Das Luzerner Kulturhaus nach dem grossen Knall

Südpol: Gefordert wird «grundlegende Neuausrichtung»

Der Südpol: Ein Ort für die lokale, aber auch die nationale und internationale Kultur soll es sein.

(Bild: Rahel Hug)

Schlechte Zahlen, der Rücktritt des gesamten Vorstands, Vorwürfe aus der Freien Szene. Das Luzerner Kulturhaus Südpol befindet sich derzeit in einem veritablen Orkan. Nun wird vom Kulturbetrieb, mit dem sich offenbar breite Kreise nicht ausreichend identifizieren können, eine Neuausrichtung gefordert.

Ausnahmesituation im Südpol. Nachdem die Zahlen im Jahr 2017 unterdurchschnittlich ausgefallen waren und der künstlerische Leiter Patrick Müller seine Kündigung bekanntgegeben hatte, trat nun auch noch der gesamte Vorstand geschlossen zurück. Denn hinter den Kulissen werden schon seit einer Weile unzufriedene Stimmen lauter (zentralplus berichtete).

Nur verständlich, sorgt diese Situation für grosse Verunsicherung bei den 25 Mitarbeitern des Südpols. Hier versucht die aktuelle Leitung nun zu beruhigen. «Unser Team ist so gut aufgestellt wie noch nie», betont Dominique Münch, der betriebliche Leiter des Kulturhauses. Umso mehr bedauern Münch und der künstlerische Leiter Patrick Müller, der noch bis Ende September im Südpol arbeitet, dass der Vorstand das Handtuch geworfen hat. Mit diesem Schritt habe man nicht rechnen können, sagt Münch.

«Die Zahlen im Geschäftsbericht 2017 belegen, dass wir die Freie Szene stark gewichten.»
Patrick Müller, künstlerischer Leiter Südpol

Der Südpol sei ein komplexer und entsprechend anspruchsvoller Betrieb, sagt Dominique Münch. «Es ist nicht alles perfekt, doch sind wir den Gegebenheiten entsprechend gut aufgestellt. Und wir haben in den vergangenen Jahren entscheidende Verbesserungen und Fortschritte gemacht – etwa im Personalwesen und den internen Abläufen. Zudem sind wir motiviert, weiter am Betrieb zu arbeiten. Entsprechend ernst nehmen wir Kritik und Verbesserungsvorschläge, wie sie bei verschiedenen Gelegenheiten an uns herangetragen wurden und werden.»

Der Südpol in der Pubertät

Anne-Christine Gnekow, die im künstlerischen Beirat des Südpols sitzt, war ebenso überrascht über die Entwicklung wie die Leitung und wünscht, man hätte sie verhindern können. «Doch in den letzten beiden Jahren wurde der Austausch mit uns immer weniger gesucht. Das Kind wurde langsam erwachsen, ist wohl jetzt in der Teenagerphase mitsamt Identitätssuche.»

Eine Identitätssuche, die – ganz Teenager-like – von innerer Zerrissenheit gezeichnet zu sein scheint. Denn während die Leitung des Südpols nach den Gesprächen mit dem Vorstand eine Reihe «erfolgversprechender Massnahmen» umsetzt, spricht der Vorstand von Missverständnissen und zieht sich zurück (zentralplus berichtete).

50 Prozent lokale Produktionen

Die Vorwürfe, der Südpol sei nicht das Zuhause der Freien Szene geworden, treffen die Geschäftsleitung. «Das Team gibt alles, um den verschiedenen Anspruchsgruppen des Südpols ein Gefühl des Willkommenseins zu vermitteln», so Münch. Dies sei aber eine langfristige Angelegenheit und beruhe auf Gegenseitigkeit. Davon abgesehen erfüllt der Südpol den Leistungsauftrag der Stadt und ist de facto das Haus der Freien Szene für Tanz, Theater und Musik in Luzern. Rund 50 Prozent der Veranstaltungen im Tanz- und Theaterbereich im letzten Jahr stammten von der lokalen Freien Szene, so Müller: «Die Zahlen im Geschäftsbericht 2017 belegen, dass wir die Freie Szene stark gewichten.»

Konzertveranstalter Eugen Scheuch ist hier derselben Meinung. Der Kenner der hiesigen Musikszene glaubt nicht, dass zu wenig Lokales im Südpol passiert. «Wenn man sich das Programm anschaut, dann gibt es häufig lokales Kulturschaffen.» Trotzdem sei das Hauptproblem des Südpols, dass sich kaum jemand mit ihm identifiziere, so Scheuch. Auch nach zehn Jahren sei er nicht wirklich angekommen. Die Erträge aus den Eintritten seien im letzten Jahr erschreckend tief ausgefallen, so Scheuch.

Fehlplanung von Anfang an?

Er nehme den Südpol als zu gross für die Luzerner Freie Szene wahr. Und die nationale Ausstrahlung habe man sich noch nicht wirklich erarbeiten können. Das Programm biete zwar ganz klar spannende Sachen, «aber für diesen hohen Betrag an Subventionen ist dann auch der kulturelle Output zu dürftig», so Scheuch. Und dieses Geld fehle dann in anderen Kulturbetrieben, kritisiert der Konzertveranstalter.

Der Vorstand der «iku boa» habe schon vor über zwölf Jahren davor gewarnt, «dass alternative Kultur nicht einfach am Reissbrett geplant werden kann», so Scheuch. Da stelle sich die Frage, ob es nicht von Anfang an eine Fehlplanung gewesen sei.

Der Neustart als Option

Eine neue Ausschreibung, wie von verschiedenen Seiten gefordert und selbst von der Stadt als Option genannt, mache jedoch nur Sinn, wenn die ganzen Strukturen und Hierarchien geändert würden, an welchen die Stadt nicht unschuldig sei, sagt Eugen Scheuch. «Sie hatte sich damals genau für ein solches hierarchisches Konzept entschieden.» Und jahrelang sei nun entweder geschwiegen oder Probleme seien schöngeredet worden. Ein kritischer Diskurs habe bisher nicht stattgefunden.

Der Knall als Chance für kritische Stimmen, offene Gespräche und neue Wege? Darauf hofft auch der Vorstand von ACT Zentralschweiz, dem Berufsverband der lokalen Freien Theaterschaffenden. «Als Chance für eine grundlegende Neuausrichtung des Hauses», so Co-Präsident Patric Gehrig. Man sei mit verschiedenen Partnern im Gespräch, um die bestmögliche Lösung zu finden, welche dem Haus eine Zukunft ermögliche.

Ein kuratiertes Haus

Zu den Forderungen nach einer neuen Ausschreibung äussert sich die Leitung des Südpols nicht. Nur so viel: «Der Südpol ist gemäss Leistungsauftrag ein kuratiertes Haus; und entsprechend wird das Programm zusammengestellt», erklärt Müller. Und das Programm zeige sich nun vor der Sommerpause nochmals vielversprechend – am Wochenende vom 22. und 23. Juni. «Mit Les Yeux Sans Visage, Beatrice Fleischlin, Manuel Troller, Mandafounis & Parent, Shahin Najafi sowie in Zusammenarbeit mit Studierenden der Hochschule Luzern – Design & Kunst und dem Verein Yari Schweiz füllen wir unsere grosse und mittlere Halle, den Club sowie die Shedhalle und das Bistro mit Inhalten, wie man sie nur im Südpol Luzern antrifft», so Müller.

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