Erfolglose Wiederbelebung von 80-Jährigem in Zug

Nach Todesfall in Siehbach-Badi: Der weite Weg zum Defibrillator

Wo hängt wohl das nächste AED-Gerät? In der Regel gibt es keinen Grund, sich die Standorte zu merken.

(Bild: wia)

Am Mittwochabend kam es in der Zuger Siehbach-Badi zu einem Badeunfall. Dabei verstarb ein 80-jähriger Mann. Während der ersten Rettungsmassnahmen versuchten einige Helfer, ein Wiederbelebungsgerät aufzutreiben. Doch der Weg zum nächsten Defibrillator ist weit. Hätte der Todesfall verhindert werden können?

«Defibrillatoren überall in der Stadt Zug», titelten regionale Medien vor zweieinhalb Jahren. Tatsächlich hatte der Kanton Zug kurz davor die Finanzierung solcher Geräte zur Herz-Lungen-Wiederbelebung im Kanton Zug gutgeheissen. Bloss: Wenn es schnell gehen muss, stellt sich heraus, dass «überall» ein sehr relativer Begriff ist.

Beim tödlichen Badeunfall, der sich am Mittwochabend in der Zuger Badi Siehbach, der «Männerbadi», ereignete, suchten gemäss Augenzeugen mehrere Anwesende gleichzeitig nach einem solchen Gerät (zentralplus berichtete). In der Badi selber gibt es keines und auch die umliegenden Restaurants verfügen über keine Defibrillatoren.

Wo ist der nächste Defibrillator zu finden?

Laut einer Liste der Stadt Zug aus dem Jahr 2016 wird ersichtlich, dass in vielen Gebäuden der Stadt und des Kantons solche Geräte installiert sind. Die nächsten Standorte von der Männerbadi aus gesehen sind das ZVB-Haus und die Musikschule. Das bedeutet sieben oder acht Minuten zu Fuss – sofern man denn weiss, wo sich die Geräte befinden.

«Die Anzahl der Defibrillatoren sowie die Standorte wurden durch den Kantonsarzt und den Leiter Rettungsdienst festgelegt.»

Arnold Brunner, Generalsekretär des kantonalen Hochbauamtes

«Die Anzahl der Defibrillatoren sowie die Standorte der AED-Geräte wurden für die kantonale Verwaltung und Gerichte durch den Kantonsarzt und den Leiter Rettungsdienst festgelegt», erklärt Arnold Brunner, der Generalsekretär der kantonalen Baudirektion. Die Gesamtbeschaffung der Geräte habe das kantonale Hochbauamt umgesetzt.

«Bei einem Ertrinkenden nützt ein Defibrillator in der Regel nichts.»

Andreas Müller, Leiter des Zuger Rettungsdienstes

Gemäss derselben Liste verfügen zwar Strandbad und Seeliken über solche Geräte, nicht aber die Badi Siehbach. Wie Thomas Gretener, Kommunikationsbeauftragter der Stadt Zug, erklärt, hat dies seinen Grund: «Diese Seebäder werden durch von der Stadt angestellte Bademeister betreut, welche eine entsprechende Ausbildung besitzen. Sie haben einen Überwachungsauftrag.»

Öffentliche Plätze wie das Brüggli oder auch das Männerbad seien nicht mit einem Defibrillator ausgestattet. «Wie viele andere öffentliche Plätze und Einrichtungen auch nicht», so Gretener. Die Stadt habe den Betrieb des Männerbadi-Kiosks einer Privatperson übertragen, die den Kiosk auf privater Basis führe und im Nebenamt für die Reinigung der Gebäudeanlagen und der Umgebung zuständig sei.

Andreas Müller, Leiter des Zuger Rettungsdienstes, gibt ausserdem zu bedenken: «Klassischerweise werden derartige AED-Geräte bei einem Kreislaufstillstand angewendet. Bei einem Ertrinkenden nützt ein solches Gerät jedoch in der Regel nichts, denn es fehlt das Kammerflimmern.»

Die Herzdruckmassage hat Priorität

Dennoch könne ein Defibrillator auch im Siehbach sinnvoll sein, da ein Kreislaufstillstand ja auch einen Menschen treffen könne, der den ganzen Tag in der Badi verbringe. «Bei einem Ertrinkenden jedoch steht eine Herzdruckmassage im Vordergrund», so Müller weiter.

Und er führt aus: «Bei einem Ertrinkungsunfall führt der Sauerstoffmangel zu einem Kreislaufstillstand, der durch eine Asystolie entsteht. Nur bei einer internistischen Erkrankung als Ursache für das Ertrinken ist am Anfang auch ein Kammerflimmern denkbar.» Ein AED-Gerät analysiere den Herzrhythmus und löse bei einem Kammerflimmern einen Stromstoss aus.

Also doch die Herzdruckmassage bei einem Ertrinkenden. Doch was, wenn der Nothelferkurs schon lange her ist und niemand auf dem Platz so recht Bescheid weiss?

Mehrere Rettungsfahrzeuge waren im Einsatz.

Mehrere Rettungsfahrzeuge sowie ein Helikopter waren am Mittwochabend im Siehbach-Seebad im Einsatz.

(Bild: zentralplus)

Herzmassage, wie ging das noch mal?

Das Swiss Resuscitation Council weiss auf seiner Webseite Rat. Nachdem ein Helfer festgestellt hat, dass eine Person bewusstlos ist und keine oder eine abnormale Atmung hat, ist eine Herzdruckmassage – nach Alarmieren des Notrufes 144 – so rasch wie möglich erforderlich. Auf 30 Thoraxkompressionen (100–120 pro Minute) folgen zwei Beatmungsstösse. Oder aber, man führt die Herzdruckmassage ohne Beatmung aus.

«Wir empfehlen den Besuch eines Wiederbelebungstrainings. Das gibt Sicherheit, denn alle Personen können unvermittelt auf eine Notfallsituation treffen», sagt Andreas Müller vom Rettungsdienst abschliessend.

Stadt sammelt Erfahrungen

Zwar reagierten die Helfer am Mittwochabend schnell und wohl auch gemäss den Standards. Dennoch hätte sich der eine oder andere hilflose Anwesende wohl gewünscht, etwas sattelfester zu sein auf dem Gebiet. Und besser Bescheid zu wissen, wo das nächste AED-Gerät hängt.

Wie Thomas Gretener von der Stadt erklärt, habe man mit der Ausrüstung solcher Geräte in der Stadt Zug 2016 Neuland betreten und sammelt Erfahrungen damit. Es sei vorgesehen, die Erfahrungen auszuwerten und allenfalls weitere Plätze mit Defibrillatoren auszurüsten.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von mebinger
    mebinger, 23.07.2018, 18:56 Uhr

    Wie wäre es sich mal Gedanken zu machen. ob man nicht ab und zu einfach auch das Schicksal akzeptieren sollte. Ich auf jeden Fall will nicht wiederbelebt werden, wenn die Gefahr zu gross ist, das ich bleibende Schäden davon trage. Wenn ich mit 80 einen Unfall habe, dann last mich gehen, dann ist die meine Zeit gekommen. Dann ist es mir lieber jemand hält meine Hand und sagt mir leise tschüss, aber ich weiss, solche Gedanke sind nicht modern und vor allem gehen so der Krankheitsindustrie enorme Umsätze verloren

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