St. Charles Hall: Exklusiv und nicht ganz günstig

Die feudale Megger Villa, die kaum jemand kennt

Der Blick auf das Anwesen vom See aus.

(Bild: giw)

Wer die St. Charles Hall in Meggen besucht, kommt aus dem Staunen kaum heraus. Der ausladende Herrschaftssitz passt so gar nicht in die Luzerner Understatement-Kultur. Doch trotz der Einzigartigkeit und prominenten Gästen wie dem Dalai Lama gibt es ein Problem. Das Landgut hat zu wenige Besucher – was auch am exklusiven Preis liegt.

Es ist eine Trouvaille an den Gestaden des Vierwaldstättersees, nur wenige Hundert Meter entfernt vom Schloss Meggenhorn gelegen: Die opulente «Villa St. Charles Hall» mit einem Umschwung von beinahe 30’000 Quadratmetern gleicht einem Märchenschloss.

Bereits das verschnörkelte Eisentor zur Liegenschaft, gesäumt von zwei Steinpfosten mit wappenschildtragenden Löwen an der Spitze, deutet den exklusiven Charakter des Hauses an. Wobei es eigentlich mehrere Gebäude sind: Denn neben der denkmalgeschützten Villa gehört ein schützenswertes Verwalterhaus zum Anwesen. Der Gang durch die gehegte und gepflegte Gartenanlage um das Hauptgebäude herum hat etwas beruhigendes. Zu sehen gibt es unter anderem eine barocke Ziertreppe und einen Teich.

Der verschnörkelte Torbogen markiert den Eingang zur Villa «St. Charles Hall».

Der verschnörkelte Torbogen markiert den Eingang zur Villa «St. Charles Hall».

(Bild: giw)

Belohnend ist dann der Blick auf die zum Vierwaldstättersee hin ausgerichtete Fassade, die an ein französisches Château erinnert. Natürlich fehlt auch eine grosszügige Gartenterrasse nicht, diese ist gesäumt mit einer Reihe von spielenden Marmorjünglingen. Und da hat man die interessante Saallandschaft im Innern noch gar nicht erkundet.

Stiftung schreibt rote Zahlen

Trotz dieses imposanten Vorspiels kämpft die St. Charles Hall mit einem Problem: Im Gegensatz zu Anwesen wie der Villa Krämerstein in Horw oder Schloss Meggenhorn ist das Gebäude aus der Zeit der Jahrhundertwende nicht besonders bekannt. Das Anwesen gehört einer privaten Stiftung und diese muss die hohen jährlichen Unterhaltskosten von gegen 500’000 Franken selbst erwirtschaften. Ohne Zuschüsse von Gemeinden oder Kanton. Die Stiftung hat zwei Aufgaben: Sie muss den Erhalt des Anwesens sicherstellen und es der Öffentlichkeit zugänglich machen.

Der Rittersaal im Erdgeschoss von St. Charles Hall.

Der Rittersaal im Erdgeschoss von St. Charles Hall.

(Bild: zvg)

«Bis vor kurzem ist die Stiftung St. Charles Hall kaum an die Öffentlichkeit getreten, im vergangenen Jahr wurde erstmals ein Jahresbericht publiziert», sagt Präsident Bernhard Kobler. Der ehemalige CEO der Luzerner Kantonalbank sieht es als grosses Privileg den einzigartigen Nachlass zu verwalten.

Er ist seit zwei Jahren im Amt und will die Villa bekannter machen. Kobler macht keinen Hehl daraus, dass es ihm dabei auch darum geht, mehr zahlende Gäste anzulocken. «Wir sind bei den Veranstaltungen noch nicht da, wo wir sein wollen», erklärt Kobler. Das zeigt sich im Geschäftsbericht – da schreibt man seit Jahren rote Zahlen.

Geschäftsführerin Ursula Werner und Stiftungspräsident Bernhard Kobler.

Geschäftsführerin Ursula Werner und Stiftungspräsident Bernhard Kobler.

(Bild: giw)

Schillerndes Paar baut Villa um

«Ich bin immer wieder erstaunt, wie viele Luzerner noch nie von dem Ort gehört haben», pflichtet Ursula Werner bei. Die Geschäftsführerin ist erst seit Anfang Mai für die Bewirtschaftung der Liegenschaft verantwortlich. Sie arbeitete zuvor im Verkehrshaus und verantwortete da die Vermarktung und Vermietung der Räumlichkeiten.

Die beiden laden zur Tour durch das repräsentative Gebäude. Das Entrée führt fort, was die Aussenanlage initiierte. Ein hoher Raum führt Besucher über eine breite Steintreppe auf zwei Seiten geschwungen ins Obergeschoss. «Bis jetzt hat noch jede Hochzeitsgesellschaft hier ein Foto gemacht», sagt Werner.

1921 kaufte das deutsch-englische Ehepaar Tonio und Marie-Harriet von Riedemann die Villa, die zuvor als Altersresidenz für französische Geistliche diente. Tonio von Riedemann stammte aus einer der reichsten Unternehmerfamilien Hamburgs und liess das bestehende Gebäude vom Architekten Alber Fröhlich in einen neubarockenen Herrschaftsbau umwandeln. Der representative Charakter ist kein Zufall. Laut Kobler und Werner veranstaltete das Ehepaar hier immer wieder Gesellschaften und Bälle. 

Marmorjünglinge zieren die Gartenterrasse der Villa.

Marmorjünglinge zieren die Gartenterrasse der Villa.

(Bild: giw)

Als leidenschaftliche Kunst- und Antiquitätensammlerin richtete Marie-Harriet von Riedemann die Villa ein – von antiken Skulpturen im Park über grossflächige Tapisserien, wertvollen Gemälde bis hin zu stilvollen Möbeln und Porzellan. Nach dem Tod seiner Ehefrau 1933 lebte Tonio von Riedemann eher zurückgezogen in der Villa St. Charles Hall, wo er 1941 im Alter von 68 Jahren starb.

Kinder hatte die beiden nicht und so stand das Haus einige Jahre leer, bis 1947 das St. Galler Ehepaar Paul und Gertrud Fischbacher-Labhardt das Anwesen kaufte. Paul Fischbacher stammte aus der Dynastie des heute noch bestehenden St. Galler Tisch- und Bettwäscheherstellers Fischbacher.

Die Eingangshalle rollt den Besuchern den Teppich aus und ist ein beliebtes Fotosujet für Hochzeitspaare.

Die Eingangshalle rollt den Besuchern den Teppich aus und ist ein beliebtes Fotosujet für Hochzeitspaare.

(Bild: giw)

Ein stilistisches Potpourri

Paul Fischbacher verzichtete auf die Führung des Unternehmens – die Auszahlung dafür legte er als Financier in Aktien und Wertschriften an und hatte so ein Wertschriftenportefeuille von mehr als 16 Millionen Franken. Wie die ursprüngliche Hausherrin hatte Gertrud Fischbacher ebenfalls einen ausgeprägten Kunstsinn. Sie gestaltete die Räume weiter aus und ergänzte die Sammlung mit Gemälden, Prunkvasen, weiteren Möbeln und Teppichen.

Auch dieses Ehepaar starb kinderlos, doch der Luzerner Regierungsrat Werner Bühlmann konnte Gertrud Fischbacher vor ihrem Ableben 1962 überzeugen, den Grossteil des Erbes für das damals im Bau befindlichen Luzerner Kinderspital zu sprechen. Das Anwesen samt dem Interieur und ein Anteil des übrigen Vermögens von gegen 1.5 Millionen Franken wurde im Erbvertrag in die noch bestehende private Stiftung überführt.

Die versteckte Kapelle

Heute gebieten Bernhard Kobler und Ursula Werner über die reich dekorierten Räumlichkeiten. Doch Geschichtspuristen sind gewarnt: Wer stilistische Kohärenz sucht, der wird hier nicht fündig. Im Gegenteil – der Architekt musste die Villa so anordnen, dass das Ehepaar Riedmann gefällige historische Räume, die sie auf ihren Reisen entdeckten, ausbauen und in das neue Zuhause integrieren konnten.

Da gibt es einen protzigen Rittersaal, der von dunklem Holz und einem einzigartigem Deckenstuck dominiert wird. Durch eine versteckte Wandtüre gelangt man ausserdem direkt in eine Kapelle im Ostflügel, die unter anderem eine Orgel des Luzerner Traditionsbetriebes Goll beherbergt (zentralplus berichtete). Dieser runde, lichtdurchflutete Sakralbau passt stilistisch überhaupt nicht zum spätmittelalterlichen Stil des Nebenraumes.

Im Gobelinsaal hängt der grösste Bildteppich «Triumph Neptuns» mit einer Fläche von 360x720 Centimetern, geschaffen im vergangenen Jahrhundert von Daniel Leyniers.

Im Gobelinsaal hängt der grösste Bildteppich «Triumph Neptuns» mit einer Fläche von 360×720 Centimetern, geschaffen im vergangenen Jahrhundert von Daniel Leyniers.

(Bild: giw)

Und auch der durch die Veranda zugängliche Wiener Salon im Zentrum des Erdgeschosses mag sich nicht in ein architektonisches Gesamtbild einfügen, korrespondiert jedoch mit der neubarocken Ausstattung am ehesten mit der Gebäudefassade.

Meggerhorn ist Partner, nicht Konkurrenz

Der Gang durch die Räumlichkeiten nimmt kein Ende: Gobelinsaal, Esszimmer, Mittlerer Salon, Blauer Salon, Sitzungszimmer inklusive Bibliothek, Bäder und Wintergarten – alles herausgeputzt und mit wertvollen Kunstwerken dekoriert. «Es ist zwar ein denkmalgeschützes Haus mit historischem Wert, doch St. Charles Hall ist kein Museum», betont Kobler. 

Wer sich die Villa für Firmenevents, Hochzeiten oder Konzerte leistet, dem stehen gleich die gesamte Anlage exklusiv zur Verfügung. Auch die Luzerner Regierung nutzt den Landsitz unregelmässig für Empfänge. Exklusiv sind denn auch die Preise. Ein Anlass in den drei grössten Sälen kostet pro Tag 6’700 Franken. Und da ist das Catering noch nicht mitgerechnet.

«Wir setzten ganz bewusst auf diese Exklusivität, deshalb sind wir vergleichsweise teurer als beispielsweise das Schloss Meggenhorn», sagt Werner. Man verstehe sich aber keinesfalls als Konkurrenz. Stattdessen ergänze man sich gut und verweise bei fehlendem Platz gegenseitig auf das alternative Raumangebot in der Nähe.

Das Damenzimmer im ersten Obergeschoss.

Das Damenzimmer im ersten Obergeschoss.

(Bild: giw)

Viele Hochzeitsgesellschaften

Das wichtigste Kundensegment sind für die Stiftung Hochzeitsgesellschaften – rund 27 waren es 2016. Dieser Wert reduzierte sich jedoch im vergangenen Jahr – unter anderem weil sich die Nachbarschaft laut Stiftungsratspräsident Kobler über die Lautstärke bei Abendveranstaltungen beklagte. «Uns ist ein gutes Einvernehmen mit den Anwohnern wichtig, deshalb haben wir hier die Anzahl beschränkt», sagt Kobler. Stattdessen setzt man vermehrt auf Firmenanlässe und Seminare.

Auch als Veranstaltungsort für klassische Musik wird die Villa genutzt. Zu den bekanntesten Musikern, welche hier gastierten, gehören unter anderem Vladimir Ashkenazy, Sir James Galway, Vanessa Mae und Anne-Sophie Mutter. Die Musikhochschule Luzern mit Konzerten und die Stiftung für junge Musiktalente Meggen gastieren seit Jahren immer wieder in der Villa.

Die Villa bietet einen exklusiven Blick auf den Vierwaldstättersee.

Die Villa bietet einen exklusiven Blick auf den Vierwaldstättersee.

(Bild: giw)

Auch Dalai Lama war zu Besuch

Ausserdem dient die Villa St. Charles Hall wiederholt als Filmkulisse und regelmässig werden hier Werbefilme gedreht oder Fotoshootings durchgeführt. Richard Burton und Vanessa Redgrave drehten in der Villa ein Teil der Serie über das Leben von Richard Wagner.

Weitere berühmte Gäste waren Dalai Lama, der deutsche Bundespräsident Roman Herzog, der finnischer Staatspräsident Mauro Koivisto, sowie zahlreiche Bundesräte und Regierungsräte. Total fanden im letzten Jahr 5670 Gästen an 84 Anlässe den Weg in die Villa. Ausserdem ist der dritte Stock inzwischen an vier Firmen vermietet und das Verwalterhaus ist bewohnt.

Überall steht Kunsthandwerk in den Räumen, zuweilen auch aus Asien.

Überall steht Kunsthandwerk in den Räumen, zuweilen auch aus Asien.

(Bild: giw)

Die Zeiten, als die St. Charles Hall mit geschlossenen Fenstern vor sich hin döste, sind also vorbei. Aber eben, so richtig der breiten Masse öffnen will man das Anwesen dann doch nicht. Noch immer steht ein Schild am Einganstor, das auf den privaten Charakter verweist und den Zutritt untersagt. Und auch eine Sommerbeiz, wie sie beispielsweise im Meggerhorn in der Orangerie ermöglicht wurde, ist auf dem weitläufig ungenutzten Rasen vor dem Haus nicht vorgesehen.

«Die Idee wurde immer wieder diskutiert und wiederholt verworfen, weil wir während Anlässen keine anderen Gäste auf der Liegenschaft haben möchten», sagt Kobler. Und so hält man es im Anwesen wie in der Standortgemeinde: Willkommen sind alle – falls das Kleingeld oder die Verbindungen stimmen.

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