Wie man regelkonform durch Luzern pedaliert

Velorowdy? Ein Plädoyer für mehr Gelassenheit

Es gibt noch einiges in Sachen Velowege zu tun.

(Bild: Emanuel Ammon/Aura)

Mit einer Polemik hat eine Kollegin bei zentralplus kürzlich den Verkehrskonflikt angeheizt. Das ist verständlich, doch leider hilft das niemandem. Acht Tipps, wie man als Velofahrer wirklich weiterkommt.

Meine Kollegin hat an dieser Stelle kürzlich von ihren todesmutigen Fahrten durch die Luzerner Neustadt berichtet. Wir Velofahrer kennen alle die von ihr geschilderten Situationen: Autos versperren konsequent den Weg, missachten Velos und drängen sie ins Abseits.

Deshalb ist das Fazit der Polemik – «Ich bin ein Velorowdy und die Autofahrer sind schuld» – sehr gut nachvollziehbar. Trotzdem ist es falsch und gefährlich. Hier ein Plädoyer für mehr Mut, Vernunft und Gelassenheit.

1. Es hilft nicht

Wenn Velofahrer über Trottoirs düsen, Einbahnen missachten und Stinkefinger verteilen, fühlen sie sich gut und legitimieren ihr Verhalten mit den unhaltbaren Zuständen im Verkehr. Doch sie tappen in die Falle und bestätigen genau das Klischee, auf das alle Velohasser hinarbeiten.

Alle fühlen sich in ihrem Grabenkampf bestätigt: Die Velofahrerin in ihrer Opferrolle, der Autofahrer in seinem Hass und der Kommentarschreiber haben es schon immer gewusst. Doch leider hilft solches Gebaren niemandem, im Gegenteil.

2. Autofahrer sind hässig – aber aus anderen Gründen

Die Aggression der Autofahrer, sie ist in Wahrheit den verstopften Strassen geschuldet – und dem Wissen, dass ihr Ende gekommen ist. Ein letztes Aufbäumen der Dinosaurier. In 20 Jahren werden benzinbetriebene, mit einem Menschen bestückte und 1,5 Tonnen schwere Panzer in der Stadt ein Unikum sein.

«Ich bin die Zukunft, die Blechkolonne ist von gestern.»

Dieses Bild habe ich vor Augen, wenn ich in der wunderbaren Frühlingsluft am Stau vorbei über die Seebrücke pedaliere. Ich bin die Zukunft, ihr da in der Blechkolonne seid von gestern. Ich bin nicht der Grund für euren Zorn.

3. Lächle selbstbewusst

Im Wissen, mit meinem leisen, sauberen und eleganten Gefährt meinem Umfeld den grössten Gefallen zu tun, rolle ich ganz gelassen durch die Strassen. Mit einem Lächeln auf den Lippen und klaren Zeichen und Ansagen nehme ich mir selbstbewusst den Platz, der mir zusteht: Ich fahre konsequent mit genügend Abstand vom Strassenrand. Durch den Kreisel rolle ich in der Strassenmitte. Und ich stoppe nicht neben, sondern vor stehenden Kolonnen bei Rotlichtern.

«Mein Fleisch gegen dein Blech.»

Das alles ist kein Rebellentum, sondern erlaubt und so gewollt. Und der Autofahrer lernt mich nur zu akzeptieren, wenn er mich wahrnimmt, weil ich mich in den Weg stelle. Mein Fleisch gegen dein Blech. Wer aufs Trottoir kuscht, tut dem Auto einen Gefallen. Also nicht nachgeben, wir sind Teil der Strasse. Und keine Angst, willentlich fährt dich keiner über den Haufen.

4. Der Fussgänger ist der Freund

Immer wird die Velofahrerin zur Zielscheibe von Aggression gehören, solange sie sich dieser unheiligen Allianz aus Fussgängerinnen und Autofahrern gegenübersieht. Doch das ist Blödsinn. Die natürliche Allianz heisst: Velo, Fussgänger und ÖV auf der einen, der motorisierte Individualverkehr auf der anderen Seite.

Ein Auto braucht nun mal unsinnig viel Platz, produziert viel Lärm und stinkt zum Himmel. Und jeder, der sich das mit gutem Gewissen in der Stadt zumuten will (oder muss), sollte froh sein um jede, die Velo fährt, zu Fuss geht oder in den Bus steigt. Nur, um die Linien mal klar zu ziehen.

5. So schlimm ist es nicht

Und klar ist Luzern keine Velostadt. Aber es tut sich was, und das sollte man honorieren. Gerade in der Neustadt: Endlich kann man die Drahtesel standesgemäss parkieren und an Bügel ketten. Immer mehr Rotlichter haben eine separate kleine Ampel für Velos, die früher auf Grün schaltet. Und Projekte wie die Velostrasse oder das Freigleis zeigen, dass der gute Wille da ist, dem Velo mehr Platz zu geben auf Kosten des restlichen Verkehrs.

«Lernt Velo fahren und lasst euch das Zweirad etwas kosten!»

Bis Luzern das Niveau von Kopenhagen – der Velovorzeigestadt schlechthin – erreicht hat, sollte man sich an den guten Fortschritten erfreuen. Oder noch besser: gleich selber Vorschläge zur Verbesserung einreichen.

6. Sich selber mal hinterfragen

Genauso oft wie über Autos und Busfahrer ärgere ich mich über inkompetente Velofahrer. Der Erfolg von E-Bikes, Publibikes und dergleichen ist gleichzeitig ein Fluch: Da sind lauter Lenker unterwegs, die ihr Gefährt nicht beherrschen und die Stadt schlecht kennen. Wer seit 20 Jahren im Luzerner Verkehr mitmischt, kennt die Gefahrenzonen und kann das Verhalten der Autos lesen und voraussehen. Wer sich aber im Dichtestress geplagten Feierabendverkehr auf einer Sonntagsfahrt wähnt, ist eine Gefahr – auch für die anderen Velofahrer.

«Malt von mir aus selber Velostreifen auf die Strasse!»

Es ist doch eine Krux: Entweder sind die hochgerüsteten E-Bike-Fahrer zu ungeübt für ihr Luxusgefährt (ähnlich wie viele Offroader-Kapitäne auf Quartierstrassen). Oder aber das rostige 100-Franken-Schnäppchen ist für einen selbstbewussten und erwachsenen Pedaleur eine Zumutung. Lernt Velo fahren und lasst euch das Zweirad etwas kosten!

7. Sprecht miteinander

Auch Autofahrer sind Menschen und sprechen in der Regel die gleiche Sprache. Statt den Finger zu zeigen, einfach mal an die Scheibe klopfen und höflich fragen, ob sie es beabsichtigt hatten, mich fast über den Haufen zu fahren? Ganz oft sind sich Automobilisten nämlich ihrer velovernichtenden Fahrweise ganz einfach nicht bewusst, weil man in den immer dickeren Karossen immer weniger von der Umwelt mitbekommt.

8. Wenn schon Rebell, dann richtig

Und zum Schluss: Du willst die Situation für die Velos verbessern? Dann engagiere dich, aber richtig. Setz deine Energie nicht in Fluchtiraden, sondern organisiere eine Velodemo! Male von mir aus selber Velostreifen auf die Strasse! Setze dich politisch für bessere Bedingungen ein, diskutiere mit anderen und überzeuge sie (oder lass dich überzeugen).

Aber verfalle nicht in die alten Denkmuster, sonst fallen wir verkehrstechnisch wieder in die 50er-Jahre zurück. Die Verkehrspolitik ist heute schon weiter, als es manche Grabenkämpfe vermuten lassen.

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