Luzern: Zwischennutzung im Zentralbahn-Stellwerk

Pulpa-Besetzer beziehen neues Gebäude – diesmal legal

Der Luzerner Stadtrat gibt das ehemalige Zentralbahn-Gebäude am Freigleis für eine Zwischennutzung frei.

(Bild: jal)

Der Tintenfisch zieht von der Museggmauer ans Freigleis: Die Gruppe, die im April unter dem Namen Pulpa ein städtisches Gebäude besetzte, stellt an der Horwerstrasse eine legale Zwischennutzung auf die Beine. Geplant ist ein Ort für Begegnung und Austausch, Partys sind explizit verboten. Denn die Stadt Luzern stellt Bedingungen – und kontert der Kritik.

Die Stadt Luzern erhält eine neue Zwischennutzung: Das ehemalige Stellwerk der Zentralbahn an der Horwerstrasse wird zu einem Begegnungs- und Weiterbildungsort, wie die Stadt diesen Montag mitteilt. 

Einziehen wird die Gruppe, die letzten Frühling unter dem Namen Pulpa die Remise Auf Musegg 1 besetzt hatte. Nach wochenlangen öffentlichen Diskussionen und einem folgenlos verstrichenen Ultimatum einigten sich Besetzer und Stadt. Der Stadtrat verzichtete auf eine Strafanzeige und kündigte damals an, einen alternativen Raum zu suchen (zentralplus berichtete).

Auf ein Jahr befristet – und keinesfalls anonym

Nun ist man fündig geworden: im derzeit leer stehenden, ehemaligen Stellwerk der Zentralbahn an der Horwerstrasse 14. Mit der Neuverlegung der Zentralbahn wurde dieses ausser Betrieb gesetzt und seither als Baubüro für die Kanalisationserneuerung Eichwald und für das Projekt Neugleis zwischengenutzt. Was langfristig mit dem Gebäude passiert, ist noch offen. Der Stadtrat gibt es darum für eine auf ein Jahr befristete Zwischennutzung frei.

Miete zahlen muss der Verein für die Zwischennutzung der rund 50 Quadratmeter nicht. Er trägt die Kosten für Strom, Wasser und Abwasser selber. Und Von Seiten der Stadt gab es laut Mitteilung klare Bedingungen. So muss sich die Gruppe diesmal nachweisbar zu erkennen geben. Dass sie im Frühling Auf Musegg anonym auftrat, führte auf bürgerlicher Seite zu wiederholter Kritik (siehe Box am Textende).

Das besetzte Nebengebäude der städtischen Villa an der Museggmauer.

Das letzten April besetzte Nebengebäude der städtischen Villa an der Museggmauer.

(Bild: mam)

Trotzdem mag es nach der Kritik am anonymen Auftritt der Besetzer überraschen, dass die Stadt der Gruppe nun kostenlos ein Gebäude zur Verfügung stellt. Dass die Stadt keinen Mietzins verlangt, sei bei nicht-kommerziellen Nutzungen aber üblich, sagt Baudirektorin Manuela Jost (GLP). Auch das Neubad, die grösste Zwischennutzung in der Stadt Luzern, zahlt nur die Nebenkosten.

«Klar ist es bedauerlich, dass vorher eine Besetzung stattgefunden hat.»

Manuela Jost, Stadtluzerner Baudirektorin

Jost stellt zudem klar, dass die Pulpa-Gruppe keine Vorzugsbehandlung erfahren habe. «Klar ist es bedauerlich, dass vorher eine Besetzung stattgefunden hat. Aber wir waren erst gewillt, überhaupt Verhandlungsgespräche zu starten, als die Besetzung beendet und unsere Bedingungen erfüllt waren.» Jost wehrt sich daher gegen die Behauptung, die Stadt belohne die Hausbesetzer nun für ihr illegales Tun Auf Musegg 1 und sende damit ein fragwürdiges Zeichen.

Das ist nun passé: Die Gruppe habe einen Verein gegründet und sich bereit erklärt, vertraglich Verantwortung zu übernehmen. «Nach Ansicht des Stadtrates hat die Gruppierung mit ihrem Verhalten gezeigt, dass sie es mit einer Nutzung von geeigneten Räumlichkeiten ernst meint», heisst es in der Mitteilung der Stadt. Sie hat mit dem Verein einen Gebrauchsleihvertrag abgeschlossen. Dass die Stadt bei der Suche nach geeigneten Lokalen hilft, entspricht laut der Baudirektorin dem üblichen Verfahren. «Wir haben auch schon Ateliers oder sonstige Lokale an Interessierte vermittelt», sagt Jost und ergänzt: «Man kann jederzeit anrufen und fragen, ob die Stadt einen passenden Raum für eine Zwischennutzung hat.»

Schule statt Party, Austausch statt Kommerz

Der neu gegründete Verein hat den Zweck, «gemeinsam mit allen Interessierten einen 
offenen, nicht kommerziellen Raum zu beleben und zu gestalten, insbesondere im Sinne eines Austausches von Wissen und Fertigkeiten in Form einer autonomen Schule». Geplant ist ein Begegnungs- und Weiterbildungsort, der sich auch an die Nachbarschaft richten und «den Austausch von politischen wie gesellschaftlichen Ideen fördern» soll.

Das Ganze wird aber nur im kleinen Rahmen stattfinden. Denn aus Sicherheitsgründen dürfen sich höchstens 20 Menschen im Gebäude aufhalten. Der Verein namens Räzel ist laut Stadträtin Manuela Jost selber für die Sicherheit verantwortlich. «Sie müssen laut Vereinbarung dafür sorgen, dass sich nicht mehr als 20 Personen im Gebäude aufhalten.» Partys und kommerzielle Anlässe sind verboten; ab 22 Uhr gilt Nachtruhe.

Das Gebäude ist gemäss Angaben der Stadt nur mit einer minimalen Grundinfrastruktur ausgestattet, könne aber ohne weitere Anpassungen genutzt werden. Es brauche lediglich ein Baugesuch für die Nutzungsänderung. Geld einschiessen wird die Stadt keines. Die Kosten für den Betrieb und einen allfälligen Ausbau müssen die Nutzer tragen. Die Zwischennutzung startet, sobald die Bewilligung für die Umnutzung vorliegt, das soll noch in diesem Jahr der Fall sein.

Kritik an anonymem Auftritt – das sagt der Stadtrat

Die Besetzung letzten Frühling Auf Musegg hat auf bürgerlicher Seite für Kritik gesorgt, insbesondere, weil die Gruppe anonym auftrat. Die SVP bezeichnete es in einer Interpellation als «absolut entwürdigend und somit inakzeptabel», wenn öffentliche Gelder dafür aufgewendet werden, für eine anonyme Gruppe geeignete Räume zu suchen.

«Der Stadtrat teilt die Ansicht, dass sich Organisationen und Personen, welche Dienstleistungen von der Stadt erhalten, zu erkennen geben müssen.»

Antwort des Stadtrates auf die Interpellation von Marcel Lingg (SVP)

«Der Stadtrat teilt die Ansicht des Interpellanten, dass sich Organisationen und Personen, welche Dienstleistungen von der Stadt erhalten, zu erkennen geben müssen», schreibt er in seiner nun veröffentlichten Antwort. Deshalb habe man den Hausbesetzern letzten Frühling mitgeteilt, dass die Namen von Ansprechpersonen genannt werden müssten, bevor die Stadt sich auf eine Diskussion über eine künftige Lösung einlasse. Diese Bedingung hätten die Besetzer erfüllt. Mit der Gründung des Vereins hätten sie auch klare Ziele formuliert und der Stadt die Statuten vorgelegt.

Der Aufwand der Stadt habe sich ohnehin in Grenzen gehalten, so der Stadtrat weiter. «So wurde stadtintern lediglich geprüft, ob in näherer Zukunft mit allfälligen geeigneten Leerständen zu rechnen ist.» Das sei Teil des routinemässigen Portfoliomanagements.

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