Repo von der SBB-Baustelle in Luzern

Lärm, Dreck und Staub: Bei der rollenden Fabrik am Rotsee

Schwerarbeit mitten in der Nacht: Ein neues Schotterbett ist parat für die Schienen.

(Bild: jwy)

Am Sonntag verunfallte bei Gleisarbeiten ein Bauzug, und er brachte zum Wochenstart die Pendlerstrecke Luzern–Zug gehörig durcheinander. Was machen die SBB da eigentlich zwischen Luzern und Ebikon? Wir packten einen Bauhelm – und Oropax! – und mischten uns unter die fleissigen Nachtarbeiter.

Spätestens seit Montag wissen alle Pendler, dass zwischen Luzern und Ebikon die Gleise erneuert werden. Seit auf der Baustelle am Rotsee ein Bauzug entgleist ist und den Bahnverkehr zwischen Zug und Luzern mehr als einen Tag lang lahmgelegt hat (zentralplus berichtete).

Inzwischen ist der Vorfall behoben und die Unterhaltsarbeiten gehen nach Plan weiter. Will heissen: nachts, wenn die Pendler bereits wieder zu Hause sind. Wir haben uns am Mittwoch das Ganze von nahe angeschaut. Kurz vor 22 Uhr, wenn die Strecke bis zum ersten Zug am nächsten Tag gesperrt ist, sind wir in die Arbeitskleider gestiegen und an den Rotsee gefahren.

Tausende Tonnen Schotter und Sand

Auf einer Länge von über 1,8 Kilometern erneuern die SBB bis Oktober die ganze Fahrbahn. Es gibt nicht nur neue Gleise, sondern der ganze Unterbau wird ersetzt, damit er künftigen Belastungen standhält. Rund 3’500 Tonnen Schotter werden insgesamt verbaut, 1’700 Tonnen Kiessand. Kosten: 6,4 Millionen Franken.

Die Strecke zwischen Luzern und Ebikon ist in der Nacht gesperrt.
Die Strecke zwischen Luzern und Ebikon ist in der Nacht gesperrt. 

(Bild: jwy)

 

Daniel Fuhrer, Fachbauleiter Fahrbahn bei den SBB, erklärt: «Der Untergrund am Rotsee ist nicht gut; um den Boden tragfähig zu machen, bauen wir eine Gleisentwässerung.»

54 Meter kommt die Mannschaft pro Nacht vorwärts: Die alten Gleise abmontieren, Schotter entfernen, Untergrund abtragen, mit Sand ausfüllen, neuen Schotter drauf und die Gleise wieder montieren.

Die fahrende Fabrik

Dafür kommt die «Puscal 3» zum Einsatz, eine fahrende Fabrik. Die orangen Mannen stehen neben dem Gleis, beleuchtet von Scheinwerfern. Das 146-Tonnen-Ungetüm kündigt sich von Weitem an und rollt langsam heran. Die ganze Komposition hat mit Material- und Energiewagen eine Länge von über 500 Metern – sie zischt und raucht. Die Blitze am Horizont untermalen das Bild.

Die Arbeitsschritte im Video-Schnelldurchlauf:

18 Meter Fahrbahn aufs Mal kann die Maschine erneuern, dafür braucht sie etwas mehr als eine Stunde. Fahrende Kräne erledigen einen Schritt nach dem anderen: Sie heben die Schwellen mit dem Gleis aus dem Bett und fahren es in den hinteren Teil des Zugs, wo parallel die alten Metallschwellen durch länger haltbare Betonschwellen ersetzt werden.

Um 22.30 ist man noch keinen Meter vorwärtsgekommen, es braucht seine Zeit, bis die Maschine auf dem Platz und einsatzbereit ist. «Das sehen die Leute nicht, und sie fragen sich, wieso Gleisarbeiten so lange dauern», sagt Fuhrer. Drei Jahre im Voraus haben die Planungen begonnen, die Maschinen sind in der ganzen Schweiz und im Ausland im Einsatz.

Zum Glück gibt’s Oropax

Nun kommt der Moment, in dem klar wird, wieso wir neben Helm und oranger Weste auch Oropax in die Hand gedrückt bekamen: Das «Förderwerk», eine Art Spirale aus Krallen, bohrt sich in den Schotter und hebt ihn aus. Steine spicken umher, in Deckung gehen ist schwer, wir stehen am Hang direkt neben der Maschine.

Danach gräbt sich das Teil unter ohrenbetäubendem Lärm und ordentlich Staub in den Boden. Und wie um zu demonstrieren, was dieser Job mit sich bringt, beginnt es nun wie aus Kübeln zu regnen. Ich möchte mir gar nicht ausmalen, wie das hier im Winter wäre.

18 Meter Fahrbahn kann die fahrende Fabrik aufs Mal auswechseln.
18 Meter Fahrbahn kann die fahrende Fabrik aufs Mal auswechseln. 

(Bild: jwy)

30 Zentimeter tief haben sich die Krallen in den Boden gegraben und es ist ein glatter neuer Untergrund entstanden. Nun wird via Kran ein Kiesgemisch eingefüllt, eine Tonne nach der anderen wird entleert, der Sand verteilt und «gestopft», wie Fuhrer das nennt. «Der Sand verdichtet und verhindert, dass Wasser ins Gleisbett gelangt», so Fuhrer, und er habe eine lastenverteilende Wirkung.

Als wäre nichts gewesen

Dann wird neuer Schotter drauf verteilt, sechs Container voll für die 18 Meter – und danach kommen bereits die Schienen auf den neuen Schwellen angefahren und werden aufs präparierte Schotterbett gelegt.

Zugsausfälle bis 17. Oktober

Die Arbeiten am Rotsee dauern noch bis 17. Oktober, danach soll die Infrastruktur wieder parat sein für die Zukunft. Zwischen Luzern und Ebikon fallen deshalb nachts regelmässig Züge aus:

  • Bis 8. September fallen die Züge von Montag bis Samstag zwischen 21.50 und 5.20 Uhr aus.
  • Zwischen 10. September und 17. Oktober fallen die Züge jeweils nachts von Sonntag bis Freitag zwischen 23.50 und 5.20 Uhr aus.

Die ausfallenden Züge werden durch Busse ersetzt. Die Züge EC 151, 158, IR 26 und IC 21 werden via Küssnacht am Rigi umgeleitet.

Zwischen den einzelnen Schritten ist immer wieder Warten angesagt, Daniel Fuhrer begrüsst Kollegen und keine Maschine ist zu laut für ein «Sali, alles klar?». Doch wenn’s mal läuft, geht’s beeindruckend schnell: Kaum liegen die Gleise auf dem neuen Bett, werden sie zack fixiert und die «Puscal 3» bewegt sich 18 Meter weiter, um das Ganze wieder von vorne zu beginnen.

Drei Mal pro Nacht, 54 Meter, und die «Puscal 3» ruht in Rothenburg bis zur nächsten Nacht. Am Morgen früh rollen bereits wieder die ersten Züge über das neue Gleisbett, während der Bauphase sicherheitshalber mit einer reduzierten Geschwindigkeit von 50 Stundenkilometern. «Es ist schon erstaunlich, am Morgen merkt kein Pendler, dass hier etwas gegangen ist», sagt Fuhrer. Ziemlich sicher merken es jedoch die Anwohner auf der anderen Seite des Rotsees.

Unfallursache ist noch unklar

Die Baustelle am Rotsee ist nicht sonderlich gefährlich, weil es nur ein Gleis hat und keine Züge vorbeibrausen. Aber trotzdem: «Wir müssen heillos aufpassen, man ist immer der Gefahr ausgesetzt», sagt Fuhrer und ergänzt: «Die Routine ist die grösste Gefahr.»

Die Krane liefern die neuen Schwellen.
Die Krane liefern die neuen Schwellen. 

(Bild: jwy)

Und eben, am Sonntag ist es zu einem Unfall gekommen, ein Schotterwagen ist entgleist. Fuhrer wägt seine Worte ab, er wüsste mehr, als er sagen kann. «Es brauchte seine Zeit, um den Wagen nach dem Unfall zu kontrollieren, darum konnten wir nicht gleich weitermachen.» Und darum die ganztägige Sperrung des Streckenabschnitts am Montag.

«Der Unfall kann verschiedene Ursachen haben», sagt Fuhrer, diese werden noch untersucht. Aber er ist zuversichtlich, dass sie den Zeitverlust aufholen können. Bis Mitte Oktober dauern die Arbeiten noch, danach soll die neue Fahrbahn eine Lebensdauer von rund 50 Jahren haben. Und die fahrende Fabrik rollt zur nächsten Baustelle im dichten Schweizer Gleisnetz.

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