«Weltwoche» trifft im KKL auf Lucerne Festival

Bei Michael Haefliger wird selbst Roger Köppel ganz zahm

(Bild: jwy)

Roger Köppel machte mit seiner «Weltwoche»-Roadshow in Luzern halt. Talkgast war Lucerne-Festival-Intendant Michael Haefliger. Thema war nicht Politik, sondern eine philosophische Abhandlung der klassischen Musik. Es ging aber auch um Drogen, Sex und Ekel-Dirigenten.

Die Erkenntnis des Abends: Der bissige Roger Köppel kann ganz zahm, charmant, ja äusserst witzig sein. Und Michael Haefliger ist ein geistreicher Gesprächspartner, ein «brodelnder Vulkan», der aber selten ausbricht. Doch dazu später.

Seit März ist Roger Köppel «on the Road», um mit Talkgästen «die andere Sicht» unters Volk zu bringen. Der Auftakt war ein Coup: Steve Bannon kam nach Zürich. Aber man kann Köppel nicht vorwerfen, dass er nur mit Gleichgesinnten talkt, denn mehrheitlich waren die bisherigen Gäste linke Politiker: Corrado Pardini, Matthias Aebischer oder Tamara Funiciello.

Nun hat er am Donnerstagabend mit seinem «Weltwoche»-Talk im Luzerner KKL haltgemacht, Gast war diesmal kein Politiker, sondern der Intendant des Lucerne Festivals, Michael Haefliger. Mit ihm wollte Köppel also «die brisanten Themen des Monats» besprechen.

Bange Fragen

Man musste sich fragen: Was hat ein Intendant, der die Konfrontation sonst scheut, dazu bewogen, sich mit dem Zürcher Haudrauf einzulassen? Wieso verlässt Haefliger seine schöngeistige Klassik-Welt, um mit dem SVP-Nationalrat und giftigen Kommentator zu parlieren?

Haefligers Festival lebt schliesslich vom internationalen Austausch, von einer geistigen und kulturellen Offenheit. Nicht unbedingt jene Werte, die Köppels Partei und sein Wochenblatt vertreten.

«Ich war ein stiller Rebell.»

Michael Haefliger

Aber keine Bange: Um Politik ging es an diesem Abend nur am Rande, Thema war die klassische Musik in all ihren Facetten und Haefliger war ganz in seinem Element. Ein neugieriger Roger Köppel demonstrierte, dass er eine kulturelle Ader hat. Und damit ist nicht nur der Krokus-Fan Köppel gemeint, sondern ein «fortgeschrittener Laie», der sich zunehmend für die Klassik interessiert. Schliesslich hat der Journalist, als er noch nicht in erster Linie seine rechtspopulistische Mission betrieb, für die NZZ und den «Tagi» einst unter anderem als Kulturredaktor gearbeitet.

Schon vor dem KKL war klar: Heute ist Roger Köppel zu Gast.

Schon vor dem KKL war klar: Heute ist Roger Köppel zu Gast.

(Bild: jwy)

Der rebellierende Haefliger

Zuerst ging’s um das Familienleben von Haefliger, der in West-Berlin als Sohn des Star-Tenors Ernst Haefliger aufgewachsen ist. Etwa darum, wie der Vater zuhause den normalen Alltag zelebrierte und abends auf der Opernbühne zum Halbgott wurde. «Wo bei Sohn Michael «das rebellierende Gen» geblieben sei, wollte Köppel wissen – wieso wurde er zum Intendanten und nicht Rockmusiker? «Ich war ein stiller Rebell», so Haefliger. Sein Vater habe ihn durch seine enorm hohen ethischen Ansprüche geprägt. Und im Elternhaus habe er als Kind durchaus auch Woodstock und die Rock-Revolution mitbekommen. «Ich habe mich stark mit Rockmusik auseinandergesetzt, das Musical ‹Hair› war für mich ein Schlüsselerlebnis.»

Es wurde ziemlich philosophisch mit Fragen, was Musik bringe, wie gefährlich sie sei – und Köppel wusste immer im richtigen Moment eine überraschende Frage zu platzieren, denen Haefliger zuweilen elegant auswich. Wie das mit den Drogen sei in der Klassik, fragte Köppel. Haefliger: «Ich habe selber Geige gespielt, das geht nicht mit Drogen.»

Das Lucerne Festival in Nordkorea?

Am unterhaltsamsten wurde es, als sich das Gespräch hin zur weltpolitischen Lage bewegte. Ob Michael Haefliger eine Einladung von Kim Jong-un nach Nordkorea annehmen würde? «Ich würde nicht grundsätzlich Nein sagen», so Haefliger. Aber nicht, wenn es es der Propaganda dienen würde.

«Ich bin diszipliniert, aber ich habe einen Vulkan in mir.»

Michael Haefliger

«Musik hat etwas Menschenverbindendes», so Haefliger, er glaube an das Harmonische und Positive im Menschen, da könne man von der Musik, ja der Kunst im Allgemeinen lernen, sie fördere das Wertbewusstsein. «Das Orchester ist eine der grössten kollektiven menschlichen Leistungen, der Beweis, dass der Mensch Kraft hat», so Haefliger.

Der Provokateur kann’s nicht lassen

Man merkte Köppel an, dass er das Gespräch genoss (er überzog auch grosszügig) und er stellte mutige und naive Fragen. Etwa zur «überbrückenden Funktion von Musik zwischen Mann und Frau», denn sie erhöhe ja erwiesenermassen die Fortpflanzungswahrscheinlichkeit. Auf diese sexuelle Ebene ging Haefliger nicht ein, er blieb in der ästhetischen und philosophischen Sphäre. Schade.

Köppels Faszination und Bewunderung gegenüber Haefliger schien echt – fast schon entschuldigend sagte er zu seinen Fragen: «Ich muss schliesslich meinem Image als Provokateur gerecht werden.» Doch Köppel scheiterte eins ums andere Mal beim Versuch, Haefliger aus der Reserve zu locken.

Auf die Frage, warum Haefliger immer so kontrolliert sei und ob er keine rauschhaften Neigungen habe, kam Haefligers Moment – eben der Vulkan: «Ich bin diszipliniert, aber ich habe einen Vulkan in mir, ein nicht aktiver Vulkan», sagte er trocken. «Aber wenn’s kommt, dann kommt’s.»

Roger Köppel (links) lud im KKL zum Talk mit Michael Haefliger.

Roger Köppel (links) lud im KKL zum Talk mit Michael Haefliger.

(Bild: jwy)

Gibt’s Ekel-Dirigenten?

Schliesslich kam auch die #MeToo-Debatte zur Sprache, ob es unter den Dirigenten auch so unerträgliche Gestalten gebe wie unter Regisseuren: «Muss man einfühlsam sein, oder funktioniert das auch als Ekel?», wollte Köppel wissen. Haefliger blieb vage, gab zu, dass es durchaus Tyrannen gegeben habe. Aber man merkte, dass er lieber über die «schiere positive Energie» der grossen Komponisten und Dirigenten sprach.

«Herr Haefliger gibt Köppel recht, ich hoffe, das wird richtig zitiert.»

Roger Köppel

Und was ist mit Dirigentinnen? Der «Feminisierung der klassischen Musik», wie es Köppel nannte. «Dirigentinnen gab es lange nicht, vor 60 Jahren war das noch undenkbar», so Haefliger. Eine Haltung, die ihn dazu bewogen hat, das Thema «Prima Donna» 2016 zum Festivalthema des Sommers zu machen, was gewisse Dirigenten nicht goutiert hätten. «Dieser Schwerpunkt auf Frauen wurde extrem beachtet in der Branche», so Haefliger. Aber er gab zu, dass man da noch dran schaffen müsse, um noch mehr Dirigentinnen in die grossen Häuser zu bringen. Niveau-Unterschiede gebe es keine, darum – und das war eine Überraschung – sei er für eine gewisse Quote, ohne näher darauf einzugehen.

Das sensibelste Volk

Köppel bewies an diesem Abend, dass er als Talk-Gastgeber nicht gleichzusetzen ist mit dem bissigen Talkgast Köppel, wie man ihn zur Genüge aus deutschen TV-Talkshows kennt.

Schade war, dass das Gespräch gegen Ende seine Längen hatte – beide Gesprächsgäste kamen ins Schwadronieren. Und Haefliger war gegen Schluss schliesslich kaum mehr zu stoppen in seinem Redefluss und seiner Begeisterung über das Festivalbusiness – war das ein zaghafter Vulkanausbruch?

Als Köppel noch auf die Swissness zu sprechen kam, lobte Haefliger das Understatement der Schweizer, das er selber den ganzen Abend mustergültig verkörperte.

Für Köppel ist die meist unterschätzte Qualität der Schweizer die «skeptische Offenheit»: «Wir sind das sensibelste Volk der Welt», so Köppel. Wegen der Kleinheit und der Mehrsprachigkeit des Landes seien wir gezwungen zuzuhören und «die andere Sicht» gelten zu lassen. Haefliger nickte zustimmend. Und Köppel an die Journalisten im Saal: «Herr Haefliger gibt Köppel recht, ich hoffe, das wird richtig zitiert.»

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