Grössere Kommissionen statt Dorfparlament

Baar bekommt nun ein kleines bisschen mehr Demokratie

Nur 1,5 Prozent aller Baarer Stimmberechtigten kommen im Schnitt zu den Gemeindeversammlungen. Eine Gemeindeparlament wird deswegen nicht eingeführt.

(Bild: woz)

Braucht Baar ein Parlament? Eine Frage, die der Gemeinderat wieder einmal mit Nein beantwortete. Dennoch scheint sich dieses Thema zum politischen Stehaufmännchen in Baars zu werden – wie die engagierte Diskussion bei der Gemeindeversammlung wieder einmal zeigte.

24’000 Einwohner hat Baar. Gestern erschienen ganze 196 Personen, um darüber zu befinden, ob Baar nicht doch irgendwann ein Parlament braucht. Allein der krasse Unterschied zwischen beiden Zahlen deutet daraufhin, dass hier womöglich ein demokratisches Ungleichgewicht herrscht.

Nicht zuletzt auch, weil seit Jahren bekannt ist, dass in Baar im Schnitt jeweils nur 1,5 Prozent der Stimmberechtigten an Gemeindeversammlungen auftauchen. Repräsentative Demokratie scheint irgendwie anders zu funktionieren. Zum Beispiel mit Parlament?

16 kritische Fragen der IG Baarlament

Diese Frage scheint die Baarer immer wieder von Neuem aufzuwühlen. Deshalb unterzeichneten auch 75 Personen die Interpellation der IG Baarparlament. Die hatte 16 Fragen eingereicht, um zu hinterfragen, ob jenes immer wieder vielzitierte und vom Baarer Gemeinderat mantraartig beschworene «Baarer Modell» denn überhaupt noch zeitgemäss sei.

«Die Meinung des Gemeinderats hat sich diesbezüglich seit 2012 nicht geändert.»

Baarer Exekutive

Der Gemeinderat lieferte detaillierte Antworten auf die Interpellation – wobei die Stossrichtung klar ist: Ein Parlament käme viel teurer. Wäre zu aufwendig. Und würde für die politischen Entscheidungen länger dauern.

«Die Meinung des Gemeinderats hat sich diesbezüglich seit 2012 nicht geändert.» Und: «Es stellt sich generell die Frage, ob eine Gemeindeversammlung attraktiv sein muss. Die direkte Demokratie und Mitbestimmung stehen im Vordergrund» – so lauten einige Sätze aus der Interpellationsantwort der Baarer Exekutive.

«Wir sind enttäuscht und fühlen uns nicht ernstgenommen.»

Samuel Imfeld, IG Baarlament

Dabei weiss jeder Gemeindeversammlungsbesucher aus eigener Erfahrung, wie wenige bis zumeist gar keine freie Voten jeweils bei einer Gemeindeversammlung gewöhnlich auf den Tisch kommen.

«Wir sind enttäuscht über die Antworten, weil wir uns vor allem nicht ernstgenommen fühlen», bedauerte Samuel Imfeld von der IG Baarlament denn mit einem leicht traurigen Timbre in seiner Stimme. Sagte es und erfuhr eine jähe Schützenhilfe von SP-Gemeinderatskandidat Zari Dzaferi.

Zari Dzaferi geht auf Konfrontationskurs

Dieser griff den Gemeinderat mit voller Breitseite an und führte dem Exekutivgremium wie auch den anwesenden Besuchern der Gemeindeversammlung vor Augen, wie windig teilweise die Baarer Exekutive in ihren Antworten auf die Interpellation zu argumentieren schien. Vor allem war ihm die Kostendiskussion ein Dorn im Auge.

Politische «Mengenlehre» für den Baarer Gemeinderat: Das Kommissionsverteilungsmodell der Grünliberalen.

Politische «Mengenlehre» für den Baarer Gemeinderat: Das Kommissionsverteilungsmodell der Grünliberalen.

(Bild: woz)

«Wie ist es möglich, dass der Grosse Gemeinderat in der Stadt Zug letztes Jahr 324’560 Franken für ein 40-köpfiges Gremium kostete, der Zuger Kantonsrat 770’000 Franken, die Baarer Exekutive aber die Kosten für ein künftiges Baarer Parlament mit sechs Millionen Franken veranschlagt», bohrte Dzaferi nach.

Fragwürdige Kostengrobschätzungen

Dabei räumt der Gemeinderat in seiner Interpellationsantwort selbst ein, dass diese Berechnungen auf «nicht überprüfbaren Aussagen von Finanzverantwortlichen anderer Gemeinden mit einem Parlament gehen» und offenbar auf fünf Prozent der budgetierten jährlichen Aufwendungen basieren. Und dann grob über den Daumen gepeilt auf Baarer Verhältnisse hochgerechnet wurden.

«Es geht auf jeden Fall in den Millionenbereich.»

Andreas Hotz, Gemeindepräsident Baar

Wobei Gemeindepräsident Andreas Hotz in der späteren Diskussion zugab, dass es auch nur 4,5 Millionen Franken oder fünf Millionen Franken sein könnten. «Es geht auf jeden Fall in den Millionenbereich.»

Doch es gab natürlich auch zahlreiche Pro-Voten für die Beibehaltung der Baarer Legislative in Gestalt der Gemeindeversammlung. SVP-Gemeinderatskandidat Oliver Wandfluh redete ebenfalls der Effizienz, der Lösungsorientiertheit und der Kostengünstigkeit der Gemeindeversammlung das Wort. «Ausserdem geht es im Parlament oft nur um Parteipolitik und nicht um Sachpolitik.»

Wie wäre es mit einer Volksabstimmung zum Thema?

Der Kantonsparlamentarier wurde in seinem Ansinnen von SVP-Parteikollege Michael Riboni unterstützt, dessen Plädoyer für die Gemeindeversammlung fast einer romantischen, basisdemokatischen Schwärmerei gleichkam.

Musste teilweise um ihre Traktanden kämpfen: Die Baarer Exekutive.

Musste teilweise um ihre Traktanden kämpfen: Die Baarer Exekutive.

(Bild: woz)

Wobei Riboni die durchaus plausibel und praktikabel wirkende Aufforderung an den zukünftigen Gemeinderat richtete, doch endlich mal eine Volksabstimmung zum Thema Parlament oder Gemeindeveranstaltung zu lancieren. «Denn sonst wird diese Frage, ob es ein Parlament in Baar braucht, noch zur never-ending story. Und die Bevölkerung hat schliesslich immer recht.» 

Ob es dazu wirklich kommt, darf allerdings bezweifelt werden. Denn die gemeinsame Motion der FDP und der SVP für mehr Demokratie in der Gemeinde Baar hat der Gemeinderat positiv umgesetzt.

Künftig neun statt sieben Kommissionmitglieder

Will heissen: Die den Gemeinderat beratenden Kommissionen können künftig statt bisher sieben Mitglieder neun Mitglieder haben – und sollen auf diese Weise mehr dem Parteienproporz in der Gemeinde gerecht werden.

Doch das vom Gemeinderat erarbeitete Modell, dass die für den Gemeinderat abgegebenen Majorzstimmen und die per doppeltem Pukkelsheimer errechneten Wähleranteile der Parteien im Kantonsrat miteinander vermischt, stiess vor allem nicht auf den Gefallen der Grünliberalen. 

«Weil es so einfach am gerechtesten wäre.»

Anna Lustenberger, Alternative-die Grünen

Diese präsentierten durch Rita Arnold in einer unterhaltsamen politischen Mathematikstunde ein interessantes Modell vorgeführt, welches nur die Kantonsratsstimmen für die Kommissionszuteilung berücksichtigt – dies, um auch kleinen Parteien und parteilosen Kandidaten einen Sitz in einer Kommission zu ermöglichen.

Dieser Ansatz erfuhr von zahlreichen Linken Unterstützung. «Weil es so einfach am gerechtesten wäre», so Anna Lustenberger von der Alternative-die Grünen. Sagte es und flehte fast die Besucher der Gemeindeversammlung an, dieses Modell anzunehmen. Auch der parteilose Streiter für den neuen Gemeinderat, Martin Pulver, entwickelte eine allerdings sehr kompliziert anmutende Variante, die insbesondere Parteilose berücksichtigen würde.

Hotz: «Nicht undemokratisch»

In der Abstimmung über die Motion setzte sich schliesslich das Kommissionserweiterungskonzept des Gemeinderats grossmehrheitlich durch. «Dieses ist nicht undemokratisch», versicherte Hotz am Ende.

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