Stanser Musiktage: Jazz, Afropop und eine Premiere

Musikalische Taxifahrt von Berlin über Mali nach Skandinavien

Klein aber fein: Konzert von The Thing im Chäslager.

(Bild: Daniela Herzog)

Von rauem Garage-Jazz über leichtfüssigen Afro-Pop bis zu urchigem Naturjuuz: Die Stanser Musiktage boten am Donnerstag Vielfalt pur. Die eigenes komponierte Berlin Suite nahm die Besucher mit auf eine Bilderreise durch die pulsierende Metropole. Feierabend war danach aber noch lange nicht.

«Ihr habt die Katze im Sack gekauft, jetzt öffnen wir diesen Sack. Mal schauen, was herauskommt; ob ein kleines Büsi, ein streunender Kater oder ein junger Löwe.» Es ist nicht irgendeine Katze, die Dominik Wyss, Musiklehrer am Stanser Gymnasium, am Donnerstagabend in der Pfarrkirche Stans aus dem Sack lässt. Es ist die Uraufführung seiner eigens komponierten Berlin Suite, eine musikalische Taxifahrt durch die pulsierende Metropole Europas.

Die letzten Sonnenstrahlen scheinen durch die Kirchenfenster und beleuchten die vollen Zuschauerreihen. Nicht nur das Wetterglück hält an, die bunte musikalische Mischung zwischen regionalen Künstlern und internationalen Gästen überzeugt auch am dritten Tag des etablierten Musikfestivals. Nach dem Eröffnungskonzert der Lokalmatadoren Hanreti am Dienstag (zentralplus berichtete) schafft es Dominik Wyss, mit einem hochkarätigen Orchester und einem kreativen Sammelsurium an Stilrichtungen die Stanser Pfarrkirche zu füllen. 

Die etwas andere Stadtrundfahrt

Mit der Prelude Night Piece von Bernard Herrmann und dem Taxi Driver Travis Bickle heizen wir diesmal nicht durch die Gassen New Yorks, sondern begeben uns von frühmorgens bis spätabends auf eine sinnlich-musikalische Bilderreise durch Berlin. Auf einem passenden Reiseführer bietet Wyss kleine Denkanstösse an. Düster und laut beginnt die neunteilige Sinfonie noch in der Nacht und lässt, mal harmonisch geschmeidig, mal brüchig und chaotisch, die nach Hause torkelnden Partyschwärmer versinnbildlichen. Plötzlich erklingen swingige Dixieland-Töne, man fühlt sich zurückversetzt in das Berlin der goldenen 20er-Jahre.

Night Taxi – Berlin Suite unter der Leitung von Dominik Wyss in der vollen Pfarrkirche.

Night Taxi – Berlin Suite unter der Leitung von Dominik Wyss in der vollen Pfarrkirche.

(Bild: Daniela Herzog)

Die Idylle des anbrechenden Morgens untermalt Wyss mit sehr klassischen Klängen, inspiriert von Bach bis Vivaldi, und bricht diese dann gleich wieder mit frechen Bläsern und hektischen Streichern, die für die nötige Rush Hour sorgen. Typisch deutsche Blasmusik findet sich neben orientalischen Tönen in Neukölln.

Sehr gelungen ist der fünfte Teil der Sinfonie, der sich dem Berlin Marathon widmet. Nach smetanischem Moldaueingang wechseln sich die leichtfüssigen Läufer zu zupfenden Violine- und Basstönen mit den leidenden Joggern zu eindringlich monotoner Streichmusik ab. Mit der Abenddämmerung in Berlin verschwinden auch die letzten Sonnenstrahlen in Stans und wir suchen die wärmenden Afro-Pop-Rhythmen von Amadou & Mariam auf.

Heitere Stimmung im ausverkauften Kollegium St. Fidelis

Nicht nur der musikalische, sondern auch der räumliche Kontrast könnte nicht grösser sein. Von der gespannten, hochkonzentrierten Stimmung in der kühlen Kirche geht es nun in den ausgelassenen, von wärmendem rötlichen Licht durchfluteten Theatersaal des Kollegium St. Fidelis. «Ça va bien? Sing all togehter!», ruft Sänger Amadou in die tanzende Menge.

Amadou & Mariam heizen den Theatersaal ein.

Amadou & Mariam heizen den Theatersaal ein.

(Bild: Daniela Herzog)

Die positiven Vibes in Verbindung mit den sich ständig wiederholenden Gesängen des Duos aus Mali heizen den ausverkauften Saal so richtig ein und bringen sogar das sitzende Publikum zum Tanzen. Im Gegensatz zu den ständig wechselnden Klangeindrücken in der Kirche, sind die Rhythmen und Melodien hier ähnlicher.

Geniales Free-Jazz Trio im Chäslager

Erneut wechseln wir die Location, erneut tauchen wir ein in eine andere Welt. Vielleicht der heimliche Headliner des Abends findet sich mit dem skandinavischen Impro-Trio The Thing auf dem kleinen Dachstock des Chäslagers. Im intimen Kreis entwickeln sie ihre Stücke voller Leidenschaft und Feingefühl von ganz kleinen Tönen bis zu ganz grossen Hardcore-Sounds. Mit der Zugabe eines Stücks von James Blood Ulmer sorgen sie für das grandiose Schlussbouquet.

Feierabend ist aber noch lange nicht, auf dem Dorfplatz geht es weiter mit virtuosem African-Sound von Lalibela Express und im Festzelt spielen urchige Formationen aus dem Muotathal. Dem OK ist es nicht nur gelungen, hervorragende Künstler zu engagieren, sondern ihnen auch die massgeschneiderte Lokalität zuzuweisen.

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