In Zug wurden Parkplätze emotional zurückerobert

Der Widerstand der Zuger gegen den Wandel in ihrer Stadt

Die Abstimmung über 42 oberirdische Parkplätze ist nicht nur ein emotionales Votum der Autofahrer in einer Kleinstadt. Sie zeigt auch auf, welch schnelles Verfallsdatum planerische Visionen angesichts sich verändernder Bedingungen in einer Stadt haben können. Und nicht nur das. 

Es ist schon erstaunlich: Vor mehr als zehn Jahren stimmten die Zuger mit überwältigenden 65 Prozent dem Bebauungsplan Post zu.

Dieser sah nicht nur eine schöne, piazzamässige Verkehrsberuhigung der beiden Teile des Postplatzes vor – sondern auch einen mehr als zahlenmässig zufriedenstellenden Ersatz für die wegfallenden Parkplätze. Man kann schliesslich seit Ende April bereits hervorragend und innenstadtnah in dem neuen Postplatz-Parkhaus parkieren.

Und was ist jetzt passiert? Das Zuger Stimmvolk wirft mit einem mehr als deutlichen Ja einen Teil dieser Pläne plötzlich komplett über den Haufen. Sprich: Nur der obere Postplatz wird autofrei, auf dem unteren kann weiter parkiert werden.

Wut der Autofahrer auf Parkgebührenerhöhung

Was ist da passiert? Handelt es sich da nur um eine momentane, erdrutschhafte Unvernunft einer (un-) heiligen Allianz zwischen Zuger Autofahrern und Altstadt-Lädeli-Betreibern? Mitnichten.

Kurzfristig könnte man diesen demokratischen Unmut ja noch so deuten, dass die Zuger Autofahrerinnen und Autofahrer noch immer dem Stadtrat grollen wegen der plötzlichen Parkplatzgebührenerhöhung. Diese gilt ja nun seit einigen Monaten. Man kann nicht mal mehr am Sonntag gebührenfrei parkieren.

Doch dieser Anti-Behörden-Reflex würde zu kurz greifen. Das Problem liegt tiefer.

Konkurrenzdruck für Geschäfte nimmt zu

Da sind die Zuger Geschäfte in der Altstadt. Und für die hat sich in den vergangenen zehn Jahren sicherlich einiges verändert. Stichwort: Internet-Shopping. Stichwort: Einkauf auf der grünen Wiese beziehungsweise in immer neuen, riesigen Shopping-Malls. Stichwort: Shoppen jenseits der Schweizer Grenzen.

Und da hat Dolfi Müller durchaus recht mit seiner Beobachtung: Es gibt inzwischen eine Zuger Nobel-Klientel, die kauft eben grundsätzlich lieber gleich im deutschen Freiburg ein – einfach weil es hipp und viel günstiger ist. Und weil man dort eine grössere Auswahl beschert bekommt.

Parkplätze als letzten Strohhalm

Da ist es verständlich, wenn Zuger Gewerbetreibende und Lädenbesitzer nach dem vermeintlich letzten Strohhalm greifen – den oberirdischen Parkplätzen vor der Ladentüre. Wobei unbestritten ist, dass diese sicher sehr wichtig für die Attraktivität von Kurzbesorgungen für Kunden sind – die sich ihrerseits wieder darüber freuen, wenn sie möglichst nahe am Geschäft parkieren können.

Diese Kausalität ist sicher nicht die Ultima ratio für den ökonomischen Erfolg von Läden und Geschäften. Doch es ist ein Erfolgsfaktor in einer kleinen Stadt wie Zug mit vor allem kleinen Läden. Zug ist und wird nie Züri sein, wo die Autofahrer seit Jahrzehnten von einer autofeindlichen Stadtverwaltung darauf getrimmt sind, ins Parkhaus zu fahren. Und weil es eben fast keine oberirdischen Parkplätze mehr gibt in Züri.

Oberirdische Parkplätze existieren dagegen noch in genügender Anzahl in Zug. Man muss einfach nicht ins Parkhaus. Ein Augenschein: Am Abstimmungssonntag um die Mittagszeit hatte es satte 86 freie Parkplätze im neuen Postplatz-Parkhaus – der untere Postplatz war dagegen voll parkiert.

Postplatz ist so oder so vom Verkehr zerschnitten

Und es gibt noch einen weiteren triftigen Grund der Zuger Autofahrer für ihr deutliches «Njet» zur Abschaffung der 42 oberirdischen Parkplätze in der Altstadt.

Selbst wenn über den Bebauungsplan Post vor dem Stadttunnel abgestimmt wurde, ist klar: Dadurch, dass die geplante, Milliarden teure Untertunnelung an der Urne gescheitert ist, fahren eben auch in Zukunft Tausende Autos von der Neugasse Richtung Bahnhofstrasse – und umgekehrt von der Zuger Vorstadt Richtung Casino.

Das heisst: Ein zusammenhängender, verkehrsberuhigter Postplatz könnte gar nicht entstehen – zerschnitten von der abgasverpestenden, autolärmenden Neugasse. Deshalb macht der zehn Jahre alte Bebauungsplan zum Postplatz in Sachen Autobefreiung auch nur noch bedingt Sinn. Denn welchen Erholungswert hat es, auf einem Bänkli zu sitzen und Autokolonnen anzustarren?

«Das ist gar nicht mehr unser Platz»

Und da ist noch ein nicht zu unterschätzender Faktor. Wie bemerkte doch Dolfi Müller, der seine Stadt wirklich sehr gut kennt, nach dem Abstimmungsergebnis: «Nachdem es die Post auf dem Postplatz ja gar nicht mehr gibt, sagen viele Zuger: Das ist gar nicht mehr unser Platz.»

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