«Trampeltier of Love» gegen Winkelried und Zwingli

Das verwirrendste Konzert am Waldstock-Festival

«Trampeltier of Love»: Aus verwirrend wird gefeiert.

(Bild: pze)

Am Waldstock spielten am Samstagabend die Berner «Trampeltier of Love». Zu Beginn wusste das Publikum nicht so recht, wie es darauf reagieren soll. Doch die Mundartkünstler spielten sich in die Herzen der Festivalbesucher. Nur am Ende schien es fast, als würden sie den Veranstaltern zu bunt.

Was soll man über eine Band schreiben, die nicht den Anspruch hat, gute Musik zu machen? Die Frage stellt sich, liest man die Kurzbiographie der Berner Band «Trampeltier of Love». «Kämpf singt katzfalsch, Hari versucht zu retten, Unternährer bläst unentwegt von hinten nach vorne. Und Dodell auch. Ausser, dass er nicht bläst», steht da. Eine solche Band müssen wir gesehen haben – und darüber schreiben.

Also ab ans Festival in Steinhausen (zentralplus berichtete). Dort gab sich die «Quasi-Band» rund um den Autor, Filmer, Theatermacher und Urberner Matto Kämpf sowie Sänger Simon Hari (King Pepe) am Samstag auf der kleinen Bühne die Ehre.

Auf Berndeutsch gesungen – oder eher gesprochen – breitet Kämpf seine absurd-komischen und gleichzeitig sozialkritischen Texte über rudimentäre Musik – Schlagzeug, akustische Gitarre (mit Verzerrung) und eine Tuba – aus. Doch was einen hier zu erwarten hat, ahnte nur, wer vielleicht sein SVP-kritisches Musical «Sit so guet, S.V.P.» gesehen hat (zentralplus berichtete).

«De Wenkuried, die huere Pfiife, cha nome suizidal agriife.»

Trampeltier of Love

Der Anfang: viel Verwirrung

Noch bevor die Band überhaupt spielte, stellte man sich verwirrt die Frage: Wozu ist eine Blockflöte aufs Schlagzeug aufgesteckt? Und wozu sind die Kokoshälften, die vor die Bassdrums gehängt sind? Eines dieser Rätsel würde sich im Verlaufe des Konzerts tatsächlich aufklären, das andere hingegen das Geheimnis der Band bleiben.

Die Band betrat pünktlich die Bretter, die Steinhausen bedeuten, und auf den Gesichtern der Waldstock-Besucher machte sich eine Mischung aus Belustigung, Verwirrung und Unbehagen breit. Man wusste nicht genau, wie man darauf reagieren soll. «Trampeltier of Love» nahmen alle auf ihren Stühlen Platz und Kämpf begann mit einem Tschinellensolo. Ja, einem Tschinellensolo.

Die Blockflöte ziert das Schlagzeug vorne rechts.

Die Blockflöte ziert das Schlagzeug vorne rechts.

(Bild: pze)

Eine Gruppe Jung-Besucher versuchte sich in den ersten Minuten mit einzelnen Tanz-Moves, doch gab schnell wieder auf. Irgendwie wollten hier keine der Grundkniffs aus dem Festival-Handbuch so recht passen, wenn Gitarrist Simon Hari singt: «De Wenkuried, die huere Pfiife, cha nome suizidal agriife.»

Langsam wird den Leuten klar, dass man bei diesem Konzert wohl weniger tanzen kann, dafür umso mehr den Texten lauschen sollte. Immer mehr Leute setzten sich auf den Boden und hörten zu. Auch die sonst so präsenten Unterhaltungen vor der Bühne wurden weniger.

Kämpf stellt sich den wichtigen Fragen

«Trampeltier of Love» spielte sich erfolgreich durch die erste Verwirrung und in die Zuschauerherzen. Kämpf stellte die unbequemen Fragen wie: «Of was luege bire Frou – ossert of Psyche?» und beantwortete im Refrain: «Was e gärn gseh esch z Portmonee.» Oder zur Melodie von Bob Dylans «Blowing in the Wind»: «Wie vöu Schwiizergardeschte muess me verschiesse, om em Papst eis z chlöpfe?» und gab zur Antwort, dass es deren sechs seien.

Die etwas unbeholfenen Tanz-Versuche zu Beginn des Konzerts.

Die etwas unbeholfenen Tanzversuche zu Beginn des Konzerts.

(Bild: pze)

Das Trampeltier nahm Fahrt auf und gewann immer mehr Sympathien auf dem Festivalgelände. Das Bob-Dylan-Cover stellte übrigens den Song dar, in dem die Blockflöte auf dem Schlagzeug zum Einsatz kam. Tatsächlich diente das Drum als eine Art origineller Flötenständer. Die hingehängten Kokoshälften hingegen blieben unerklärt.

Zugabe unplugged

Am Schluss hatten die Berner – mit dem Luzerner Marc Unternährer an der Tuba – das Publikum des Waldstock definitiv für sich gewonnen. Beim Vortrag ihrer Single «Katholisch» mit dem Mitsingrefrain «Go Home, Zwingli – mer wette katholisch sii» kam sogar echte Festivalstimmung zurück, das Publikum feierte ihre liebgewonnenen Mundarthelden mit Gesangschören.

Und so klingt die Single «katholisch»:

 

Am Ende schien es, als ob die Trampeltiere und die euphorischen Zuschauer die Geduld der Veranstalter zu sehr strapazierte – für die Zugabe hatte die Band keinen Saft mehr. Etwa absichtlich, damit es im Programm zu keinen Verzögerungen kommt? Nein, vermelden die Verantwortlichen, der Fehlerstrom-Schutzschalter am Stromverteiler sei rausgesprungen. Den Bernern und dem Publikum war’s egal, so wurde das letzte Lied («Leider ohni Chleider») vor der Bühne und unplugged gespielt. Weil bei «Trampeltier of Love» nichts normal ist, nicht einmal die Zugabe.

Am Ende wurde aufmerksam der unverstärkten Zugabe gelauscht

Am Ende wurde aufmerksam der unverstärkten Zugabe gelauscht

(Bild: pze)

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