Luca Sbisa hat den Stanley Cup vor den Augen

Ein Zuger erobert die beste Eishockeyliga der Welt

Luca Sbisa bei einem Pressetermin während des Stanley-Cup-Finals in diesem Juni.

(Bild: Screenshot SRF)

Obwohl der Oberägerer Luca Sbisa seit fast zehn Jahren in der NHL spielt, gehörte er nicht zu den grossen helvetischen Exportschlagern. Das dürfte sich nun ändern: Der 28-Jährige steht mit den Vegas Golden Knights im Stanley-Cup-Final und könnte als erster Zuger in der besten Eishockeyliga der Welt den Titel gewinnen.

Ein Zuger könnte in der besten Eishockeyliga der Welt Historisches schaffen. Denn sollte Luca Sbisa mit den Vegas Golden Knights tatsächlich den Stanley Cup gewinnen, wäre er der erste Schweizer, der den begehrtesten Eishockeytitel gewinnt und im Final tatsächlich zum Einsatz kommt.

Denn David Aebischer (2001), Martin Gerber (2006) und Mark Streit (2017) konnten den 15,5 Kilogramm schweren Pokal zwar bereits in die Schweiz bringen, doch waren sie in den Finalspielen jeweils nur in der Rolle als Zuschauer. Einen solchen Schönheitsfehler gäbe es bei Sbisa nicht. Der 28-Jährige hat sich bei der neuen Franchise aus der Spielermetropole längst einen Stammplatz erkämpft.

Das erste Finalspiel der Best-of-7-Serie gewannen seine Wüstenstädter gegen die Washington Capitals um Superstar Alexander Ovechkin mit 6:4. Im zweiten Duell hatten die Hauptstädter mit 3:2 die Nase vorn. Sbisa erhielt jeweils rund 15 Minuten Eiszeit.

Von Verletzungen gebeutelt

Selbstverständlich ist dies nicht. Sbisa machte diese Saison die Verletzungshexe gleich mehrmals einen Strich durch die Rechnung. Im Dezember fiel er wegen einer Fussverletzung längere Zeit aus. Mitte Januar musste er sich einer Operation am Mittelfinger unterziehen und eine Handverletzung setzte ihn ab Ende Februar über zwei Monate ausser Gefecht.

Doch seit Anfang Mai ist er wieder zurück im Team der Golden Knights und kommt dem ultimativen Ziel Stanley Cup immer näher. Zur Erinnerung: Der neu ins Leben gerufenen Franchise wurde vor der Saison kaum Kredit gegeben – selbst das Erreichen der Playoffs haben viele Experten vor der Saison als unrealistisch taxiert.

Von Oberägeri via Zug nach Nordamerika

Doch der US-Sport ist oft für Überraschungen gut und so steht die bunt zusammengewürfelte Truppe kurz vor dem ganz grossen Coup. Fast genauso unverhofft würde der Triumph die Karriere von Luca Sbisa krönen. Er, der zwar bereits über 500 NHL-Spiele absolviert hat und trotzdem meist im Schatten anderer NHL-Schweizer wie Mark Streit oder Roman Josi gestanden ist. Er, der harte Arbeiter, der das Spektakel lieber anderen überlässt.

Sbisa ist auf dem Eis kein Kind von Traurigkeit:

Eishockeytechnisch begonnen hat für den im sardischen Ozieri geborenen und in Oberägeri aufgewachsenen Luca Sbisa alles bei den Junioren des EV Zug. In der Saison 2006/07 gab er dann sein Debüt in der NLA-Mannschaft. Nach nur sieben Spielen zog es den damals 17-Jährigen aus dem Kanton Zug in die weite, raue Welt Nordamerikas in die Juniorenliga WHL.

Zwischen Anonymität und Disneyland

Mit einer starken Saison spielte sich Sbisa in die Notizblöcke der NHL-Scouts und wurde von den Philadelphia Flyers gedraftet. Nach einer Saison des Pendelns zwischen der Anonymität in der WHL und der sportverrückten Millionenstadt Philadelphia zog es den Verteidiger ein erstes Mal in Richtung Wärme und Unterhaltung nach Anaheim. Dort spielt Eishockey neben Disneyland und Co. nur eine Nebenrolle.

Sbisa spielt nordamerikanisches Hockey, lässt auch mal die Fäuste sprechen.

Für Sbisa war dies ein Entscheid, der sich lohnen sollte. Ab der zweiten Saison in Anaheim war der Zuger Stammspieler und nahm seine Rolle als Defensivverteidiger und Aggressivleader, der dorthin geht, wo es wehtut, meist verlässlich ein. Doch die Ducks kamen in den Playoffs nie über die Conference-Halbfinals hinaus.

Ein Mann für die Arbeit im Hintergrund

Luca Sbisa war nie ein offensiver Spektakelmacher. Dies ist einer der Gründe, weshalb ihm hierzulande nie die Aufmerksamkeit zuteil wurde, wie sie für einen Spieler mit seinem Karriereverlauf «normal» wäre. Auch bei seinen Auftritten in der Nationalmannschaft an den Olympischen Spielen in Vancouver 2010 oder an den Weltmeisterschaften 2011 und 2012 spielte er sich nicht in den Vordergrund. Selbiges gilt für die 30 Spiele im Trikot des HC Lugano während des NHL-Lockouts zu Beginn der Saison 2012/13.

Sbisa spielt nordamerikanisches Hockey, lässt auch mal die Fäuste sprechen, was in helvetischen Hockeygefilden ein gewisses Befremden auslösen kann. So mancher Schweizer Hockeyfan bekam mehr und mehr das Gefühl, Sbisa, längst akzentfrei amerikanisches Englisch sprechend, sei inzwischen mehr Nordamerikaner denn Schweizer. 2016 heiratete er seine amerikanische Freundin Lauren. Söhnchen Nolan wird bald einjährig.

Einer von Sbisas Gegenspielern in den Finals: Die russische Hockey-Überfigur Alex Ovechkin.

Einer von Sbisas Gegenspielern in den Finals: Die russische Hockey-Überfigur Alex Ovechkin.

(Bild: Ap Photo/Gene J. Puskar)

Im Juni 2014 transferierten die Anaheim Ducks Sbisa nach Vancouver. Endlich wieder eine echte Hockeymetropole. Endlich wieder echte Eishockeyluft zum Atmen. Und Sbisa war über weite Strecken während seines Engagements bei den Canucks gesetzt. Doch in zwei der drei Saisons wurden die Playoffs verpasst. Sportlich darbte das Team eher vor sich hin.

Und plötzlich herrscht Euphorie

Sbisa war zu diesem Zeitpunkt also schon Teil dreier NHL-Teams und hatte über 450 Spiele in der weltbesten Hockeyliga auf dem Buckel, doch war er nie in der Situation, in den Playoffs ganz vorne mitspielen zu können. Dann wurde er im Juni letzten Jahres im «Expansion Draft» von den Vegas Golden Knights ausgewählt. Zurück in der Wärme, zurück in einer Stadt, die von Unterhaltung getrieben wird.

Luca Sbisa kann auch anders. Hier ist er als Torschütze gegen die Calgary Flames in Aktion:

Es war vorgesehen, dass die Golden Knights in dieser riesigen Industrie nur ein kleines Rädchen bilden würden. Dass Sbisa in der Stadt des Glücksspiels das ultimative Glück seines Hockeylebens erfahren könnte, daran dachte niemand. Doch plötzlich herrscht rund um die goldenen Ritter eine riesige Euphorie. Und mittendrin ein Zuger, der seinen Teil dazu beiträgt: Cheftrainer Gerard Gallant setzt auch in wichtigen Situationen wie dem Boxplay oder gegen Ende des Spiels auf Sbisa.

Das nächste Spiel für Luca Sbisa und die Vegas Golden Knights auf dem Weg zu der wohl grössten Sensation in der Geschichte der NHL steht in der Nacht auf Sonntag Schweizer Zeit an. Es ist dies auch der Weg eines Zugers, die Geschichtsbücher des Schweizer Hockeys umzuschreiben.

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