Luzerner Drummer Fredy Studer mit erstem Soloalbum

«Für mich gibt es ein Leben vor und nach Jimi Hendrix»

Freunde und Stardrummer: Die weltbekannten Schlagzeuger Fredy Studer (rechts) und Jojo Mayer auf dem Luzerner Mühlenplatz. Hat Studer gerade keine Sticks zur Hand, muss es halt ein Rührstäbchen richten.

(Bild: bic)

Mit «Now’s the Time» präsentiert der Luzerner Schlagzeuger Fredy Studer sein erstes Soloalbum. Zusammen mit einer Biografie. Kurz nach seinem 70. Geburtstag offenbart der international erfolgreiche Musiker damit intime Einblicke in sein Leben und Schaffen – und tritt zum 27. Mal am Jazzfestival Willisau auf.

Fredy Studer sitzt bei einem Glas Campari an einem Tisch des «Sopranos» auf dem Mühlenplatz. Zusammen mit seinem Kumpel Jojo Mayer (55). Wie Studer ein international angesehener Drummer. Mayer besucht gerade seine Freundin, eine Luzerner Musikjournalistin. Die Gelegenheit für ein paar gemeinsame Drinks. Mayer hat Studer bei dessen Soloproduktion unterstützt.

«Es ist nicht so, dass dies meine Stammbeiz ist», sagt Studer. «Sie ist von mir zuhause aus einfach günstig gelegen.» Der Musiker wohnt zusammen mit seiner Partnerin an der Brüggligasse. In der Wohnung oberhalb der kleinen Töpferei. Das Atelier wurde von ihr betrieben.

Soloalbum und Konzert am Jazzfestival Willisau

«Da ich erst gerade umgezogen bin, dient mein Proberaum im Sedel noch als Zwischenlager. Für ein Treffen wäre es dort nicht gerade gemütlich, geschweige denn angemessen gewesen», sagt er schmunzelnd. Deshalb habe er diese Beiz vorgeschlagen.

Trotzdem verbringt er aktuell viel Zeit am Rotsee. «Das Release-Konzert für mein Soloalbum rückt immer näher. Darum bin ich momentan täglich mehrere Stunden am Üben», erklärt Studer. Sein jüngstes Baby wird er erstmals in seinem Quasiwohnzimmer, dem Jazzfestival in Willisau, präsentieren. Studer wird dann bereits zum 27. Mal am Festival auftreten. So oft wie kein anderer Künstler. Das Album erscheint am 24. August.

Luzerner durch und durch

Trotz seines internationalen Ruhms ist Fredy Studer seiner Heimat Luzern stets treu geblieben und hat immer hier gelebt. Von hier aus hat er seine Bilderbuchkarriere als Schlagzeuger der Band «OM» lanciert.

«Wenn ich jeweils zurück nach Luzern komme, ist dies wie ein wohltuendes, erfrischendes Bad.»

Fredy Studer

Zusammen mit dem Gitarristen Christy Doran, dem Bassisten Bobby Burri und dem Saxofonisten Urs Leimgruber hat Studer die Band 1974 gegründet. Ihren ersten gemeinsamen Auftritt hatten sie noch vor der Gründung der Gruppe als Begleitband einer Produktion des damaligen Stadtheaters Luzern. Es wurde eine zehnjährige, internationale Erfolgsgeschichte.

«OM» am Jazzfestival Montreux 1974.
«OM» am Jazzfestival Montreux 1974.

(Bild: zVg)

«Dass wir uns in einer kleinen Stadt wie Luzern gefunden haben, ist nicht selbstverständlich. Es ist nicht alltäglich, dass ein Zusammentreffen wie das unsere den Grundstein für eine Karriere legt», sagt Studer. Dass er ausgerechnet Luzerner sei, habe in seinem Fall sicher die Türe zu vielen weiteren Engagements mit diversen bekannten Künstlern geöffnet, so der Autodidakt, der ursprünglich Baslertrommel gelernt und in der Militärmusik gespielt hat.

Für Furore sorgte Studer ab den 1990er-Jahren auch mit dem Trio Koch-Schütz-Studer. Insbesondere die Platte «Heavy Cairo Traffic», die zusammen mit ägyptischen Musikern eingespielt wurde, war ein Riesenerfolg. Tourneen mit Konzerten überall auf der Welt folgten.

Drumsolo bei Koch-Schütz-Studer:

«Ich bin aber keiner, der non-stop auf Tournee sein könnte. Wenn ich jeweils zurück nach Luzern komme, ist dies wie ein wohltuendes, erfrischendes Bad.» Zudem habe er neben der Musik auch noch andere Interessen, denen er nachgehen wolle, sagt Studer. Lesen, Philosophie und Karate haben es ihm besonders angetan. Den Kampfsport betreibt er schon seit Jahrzehnten und auf hohem Niveau (zentralplus berichtete). Aber auch guter Wein, feines Essen sowie die alten Freunde sind ihm wichtig.

Box mit Buch und Vinylplatten

Das Soloalbum «Now's the Time» erscheint am 24. August bei Everest Records und ist Teil des gleichnamigen Komplettsets mit zwei Vinylplatten und einem 250-seitigen Buch mit vielen Bildern. Die Texte von Pirmin Bossart, Beat Blaser, Christine Weber, Meinrad Buholzer, Kurt Murpf und Peter Rüedi werfen einen teils intimen Blick auf Werk und Leben von Fredy Studer. 

Das komplette Set kostet 110 Franken und kann hier bestellt werden.

«Die Luzerner Musikszene war zu unserer Anfangszeit noch ziemlich klein und viel weniger aufgefächert als heute. Man kannte sich.» Es habe viel weniger Musiker und nur Rock, Pop, Jazz und Folk gegeben, blickt Studer zurück. Entscheidend sei jedoch gewesen, dass man auch in der Luzerner Szene den Geist der späten 1960er-Jahre aufsaugte, welcher der Musik eine tiefgehende Message verliehen hatte.

Jimi Hendrix in London: Ein prägendes Erlebnis

In diesem Sinne war ein für Studers Werdegang entscheidendes Erlebnis der Besuch des Jimi-Hendrix-Konzertes in London 1967. «Das hat bei mir den Nagel eingeschlagen.» Es sei eine Zäsur in seinem Leben gewesen. «Für mich gab es ein Leben vor und ein Leben nach Hendrix», so Studer. «So etwas hatte ich zuvor noch nie gehört.»

«Auf der Platte kann ich die Entwicklungen und Prozesse, die Fredy durchgemacht hat, nachvollziehen.»

Jojo Mayer

«Man kannte die Stones, die Beatles und die wichtigsten Blues-Musiker. Dass aber eine einzige Band ein so breites Spektrum von Musik machte, war für mich faszinierend und Neuland.» Durch die Hendrix-Band mit dem Schlagzeuger Mitch Mitchell habe er zur Improvisation gefunden und viele weitere Koriphäen des Schlagzeugs entdeckt, erklärt Studer.

Drogen und Schallplatten

Durch seinen langjährigen Job in der Produktion des Cymbalhersteller «Paiste» in Nottwil kam es auch zu persönlichen Kontakten mit einigen der ganz grossen Drummer ihrer Zeit. John Bonham von «Led Zeppelin» und Stewart Copeland von «The Police» sind nur zwei davon.

Jimi Hendrix legte bei Studer und seinen damaligen Musikerkollegen also den Grundstein für ihr künftiges Schaffen. «Wir kamen auf den Geschmack unterschiedlichster Musik, hörten uns nächtelang Platten aus Afrika und Indien an. Teils hochkomplexe Musik», erinnert sich Studer. Drogen wie Marihuana und LSD halfen dabei, die verwobenen Strukturen dieser Musik zu absorbieren und zu entwirren. Studers bisheriges Schaffen ist auf über hundert Tonträgern registriert.

Ein stetiger Prozess

Diese Zeit wirkt bei Studer bis heute nach. Ganz in diesem Sinn präsentiert sich Studers Musik auf dem Soloalbum. Die unterschiedlichsten Klangfacetten, die das Schlagzeug hervorbringen kann, treten auf. Und Jojo Mayer sagt dazu: «Auf der Platte kann ich die Entwicklungen und Prozesse, die Fredy durchgemacht hat, nachvollziehen. Es braucht viel Zeit, Wissen und Können, ein solches Werk zu kreieren.»

«Ich habe ganz bewusst auf sämtliche Elektronik verzichtet», sagt Studer. Er beschränkt sich allerdings nicht auf das klassische Rock- oder Jazzkit, sondern bringt auch diverse andere Schlaginstrumente zum Schwingen.

Ein Tanz der Elemente

Es scheint, als wolle er dem Zuhörer aufzeigen, welche klangliche Vielfalt sich in den natürlichen Materialien Metall, Holz und Fell verbirgt. Sie sind die eigentlichen Komponenten des Drumsets. Dafür schlägt Studer nicht nur auf die Instrumente, sondern bringt sie auch durch Kratzen und Streichen zum Klingen. Unter die diversen Geräuschkulissen mischt sich immer wieder ein Beat. Meist sehr komplex und polyrhythmisch.

Beim ersten Höhepunkt des Albums, dem Titel «Now’s the Time», welcher der Scheibe ihren Namen gibt, treffen die verschiedenen Elemente aus Groove und Geräuschen das erste Mal zusammen. In den darauffolgenden Tracks treibt Studer dieses Spiel auf die Spitze, um am Schluss wieder dort aufzuhören, wo er angefangen hat: bei einem metallenen Klangteppich.

Komplett ohne Overdubs

Generell scheint Studer auf seinem Werk sämtliche physikalischen Möglichkeiten ausreizen zu wollen, die ihm das Schlagzeug bietet. Wie zum Beispiel das Bearbeiten der Becken mit einem Geigenbogen oder mit sogenannten Wassergongs, womit er ein weiteres chemisches Element miteinbezieht – inklusive eines leisen Plätscherns. Diesen Track widmet er seinem dieses Jahr verstorbenen sehr guten Freund Frasi Müller (zentralplus berichtete).

Speziell ist auf Studers Album, dass er für die Aufnahmen keinerlei Overdubs verwendete. Das heisst, dass alles gleichzeitig eingespielt wurde und nicht nach und nach einzelne Stimmen und Instrumente.

Qualität und Authentizität

Die aus dem Verzicht auf Overdubs resultierende Natürlichkeit und Reinheit vermittelt das Gefühl einer Live-Performance. Das natürliche Klappern beim Wechseln zwischen den verschiedenen Drumsticks trägt das Seine zur Authentizität des Werkes bei.

Genau dies hat es auch Jojo Mayer angetan: «Das Album ist qualitativ sehr hochstehend und gleichzeitig absolut authentisch. Es ist nicht einfach, diese beiden Ziele gleichermassen zu erreichen.»

Fredy Studer mit seinem Gretsch «Lamborghini» im Pool des Luzerner Neubads.
Fredy Studer mit seinem Gretsch «Lamborghini» im Pool des Luzerner Neubads.

(Bild: Dragan Tasic)

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