«blindekuh»-Initiant gründet in Zug das «Modi»

Hohe Ziele: 130’000 Menschen sollen in neues Museum pilgern

Im Siemens-Gebäude, das 2022 abgerissen wird, entsteht vorläufig ein Museum der besonderen Art.

(Bild: zVg)

Ein neues Museum entsteht in Zug. «Modi» beraubt den Gast seiner Sinne, schickt ihn in die Stille und in die Dunkelheit. Dies jedoch nicht auf eigene Faust, sondern begleitet von Blinden, Tauben und älteren Menschen. Diesen will der Sozialunternehmer und «blindekuh»-Initiant Andreas Heinecke gegen 60 Arbeitsplätze anbieten.

Es ist Abend, draussen ist’s finster, das künstliche Licht verschafft Abhilfe. Doch plötzlich geht der Strom aus. Alles ist dunkel. Die natürliche Reaktion: Man ist irritiert. Vielleicht ängstlich. Und beginnt dann nach und nach, sich mit den übrigen Sinnen zu orientieren. Tastet sich voran, lauscht, vielleicht riecht man plötzlich mehr.

Die Zuger werden sich bald häufiger damit auseinandersetzen, was es bedeutet, wenn man seiner Sinne beraubt wird. Wenn man nichts sieht, nichts hört oder seine Beine nicht gebrauchen kann.

Andreas Heinecke hat nämlich Grosses im Sinn. Der bekannteste deutsche Sozialunternehmer, der auch bei der Gründung des Dunkelrestaurants blindekuh verantwortlich war, gründet ein Museum. Eines auf Zeit, genauer gesagt für drei Jahre. Dies in der Siemens-Shedhalle, in der kommendes Jahr auch die Zwischennutzung «Freiruum» entsteht. Es soll ein einzigartiges Museum werden, nicht nur in Zug, sondern im gesamtschweizerischen Raum. «Modi» soll ein Museum für Vielfalt und Inklusion werden, erklärt er.

Wie kommuniziere ich, wenn ich nichts höre?

Was zunächst sehr theoretisch klingt, ist alles andere als das. Die Besucher lernen etwa, zu kommunizieren, während sie schalldichte Kopfhörer tragen. Oder aber, was es heisst, in der Haut eines älteren Menschen zu stecken.

«Es soll werden wie in einem Apple Store», verrät Heinecke. «Sobald Sie ins Museum treten, werden Sie persönlich betreut. Entsprechend persönlich, passgenau sind unsere Touren. Sie werden aktiv eingebunden ins Geschehen.»

«Die Ausstellung wird durchaus provozieren.»

Andreas Heinecke, Initiant des Museums Modi

«Wir stellen Ihnen beispielsweise Fragen. Sind Sie Schweizer? Mann oder Frau? Kommen Sie aus einer Patchwork-Familie? Mögen Sie Levi’s Jeans? Entsprechend Ihrer Antwort verteilen Sie sich auf verschiedene Felder.» Klingt spannend. Aber wozu das Ganze? «Sehr schnell sieht man, ob man irgendwo dazugehört oder eben nicht. Ist man in oder out?», sagt der Hamburger.

So könnte das Museum künftig aussehen. Besucher werden nah begleitet von Angstellten.

So könnte das Museum künftig aussehen. Besucher werden nah begleitet von Angstellten.

(Bild: zVg)

Er fährt fort: «Die Ausstellung wird durchaus auch provozieren.» Denn sobald man etwa plötzlich nichts mehr sehe, werde man aus der eigenen Komfortzone geholt. «Diese Bereiche der Ausstellung nennen wir Deep Dive. Hier geht es um die konkrete Erfahrung.»

Wie steht es um Ihre Empathiefähigkeiten?

Auch sei es möglich, sich ein persönliches Profil zuzulegen. «Wir testen beispielsweise Ihre Empathiefähigkeit.» Alles im Rahmen der Datenschutzbestimmungen, versichert Heinecke.

Es ist nicht das erste Museum dieser Art. An 28 Standorten auf der ganzen Welt hat Heinecke bereits solche Projekte umgesetzt. Doch zu welchem Zweck? «Wir wollen Sie anregen, innovativ mitzuwirken.»

50–60 neue Arbeitsplätze für Beeinträchtigte und Senioren

Andreas Heinecke – Initiant von «Modi»

Andreas Heinecke – Initiant von «Modi»

(Bild: zVg)

Andreas Heinecke scheint sich seiner Sache sehr sicher zu sein. Er glaubt nicht nur an den Erfolg des Museums «Modi», er glaubt, dass jährlich 130’000 Menschen nach Zug ins Museum kommen. «Und wenn nur ein Prozent der Besucher danach sozial aktiv wird – meine Herren – dann ist das ein Erfolg.» Damit meint der Sozialunternehmer nicht nur Leute, die politisch aktiv werden oder soziale Startups gründen. «Es geht auch darum, Zivilcourage zu zeigen. Etwa, dass Jugendliche beginnen, sich gegen Mobbing einzusetzen.»

Mit der Inbetriebnahme schafft der Initiant eigenen Angaben zufolge Arbeitsplätze für 50 bis 60 Leute, «die entweder blind, gehörlos oder über 60 Jahre alt sind. Unsere älteste Mitarbeiterin ist 95.»

Alles ohne öffentliche Gelder

Ein solches Museum klingt nicht günstig, erst recht nicht bei so vielen Angestellten. Dennoch ist der Initiant sehr entspannt: «Wir wollen dafür keine Bundesgelder verwenden», versichert Heinecke selbstsicher. «Finanziell werden wir unterstützt von der Marc Rich Foundation.» Und sollten sich die jährlich 130’000 Besucher bewahrheiten, dürfte das Projekt «Modi» sogar äusserst lukrativ werden.

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