Bella Vista heisst ein Motel in Sursee, in dem nur Chinesen übernachten. Doch die Aussicht von dem Haus mit seinen 74 Betten ist keine schöne, es lockt der Blick auf graue Bürokästen und triste Industriebauten. Während sich Anwohner nerven, ist das Hotel fast immer ausgebucht – auch wenn Schweizer eigentlich gar kein Zimmer reservieren können.
Das könnte chinesische Touristen scharenweise in die Surseer Pampa locken: der Diebenturm oder die Vogelwarte Sempach. Die Beachbar bei Nottwil oder ein Bad im Sempachersee.
Nein, dafür haben die Weltenbummler kein Auge, das interessiert diese asiatischen Touristen nicht: Sie wollen im Bella Vista nur günstig und schnell übernachten, um dann in die grossen Berge weiterzufahren.
«Wir sind fast jede Nacht ausgebucht.»
Rezeptionistin des Bella Vista
Nach aufregenden Stunden in Luzern oder Zürich finden sie ausserhalb der Touristenmetropolen eine ruhige Nacht und sind dann am nächsten Morgen schnell wieder auf der Autobahn in Richtung Berner Oberland.
Und es sind ihrer viele: «Wir sind fast jede Nacht ausgebucht», sagt die freundliche bulgarische Rezeptionistin, die uns kein Zimmer vermieten möchte. Und auch nicht kann: Das macht ihre chinesische Chefin. «Sorry», sagt sie freundlich auf Englisch. «Aber alle Bosse sind in China.»
An Kantonsstrasse ohne Trottoir
Das Hotel Bella Vista ist an einer Kantonsstrasse ohne Trottoir gelegen. Das sei problematisch, sagt Anwohner I. A., der gerne anonym bleiben möchte: «Es ist gefährlich, weil viele dieser Hotelgäste an der Kantonsstrasse entlang zum Aldi und der Landi-Tankstelle laufen, wo sie sich zu essen und zu trinken holen.» I. A. hört an dieser viel befahrenen Umfahrungsstrasse immer wieder heftige Bremsmanöver und entnervtes Hupen.
Anwohner fühlen sich belästigt
Davon weiss Sursees Stadtpräsident Beat Leu nichts: «Das ist meines Erachtens kein Problem, mir ist nichts zu Ohren gekommen.» Er findet es auch nicht problematisch, dass sich Anwohner von Chinesenscharen belästigt fühlen. «Diese Touristen sind ja nur auf der Durchfahrt durch Sursee, von dort aus machen sie Ausflüge nach Grindelwald, Genf oder Zermatt.»
37 Doppelzimmer hat das Hotel Bella Vista, zu deutsch «schöne Aussicht». Das Marketingdeutsch dazu macht Lust: «Das Hotel verfügt über ein Sockelgeschoss mit Lobby und Bar, ein Obergeschoss mit den Zimmern und einen Nebenraum mit Restaurant. Die Zimmer bieten nebst einem geräumigen Badezimmer auch eine Kitchenette und einen Balkon. Die Gemeinschaftslounge der Unterkunft lädt zum Verweilen ein.»
Was sich im Internet mit lauschigen Worten anpreist, lässt sich aber auch übers Netz nicht reservieren. Das geht nur direkt über die chinesische Managerin Karen Tam aus Altdorf, die ihre Gäste carweise bucht. Das Bella Vista ist in Tat und Wahrheit eine einfache Übernachtungsmöglichkeit. Und offenbar eine Gelddruckmaschine: Die Zimmer kosten 75 Franken bei Einzelbelegung oder 85 Franken für zwei Personen.
Schnell ist die Rechnung gemacht: Bei einer Auslastung von 70 Prozent und einem Durchschnitts-Zimmerpreis von 80 Franken werden übers Jahr rund 750’000 Franken umgesetzt. Vier Personen für den Unterhalt à 60’000 Salär abgezogen, dann bleibt weit über eine halbe Million im Jahr. Die Mieteinnahmen für rund zwei Dutzend Autoeinstellplätze für Anwohner noch gar nicht mitgerechnet.
«Eine Geschichte darüber? Das habe ich nicht gerne.»
Bella-Vista-Bauherr und Besitzer Werner Willi
Die Schweinemästerei Willi AG aus Oberdorf ist Besitzerin des Bella Vista. Bauherr Werner Willi, der in der Region auch andere Liegenschaften besitzt, liess sich das im Juni 2015 erbaute Haus neun Millionen Franken kosten.
zentralplus wollte den Besitzer mit den Problemen konfrontieren, wurde aber schnell abgewimmelt: Am Telefon gibt sich Besitzer Werner Willi barsch und zugeschnürt: «Das Hotel gehört uns. Und ja, ich hab es an Chinesen weitervermietet. Eine Geschichte darüber? Das habe ich nicht gerne.» Und schon hat Bauer Willi schnell aufgelegt.
«Man müsste vielleicht grundsätzlich mal über die Auswirkungen des Tourismus diskutieren.»
Sursees Stadtpräsident Beat Leu
Aufgeregt hat sich nur Anwohner I. A. Er sei aber nicht der Einzige. Immerhin macht sich Sursees Stadtpräsident Beat Leu anderweitig Gedanken: «Man müsste vielleicht grundsätzlich mal über die Auswirkungen des Tourismus diskutieren.»
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