Patrick Grinschgl: «Ein riesiger Leerlauf»

Inländervorrang: Bund und Kanton loben – Luzerner Gastroverband tobt

Fachkräfte wie ausgebildete Köche sind für Wirte und Hoteliers nur schwer zu finden.

(Bild: flickr)

Die angenommene Masseneinwanderungsinitiative der SVP war jahrelang Gegenstand politischer Ränkespiele. Seit dem 1. Juli ist sie nun umgesetzt. Beim Kanton Luzern ist man mit der Startphase zufrieden. Ein betroffener Verband hingegen spricht von einem riesigen Leerlauf. 

In Berufsarten mit einer Arbeitslosigkeit von über acht Prozent müssen Arbeitgeber seit dem 1. Juli 2018 alle offenen Stellen dem Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum (RAV) melden. Grund für diese Massnahme ist die Annahme der SVP-Masseneinwanderungsinitiative im Februar 2014. Nach langem politischem Hickhack wurde der sogenannte «Inländervorrang light» eingeführt. Die Stellenmeldepflicht soll Arbeitslosen, die beim RAV gemeldet sind, einen Vorsprung von fünf Tagen gegenüber ausländischen Arbeitskräften bescheren. 

Nun hat das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) eine erste Zwischenbilanz gezogen. Die Zahl der gemeldeten Stellen betrug im Juli 14’284. «Die Meldepflicht wurde breit umgesetzt, wobei die Zahl der neu gemeldeten Stellen unsere Erwartungen übertrifft», sagt Boris Zürcher, Leiter der Direktion Arbeit beim Seco, gegenüber dem «Tagesanzeiger».

Auch wer nicht muss, meldet sich öfters 

In Luzern sind bisher rund 720 Stellen registriert, wie Martin Bucherer, Leiter der Dienststelle Wirtschaft und Arbeit (wira), gegenüber zentralplus erklärt. Dies sei etwas weniger als erwartet. Bucherer geht jedoch davon aus, dass die Zahl der Meldungen nach den Sommerferien zunehmen wird.

«Die Erfahrungen sind bisher grösstenteils positiv.»

Martin Bucherer, Dienststelle Wirtschaft und Arbeit

Im Kanton Luzern wurde ein Kompetenzzentrum für Arbeitgeber, der sogenannte Arbeitsmarktservice, neu aufgebaut – dazu wurden vier Stellen geschaffen (zentralplus berichtete). «Wir haben den Kontakt zu den Unternehmungen aktiv gesucht und diese über die Stellenmeldepflicht informiert. Die Erfahrungen sind bisher grösstenteils positiv und wir konnten einige erfolgreiche Vermittlungen verzeichnen», sagt Bucherer. Seit Anfang Juli werden auch mehr Meldungen in Berufen festgestellt, die von der Meldepflicht ausgenommen sind.

Martin Bucherer leitet die Dienststelle Wirtschaft und Arbeit.

Martin Bucherer leitet die Dienststelle Wirtschaft und Arbeit.

(Bild: les)

Die meisten Meldungen betreffen die Gastronomie, das Bauhauptgewerbe, die Logistik, das Marketing und die Landwirtschaft. «Mit dem nun eingeführten Verfahren können wir sicherstellen, dass bei den RAV gemeldete Stellensuchende zuerst die Möglichkeit erhalten, sich auf eine offene Stelle zu melden», erklärt Bucherer. Die Absicht des Gesetzgebers könne so umgesetzt werden. Ob Unternehmer wegen der Fünf-Tage-Regel mit Verzögerungen bei der Suche nach neuen Arbeitskräften zu kämpfen haben, kann Bucherer noch nicht beurteilen. «Ein Monat ist noch zu kurz, um darüber ein Fazit zu ziehen.»

Gastroverband kritisiert Lobhudelei

Das alles tönt sehr rosig. Doch auf der Seite der Arbeitgeber brodelt es. Patrick Grinschgl, Präsident der Region Gastro Luzern, spricht Klartext: «Unsere Befürchtungen sind eingetroffen. Der Mehraufwand ist gross, während die Aktion ein einziger riesiger Leerlauf ist.» Das Problem liege darin, dass die Berufsgruppen nicht unterschieden werden. Die Stelle für einen ausgebildeten Koch muss genauso ausgeschrieben werden wie jene eines Hilfsmitarbeiters. «Das RAV kann aber gar keine ausgebildeten Köche vermitteln, weil es schlicht keine arbeitslosen Köche gibt», erklärt Grinschgl.

Die Lobhudelei ist für Grinschgl «fragwürdig bis absurd». Weiter sei es insbesondere in der Gastronomie störend, wenn fünf Tage abgewartet werden müssen, bis man öffentlich nach frischem Personal suchen kann. «Es wird so weit kommen, dass die Betriebe einfach dauerhaft eine Stelle melden, damit sie im Falle eines Abgangs sofort reagieren können.» Laut seiner Argumentation wird es dem RAV sowieso nicht gelingen, die Stellen besetzen zu können. Auch das Risiko einer Busse würden wohl einige Wirte und Hoteliers in Kauf nehmen, sagt Grinschgl.

Zwischenanalyse im September

Für die Kontrolle sind die Kantone zuständig. Martin Bucherer sagt, dass man bei Verdacht genauer hinschauen wird, systematische Überwachungen finden keine statt. Bisher sei noch kein Verstoss festgestellt worden.

Auch den Vorwurf der ausufernden Bürokratie kontert Bucherer. «Das können wir so nicht bestätigen.» Es sei jedoch eine grosse Herausforderung, die benötigten Fähigkeiten für eine Stelle genau zu bezeichnen. Dazu erhält der Kanton Hilfe. «Das IT-System wurde durch das Seco massiv verbessert und ermöglicht ein gutes Matching.» Gewisse Anpassungen am System seien in Planung. Weiter würden auch die Abläufe stetig verfeinert. «Eine erste fundierte Zwischenanalyse werden wir im September machen», so Bucherer.

Martin Bucherer an seinem Arbeitsplatz. Die Kantone müssen den «Inländervorrang light» umsetzen.

Martin Bucherer an seinem Arbeitsplatz. Die Kantone müssen den «Inländervorrang light» umsetzen.

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