Staatsanwälte suchen Täter bei den Behörden

Fall Villiger: Nun wird wegen Amtsgeheimnisverletzung ermittelt

Zugs Sicherheitsdirektor Beat Villiger.

(Bild: woz)

Der Fall Villiger wird um eine weitere Facette reicher: Nun ermittelt die Luzerner Staatsanwaltschaft wegen möglicher Amtsgeheimnisverletzung. Es steht die Frage im Raum, wer den Medien das Verfahren gegen Beat Villiger gesteckt hat. War es jemand aus der Verwaltung?

Der kurze Satz konnte leicht übersehen werden. Er versteckte sich in der Medienmitteilung, welche der Zuger Regierungsrat Beat Villiger (CVP) letzten Donnerstag versandt hatte. Und in welchem Villiger mitteilte, dass er sein Amt als Regierungsrat nun doch antreten werde (zentralplus berichtete). «Aufgrund einer Amtsgeheimnisverletzung wurde dieses Verfahren öffentlich gemacht», hiess es.

Amtsgeheimnisverletzung? Das ist keine Lappalie: Artikel 320 des Schweizerischen Strafgesetzbuches hält dazu fest, dass die Täterin oder der Täter «mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe» bestraft wird. «Jemand hat die Akten der Untersuchung den Medien zugestellt», erklärt Villiger dazu auf Anfrage. «In welcher Amtsstelle diese Amtsgeheimnisverletzung gemacht worden ist, ist mir nicht bekannt.»

Untersuchung gegen Unbekannt eingeleitet

Amtsgeheimnisverletzung ist ein Offizialdelikt. Die Behörden müssen also von sich aus tätig werden, wenn Grund zur Annahme besteht, dass dieser Tatbestand erfüllt wurde. Gemäss Simon Kopp, Mediensprecher der Luzerner Staatsanwaltschaft, hat diese bereits von sich aus eine entsprechende Untersuchung eingeleitet. «Die Staatsanwaltschaft hat am 10. Oktober die Untersuchung gegen Unbekannt eingeleitet. Im Fokus stehen die Luzerner und Zuger Behörden.» Unter anderem gehe es um die Luzerner Staatsanwaltschaft, die Luzerner Polizei und die Strassenverkehrsämter der beiden Kantone.

«Diese Untersuchung wird von einem Staatsanwalt geführt, welcher bisher nichts mit dem Fall zu tun hatte.»

Simon Kopp, Medienverantwortlicher Luzerner Staatsanwaltschaft

Gemäss Kopp wird die Untersuchung von der fünften Abteilung der Staatsanwaltschaft Luzern geführt. Er erinnert daran, dass die damalige Untersuchung im Fall Villiger von der Staatsanwaltschaft Sursee durchgeführt worden sei. «Somit wird diese Untersuchung von einer anderen Abteilung und von einem Staatsanwalt geführt, welcher bisher nichts mit dem Fall zu tun hatte.» Auch in örtlicher Hinsicht sei eine Trennung der Verfahren erfolgt.

Staatsanwaltschaft ermittelt gegen sich selbst

Damit ermittelt die Luzerner Staatsanwaltschaft aber quasi doch in eigener Sache. Stellt sich die Frage, ob dies sinnvoll oder legitim ist. Für Kopp ist dieses Vorgehen praktikabel: «Dies insbesondere darum, weil die Untersuchung unabhängig und losgelöst von der ursprünglichen Untersuchung im Fall Villiger durchgeführt wird.»

Auch für Martino Mona, Strafrechtsprofessor der Universität Bern, entspricht diese Vorgehensweise durchaus der üblichen Praxis. Es komme eher selten vor, dass ein solches Verfahren bereits von Beginn weg an eine ausserkantonale Staatsanwaltschaft delegiert werde. In einem zweiten Schritt müsse man aber sehen, wie sich das Ganze entwickle. Sollte sich der Verdacht gegen eine Mitarbeiterin oder einen Mitarbeiter des Kantons erhärten, so wäre eine Delegation nach aussen gegebenenfalls zu überprüfen.

«Ich habe auf offiziellem Weg die Einstellungsverfügung geholt und dann weiter recherchiert.»

Carlos Hanimann, Journalist «Republik»

Woher die «Republik» ihre Quelle hatte, ist derzeit für Aussenstehende offen. Insgesamt hätten sechs Medienschaffende Einblick in den Fall Villiger verlangt, sagt Simon Kopp. «Einer davon war jener Journalist, welcher am 1. Oktober den Fall Villiger im Onlinemagazin ‹Republik› ins Rollen brachte.» Die fünf anderen Journalisten hätten erst nach der Publikation der «Republik» Einsicht genommen, ergänzt Kopp. Dass Medien hier als Informationsbeschaffer für Medien dienten, scheint somit unwahrscheinlich.

Woher sind die Infos durchgesickert?

Der besagte Journalist der «Republik» ist Carlos Hanimann. Er hatte zusammen mit Michael Rüegg den erwähnten Text in der «Republik» verfasst. Carlos Hanimann selber äusserst sich naheliegenderweise nicht darüber, woher er seine Informationen hatte: «Ich rede grundsätzlich nicht über Quellen. Ich habe auf offiziellem Weg die Einstellungsverfügung geholt und dann weiter recherchiert», sagt er.

Simon Kopp, Mediensprecher der Luzerner Staatsanwaltschaft.

Simon Kopp, Mediensprecher der Luzerner Staatsanwaltschaft.

(Bild: les)

«Innerhalb der Luzerner Staatsanwaltschaft, der Polizei und den Strassenverkehrsämtern Luzern und Zug hatten verschiedene Mitarbeiter Kenntnis vom Verfahren gegen Villiger», erklärt Simon Kopp. Zudem könne nicht ausgeschlossen werden, dass jemand ausserhalb der Verwaltung die «Republik» informiert habe.

Bis wann ungefähr Erkenntnisse vorliegen werden, kann Simon Kopp im Moment noch nicht sagen. Dies hänge auch davon ab, wie der zuständige Staatsanwalt vorzugehen gedenke und in welchem Umfang ermittelt werde. Immerhin lässt er durchblicken, dass die Sache schwierig werden könnte. Eine andere Untersuchung betreffend einer möglichen Verletzung des Amtsgeheimnisses blieb vor einiger Zeit jedenfalls ohne Resultat.

«Trotzdem wollen wir die mögliche Amtsgeheimnisverletzung überprüfen», erklärt Kopp abschliessend.

Deine Ideefür das Community-Voting

Die Redaktion sichtet die Ideen regelmässig und erstellt daraus monatliche Votings. Mehr zu unseren Regeln, wenn du dich an unseren Redaktionstisch setzt.

Deine Meinung ist gefragt
Deine E-Mailadresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Bitte beachte unsere Netiquette.
Zeichenanzahl: 0 / 1500.


1 Kommentar
  • Profilfoto von Hans Peter Roth
    Hans Peter Roth, 23.10.2018, 00:21 Uhr

    Jetzt wird der Whistleblower gesucht, welcher der Zeitung „Die Republik“ Akten zugespielt hat und die aufzeigen, dass auf der helvetischen „Farm der Tiere“ auch nicht alle Tiere gleich sind. Die Luzerner Staatsanwaltschaft, welche in der Schweiz als Hardlinerin gilt, weil sie nur etwa 10 % aller Verfahren einstellt, hat ausgerechnet beim Zuger Justizdirektor Beat Villiger die Augen zugedrückt, obschon die polizeiliche Untersuchung nahelegt, dass er sein Auto wiederholt einer nicht fahrberechtigten Person zur Verfügung stellte. Der später nachgelieferte Kaufvertrag passt zum Handlungsablauf wie ein Faust auf ein Auge. Trotzdem stellte der Staatsanwalt das Verfahren ein, was stark nach Begünstigung aussieht. Die grosse Frage ist: Wer überwacht im Kanton Luzern die Staatsanwaltschaft? Offenbar ist niemand dafür richtig zuständig. Anstatt etwas Licht in diese Dunkelheit zu bringen, stürzt sie sich nun auf den Whistleblower, der in lobenswerter Weise das staatliche Gemauschel publik machte. Merke: In Bananenrepubliken leben Whistleblower und Journalisten gefährlich. Verdächtige Justizminister bleiben hingegen auf ihrem Polstersessel sitzen und sagen: La loi c’est moi!

    👍0Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎0Daumen runter
Apple Store IconGoogle Play Store Icon