fröhlich. «Die Regierung hat angefangen, Luftverbesserungsprogramme zu starten und die Zahl der Fabriken zu reduzieren.»

Google Map auf chinesisch: Auch im Reich der Mitte weiss man ganz genau, wo man in Zug hin muss.

Google Map auf chinesisch: Auch im Reich der Mitte weiss man ganz genau, wo man in Zug hin muss.

(Bild: woz)

Liang und Daqing arbeiten beide für eine deutsche Firma in Peking als «General Manager». Einmal pro Jahr reisen sie nach Europa, weil es ihnen hier so gut gefällt. «Die Schweiz ist am schönsten», versichert Daqing im Brustton der Überzeugung und bekräfitigt das Ganze mit aufrechtem Daumen. Sagts und lacht wieder über beide Backen. Ehefrau Liang hat bloss ein kleines Problem: «Ich mag das Schweizer Essen eigentlich nicht so.» Na ja, das ist eben Geschmackssache.

Ins Zuger Strandbad Seeliken pilgern die Chinesen so gerne, weil es als Aussichts- und Fotografierpunkt in China so bekannt sei, wie die beiden aus Peking versichern. Sprich: Weil man von hier aus die Natur am See, das Panorama und den Blick auf Zug so schön knipsen könne. Und natürlich, weil die Reiseveranstalter und Organisatoren jede chinesische Touristengruppe einfach dorthin karren.

«You know, Chinese people work very hard.»

Liang Qu

So weit so gut. Aber wie können sich die Chinesen bloss so viele Reisen in die Schweiz leisten? «You know, Chinese people work very hard», sagt Ehefrau Liang. Man glaubt es ihr aufs Wort. Ausserdem habe das Reich der Mitte durch die Öffnung nach aussen doch inzwischen einen gewissen Wohlstand erreicht. Auch das wirkt plausibel. Aber…lässt sich denn so etwas auch in genauen Zahlen ausdrücken?

Liang hat sofort begriffen und verrät, nachdem sie den Wechselkurs auf ihrem Smartphone umgerechnet hat, wieviel sie verdient: 6’250 Euro. Im Monat, wohlgemerkt. «Yes, but before tax», präzisiert sie und lächelt: «And you know, we have to pay lots of taxes in China.»

9’625 Euro brutto

Bei Ehemann Daqing macht das monatliche Einkommen auf dem Smartphone gleich noch mehr her: «9’625 Euro», rechnet er vor und streckt einem das Handy entgegen. Wobei beide versichern, dass deutsche Firmen in China eigentlich nur Standard-Löhne bezahlen würden.

Inzwischen hat der Wind noch mehr aufgefrischt, und es wird langsam ungemütlich. «Heute Abend gehts weiter nach Luzern, wo wir übernachten. Danach fahren wir nach Innsbruck und Salzburg», sagen sie. Für Wien reiche es dieses Mal nicht mehr. Und schon sind sie fast wieder weg. «Wenn Sie mal nach Peking kommen, rufen Sie einfach vorher an», sagt Daqing und grinst wieder. Bestimmt würde er einen dann im dunkelblauen Mercedes abholen.

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