Luzerner Regierung sorgt sich um Chancengleichheit

Damit auch Schüler aus «armen» Dörfern auf Schulreise können

Geht es nach der SP, soll der Kanton Luzern für Schulreisen und Klassenlager aufkommen: Schulkinder bräteln Maiskolben.

(Bild: Emanuel Ammon/AURA)

Nach einem wegweisenden Bundesgerichtsurteil müssen Schulen umsatteln: Die Kosten für Klassenlager oder Exkursionen dürften nicht mehr den Eltern aufgebürdet werden. Deshalb wird es für die Gemeinden teurer – doch nicht alle sind gut bei Kasse. Wie der Kanton verhindern will, dass finanziell schwache Orte abgehängt werden.

Wenn eine Klasse ins Museum oder auf eine Wanderung geht, darf das die Eltern praktisch nichts kosten. Das Bundesgericht hat in einem vielbeachteten Urteil letzten Dezember entschieden, dass für obligatorische Schulreisen, Klassenlager und Exkursionen grundsätzlich nicht die Eltern der Kinder in die Tasche greifen müssen. Sie müssen nur für jene Kosten aufkommen, die sie dank des Ausflugs selber einsparen, also konkret die Verpflegung. Das heisst: Je nach Alter dürfen pro Tag zwischen zehn und 16 Franken berechnet werden – mehr nicht. Für ein fünftägiges Klassenlager werden also neu maximal 80 Franken fällig.

Mit diesem Betrag kommt man nicht weit. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass die Gemeinden die restlichen Kosten selber berappen müssen. Und das könnte dazu führen, dass Kinder aus reichen Orten öfters in den Genuss einer Exkursion kommen als jene in Gemeinden, die knapp bei Kasse sind. Denn manche Schulen könnten aus finanziellen Überlegungen ihre Skitage oder Klassenlager streichen und auf Schulreisen verzichten.

Deshalb will der Kanton nun prüfen, ob es dazu kantonale Vorgaben braucht. Das hält der Regierungsrat in seiner Stellungnahme auf ein Postulat von SP-Kantonsrat Andy Schneider fest. Seine Fraktion verlangte, dass der Kanton verbindliche Richtlinien für alle Gemeinden erlässt und diesen finanziell unter die Arme greift. Auch die CVP stellte dem Regierungsrat in einem zweiten Vorstoss Fragen zum Thema – das nicht nur in Luzern für Furore sorgt (siehe Box).

Lager und Reisen ja, aber nicht zu viele

Denn der Regierungsrat würdigt den Sinn von Lagern, Schulreisen und Exkursionen. Diese seien «im richtigen Masse sinnvoll und fördern sowohl die fachlichen als auch die sozialen Kompetenzen». Vor diesem Hintergrund begrüsst es die Regierung, wenn alle Schüler an diesen Anlässen teilnehmen – und nicht nur die aus jenen Gemeinden, die genug Geld haben. Eine «minimale Zahl» ausserschulischer Anlässe sei in allen Schulen notwendig, auch um die Chancengerechtigkeit im ganzen Kanton zu gewährleisten.

«Im Moment gibt es viele offene Fragen bei den Schulen und den Gemeinden.»

Andy Schneider, SP-Kantonsrat und Schulleiter in Emmen

«Ich bin positiv überrascht, dass der Regierungsrat mein Anliegen prüfen will», sagt der Urheber des Vorstosses, Andy Schneider. Er ist Schulleiter an einer Primarschule in Emmen und weiss aus eigener Erfahrung: «Im Moment gibt es viele offene Fragen bei den Schulen und den Gemeinden.» Schneider fände es darum gut, wenn der Kanton Luzern verbindliche Vorgaben macht, wie viel die Gemeinden für Exkursionen und Lager budgetieren sollen. Bislang macht er nur Empfehlungen.

«Eine Gemeinde wie Meggen kann sich viel mehr leisten als eine Schule in Hergiswil am Napf. Es braucht aber eine Gerechtigkeit unter den Gemeinden.» Schneider plädiert für einen pragmatischen Weg, in dem sich auch die Gemeinden öfters Gedanken machen, welche Exkursionen Sinn machen.

Gibt es weniger Schulausflüge?

Vor dem Urteil des Bundesgerichts empfahl der Kanton den Gemeinden, pro Tag ein Maximum von 30 Franken für Elternbeiträge an ein Klassenlager zu verlangen. «Die Beiträge, welche von den Eltern verlangt wurden, waren unter den Gemeinden sehr unterschiedlich und wichen zum Teil auch zu stark von den Empfehlungen ab», hält der Regierungsrat fest.

Bislang konnten die Gemeinden auf Empfehlung des Kantons also fast doppelt so viel von den Eltern verlangen wie gemäss Gerichtsurteil zulässig ist. Besteht nun die Gefahr, dass künftig weniger Schullager und -exkursionen stattfinden? Diese Frage stellt CVP-Kantonsrat Adrian Bühler in seinem Vorstoss zum selben Thema. Der Regierungsrat wagt sich in seiner Antwort allerdings nicht auf die Äste hinaus. «Mit den vorgeschlagenen Beiträgen können bestimmte Veranstaltungen weiterhin durchgeführt werden», hält er fest.

Gleichzeitig fügt er an, dass einige Schulen klare Prioritäten setzen müssen. «Zum Teil wurden ziemlich viele Veranstaltungen durchgeführt, was auch zu hohen finanziellen Beiträgen der Eltern führte.»

«In der Stadt Luzern reicht ein Busbillett für 2.50 Franken, um ins Museum zu gehen – in Escholzmatt oder Reiden kommt man damit nicht weit.»

Charles Vincent, Leiter Dienststelle Volksschulbildung

Unterschiede bleiben

Der Kanton hat den Gemeinden basierend auf dem Gerichtsurteil kürzlich neue Empfehlungen unterbreitet: Pro Kind und Schuljahr sollen sie zwischen 20 und 40 Franken budgetieren für Exkursionen, Projekttage und Schulreisen. Ob diese dem Rat nachkommen, wird sich in den Budgets für das kommende Jahr zeigen. Es liege jedoch im Interesse des Kantons, wenn die Schulen weiterhin Exkursionen und Schulreisen durchführen können, sagt Charles Vincent, Leiter der Dienststelle Volksschulbildung.

Wegweisendes Urteil

Der Unterricht während der obligatorischen Schulzeit muss unentgeltlich sein, das schreibt die Bundesverfassung vor. Das Bundesgericht hat im Dezember in einem Fall im Kanton Thurgau entschieden, dass den Eltern nur jene Kosten für schulische Pflichtveranstaltungen in Rechnung gestellt werden können, die sie wegen der Abwesenheit ihrer Kinder einsparen.

Das Urteil hat in zahlreichen Kantonen für Verunsicherung und eine politische Debatte über die Finanzierung gesorgt, nebst Luzern auch im Kanton Zug (zentralplus berichtete) sowie unter der Bundeshauskuppel. Auf nationaler Ebene sind ebenfalls mehrere Vorstösse hängig. So fordert etwa der Bündner BDP-Nationalrat Duri Campell, dass sich die öffentliche Hand stärker an den Kosten von Schulsportlagern beteiligt.

Klar ist bereits jetzt, dass Unterschiede bestehen bleiben werden: «In der Stadt Luzern reicht ein Busbillett für 2.50 Franken, um ins Museum zu gehen – in Escholzmatt oder Reiden kommt man damit nicht weit», nennt Vincent ein Beispiel.

SP-Kantonsrat Andy Schneider erhofft sich, dass allenfalls der Kanton gewisse Abgeltungen übernehmen könnte. Er ist sich allerdings bewusst, dass solche Forderungen angesichts der aktuellen Finanzsituation beim Kanton einen schweren Stand haben. Ob sich der Kanton selber finanziell an den Kosten beteiligt, wie von der SP angeregt, lässt der Regierungsrat tatsächlich noch offen.

Denn das würde wohl mächtig ins Geld gehen: Zwar fehlt der Regierung eine Übersicht über die bisherigen Elternbeträge, doch nur schon die Umsetzung der neuen Empfehlungen würde 1,2 bis 1,4 Millionen Franken kosten. Der Kanton übernimmt zwar einen Teil der Betriebskosten der Volksschulen, doch der grösste Teil der Mehrkosten bleibt bei den Gemeinden. Damit sich der Kanton direkt finanziell beteiligen könnte, bräuchte es laut Charles Vincent eine Gesetzesänderung.

Ohnehin macht der Regierungsrat bereits jetzt klar: Beliebig Geld hinblättern wird er keinesfalls. «Mit Blick auf eine allfällige Mitfinanzierung des Kantons» brauche es für die Zahl der obligatorischen Schulveranstaltungen eine Obergrenze.

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