Zuger Regierung: neue Strategie beim Lärmschutz

Die ganze Zuger Altstadt wird wohl verkehrsberuhigt

Tempo 30 kommt! Vielleicht. Nachdem man kommenden Sommer Test an der Zuger Grabenstrasse durchführt. Dies hat der Zuger GGR beschlossen.

(Bild: zentralplus)

Aufgrund eines Bundesgerichtsurteils hat die Zuger Baudirektion auf der Grabenstrasse Lärmmessungen und einen befristeten Tempo-30-Versuch gemacht. Nun kommt man wohl nicht umhin, auf der Grabenstrasse Tempo 30 einzuführen. Es könnte gar sein, dass die Strassen in der gesamten Altstadt zur Langsamfahrzone werden.

«Die wichtigste Zielsetzung des Versuchs bestand darin, die vom Bundesgericht zusätzlich georderten Abklärungen im Bereich Lärmschutz zu liefern», betonte der Zuger Baudirektor Urs Hürlimann (FDP) vor den Medien. Bekanntlich hatte der Kanton die Grabenstrasse im Zuger Altstadtbereich lärmsanieren wollen, gleichzeitig aber an Tempo 50 festhalten wollen (siehe Kasten).

Das Bundesgericht aber glaubte, dass das Lärmminderungspotential in der Nacht deutlich höher sein könnte, als in den bisherigen Untersuchungen ausgewiesen, und verknurrte die Zuger Regierung zu einer genauen Prüfung der Sachlage.

Tempo 30: So sieht's jetzt aus auf der Grabenstrasse.

So siehts aus auf der Grabenstrasse in Zug.

(Bild: zvg)

Ein Beitrag zur nationalen Forschung

Neben der durch Tempo 30 erreichbaren Lärmminderung wurde zusätzlich die Beschaffenheit des Lärms vor und während des Versuchs geprüft. Hürlimann: «Ein weiteres Ziel bestand darin, den Verkehrsfluss auf der Grabenstrasse aufzuzeichnen. Im Rahmen des Versuchs waren ausserdem die Akzeptanz von Tempo 30 durch die Verkehrsteilnehmer zu prüfen und die Akzeptanz in der Bevölkerung zu ermitteln.»

«Das einzige, was sich wirklich geändert hat, sind die Geschwindigkeiten in der Nacht und am Wochenende: Sie gehen zurück und mit ihnen auch die Lärmbelastung.»

Urs Lehmann, Zuger Kantonsingenieur

Die Ausgangslage

Anwohner der Grabenstrasse in Zug verlangten anlässlich einer anstehenden Lärmsanierung mit einer Beschwerde vor Bundesgericht die Einführung von Tempo 30 auf dem Kantonsstrassenteilstück der Hauptverkehrsachse durch das Zuger Stadtzentrum. Das Bundesgericht hiess im Februar 2016 die Beschwerde mit 3 zu 2 Stimmen teilweise gut und verpflichtete den Kanton Zug, «die Wirkung von Tempo 30 auf die Lärmemission an der Grabenstrasse vertieft zu untersuchen», besonders für den Nachtzeitraum. Dazu wurde auf der Grabenstrasse ein Versuch mit Tempo 30 von Ende Mai 2017 bis Ende Oktober 2017 durchgeführt.

Wegen der Aktualität des Themas sollen die Ergebnisse der Zuger Untersuchung in die gesamtschweizerische Forschung einfliessen. Deshalb habe sich auch der Bund an den Untersuchungen und den Kosten beteiligt, erklärt Hürlimann weiter. Der äusserst umfangreiche Schlussbericht ist deshalb auch auf dem Internet öffentlich einsehbar.

Der Verkehr fliesst gleich gut

Was also sagt der der Schlussbericht der Experten zu Tempo 30 in der Stadt Zug aus? Zusammenfassend habe sich nach den Untersuchungen auf der Grabenstrasse im letzten Jahr feststellen lassen, dass sich der Verkehrsfluss an Werktagen durch die Tempo-30-Anordnung nicht verändert habe, stellt Kantonsingenieur Urs Lehmann fest. Es passen also immer noch gleich viel Fahrzeuge durchs Nadelöhr. «Das einzige, was sich wirklich deutlich geändert hat, sind die Geschwindigkeiten abends, in der Nacht und am Wochenende: Sie gehen zurück und mit ihnen auch die Lärmbelastungen», sagt Lehmann.

Bei hohem Verkehrsaufkommen zwischen 7 und 19 Uhr könne in der Zufahrt auf den Kolinplatz auch bei einem signalisierten Tempo 50 nur mit rund 25 Stundenkilometer gefahren werden. Dies ändere sich auch mit Tempo 30 nicht. Lärmmässig bringt Tempo 30 laut Untersuchung tagsüber denn auch wenig.

Weniger Lärm in der Nacht – Anwohner schlafen besser

Am Abend zwischen 19 und 23 Uhr und vor allem in der Nacht zwischen 23 Uhr und 7 Uhr aber sei bei Tempo 30 ein deutlicher Rückgang der Immissionen festzustellen, ergänzt Urs Lehmann. Die Verminderung der Lärmbelastung in der Nacht ist überdies am Wochenende stärker als unter der Woche. Der mittlere Lärmpegel – gewissermassen das Grundrauschen des Verkehrs – fällt um 4 bis 5 Dezibel niedriger aus.

«Wir werden nicht darum herumkommen auf der Grabenstrasse Tempo 30 einzuführen.»

Urs Hürlimann (FDP), Zuger Baudirektor

Ausserdem schleichen die Fahrzeuge nun über die Grabenstrasse und beschleunigen nicht mehr gross. Das heisst: Die Spitzenpegel durch aufheulende Motoren sind nun um bis zu 5 Dezibel leiser – was die Anwohner deutlich besser schlafen lässt.

Jetzt muss Hürlimann handeln

Das Fazit von Baudirektor Urs Hürlimann: «Die Fakten der Lärmmessungen liegen nun auf dem Tisch. Hinzu kommen noch die jüngsten Entscheide des Bundesgerichts, das Tempobeschränkungen aus Lärmschutzgründen in verschiedenen Städten stützt. Deshalb werden wir wohl nicht darum herumkommen, auf der Grabenstrasse Tempo 30 einzuführen.»

Urs Hürlimann.

Urs Hürlimann.

(Bild: mam)

Hürlimann kündigt gar eine grundlegende Änderung der Zuger Strategie zur Lärmbekämpfung an. Bisher habe man auf Lärmschutzwände und Lärmschutzfenster gesetzt. Jetzt will man die Lärmquellen direkt bekämpfen. «Das heisst: Geschwindigkeitsreduktionen oder eine Verbindung aus lärmarmem Belag und herabgesetztem Tempo.»

Zuger wollen vom Bund leise Reifen

Zudem hat die Baudirektion vom Regierungsrat zusätzlich den Auftrag erhalten, sich auf Bundesebene für die Einführung lärmarmer Reifen als wirksamste Lösung der Lärmimmissionen einzusetzen. Hürlimann und sein Nachfolger sollen zudem versuchen, die Zuger Parlamentarier in Bundesbern auf ein entsprechendes Lobbying einzuschwören.

Konkret auf Tempo 30 auf der Grabenstrasse bezogen will die Baudirektion sobald wie möglich einen Plan auflegen. Gegen den sind Einsprachen möglich (und wahrscheinlich).

Gegen Begehrlichkeiten aus den Gemeinden

Übrigens wird laut Kantonsingenieur Urs Lehmann geprüft, ob es nicht gleich Sinn machen würde, neben der Grabenstrasse auch auf der Neugasse und dem untersten Teil der Ägeristrasse Tempo 30 festzusetzen. Somit wäre der Verkehr in der ganzen Zuger Altstadt entschleunigt.

Blick vom Postplatz in Richtung Neugasse. Wenn es nach den Grünliberalen geht, sollen in der gesamten Zuger Innenstadt an Samstagen Tempo 30 herrschen und die Ampeln abgeschaltet werden.

Blick vom Postplatz in Richtung Neugasse. Tempo 30 war hier schon von den Grünliberalen gefordert worden.

(Bild: pbu)

Dies sowie den gesamten Perimeter muss nun das Tiefbauamt noch im Detail klären. Hürlimann versucht aber gleichzeitig auch der Autolobby entgegenzukommen und betont mit Blick auf mögliche andere Strassen, die lärmsaniert werden müssen: «Tempo 30 sind nur in Ortszentren und Kernzonen zu prüfen.» Im übrigen Siedlungsgebiet gelte generell Tempo 50. «Das nun auch Tempo 30 Zonen auf Kantonsstrassen durch Steinhausen und andere Zuger Dörfer eingeführt werden, ist nicht die Meinung», wiederholt Hürlimann.

Buonas und Bickensdorf erhalten Flüsterbeläge

Die Stadtzuger sind nicht die ersten, die vom neuen Eifer der Zuger Baudirektion bei der Lärmbekämpfung profitieren. Der erste Flüsterbelag, so Kantonsingenieur Urs Lehmann, werde in den nächsten Wochen in der Risch eingebaut – und zwar auf der Strasse quer durch Buonas.

Dann kommt Baar an die Reihe: Die Lärmsanierung an der Neugasse/Blickensdorferstrasse im Abschnitt Weststrasse–Bachtalen in Baar liegt im Moment öffentlich auf. Vorgesehen sind dort ein lärmarmer Belag und Lärmschutzwände.

Auch in der Baubewilligung für die Umfahrung Cham–Hünenberg sind mehrere Flüsterbeläge und herabgesetzte Geschwindigkeiten vorgesehen. Insgesamt sind bis heute 27 Kilometer Kantonsstrassen lärmsaniert, 60 Kilometer in Bearbeitung und 32 Kilometer noch ausstehend.

Zuger Regierung will eine ganzheitliche Mobilitätsstrategie entwickeln

Baudirektor Urs Hürlimann kündigte am Donnerstag an, dass die Zuger Regierung bis 2020 eine Mobilitätsstrategie entwickeln wolle. Der Platz und die Mittel für grosse Umfahrungsstrassen und Neubauprojekte im Kanton Zug seien begrenzt, deshalb wolle man sich grundsätzlich Gedanken zum Mobilitätsverhalten machen und dabei auch öV, Carsharing und Autostoppmodelle mit berücksichtigen.

Die Zuger Regierung sieht dies als Weiterentwicklung der Gesamtverkehrsstrategie, die sie vor 12 Jahren entwickelt und mittlerweile so weit wie möglich umgesetzt hat. Diese beinhaltete den Autobahnausbau auf drei Spuren zwischen Blegikurve und Rotkreuz, die Umfahrung Cham-Hünenberg und die Tangente zwischen Baar und Zug, welche das Ägerital verkehrstechnisch besser anbindet. Ebenfalls ein wichtiger Pfeiler wäre der Zuger Stadttunnel gewesen, doch dieses Projekt wurde von den Stimmbürgern im Kanton Zug an der Urne abgelehnt.

Themen
Deine Ideefür das Community-Voting

Die Redaktion sichtet die Ideen regelmässig und erstellt daraus monatliche Votings. Mehr zu unseren Regeln, wenn du dich an unseren Redaktionstisch setzt.

Deine Meinung ist gefragt
Deine E-Mailadresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Bitte beachte unsere Netiquette.
Zeichenanzahl: 0 / 1500.


0 Kommentare
    Apple Store IconGoogle Play Store Icon